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5 Minuten Geldanlage "Bei Gold wird zu sehr auf den Dollar geschaut"

Degussa-Goldhandel-Chef Wrzesniok-Roßbach über die Aussichten für den Goldpreis.
Goldbarren: Der Preis für das Edelmetall bewegte sich zuletzt seitwärts
Goldbarren: Der Preis für das Edelmetall bewegte sich zuletzt seitwärts (Foto: Deutsche Börse AG)
© Deutsche Börse AG
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Wolfgang Wrzesniok-Roßbach ist Geschäftsführer der Degussa Goldhandel GmbH

Capital: Herr Wrzesniok-Roßbach, Degussa ist Deutschlands größter Edelmetallhändler, muss der Blick auf den Goldpreis nicht arg frustrierend für Sie sein?

Wrzesniok-Roßbach: Keineswegs, in Deutschland haben Kunden, die in Euro rechnen, in den ersten Monaten mit Gold je nach Stichtag eine höhere Rendite erzielt, als mit dem in der Presse so viel zitierten Dax-Anstieg. Hierzulande wurde beim Gold in der Öffentlichkeit leider viel zu sehr auf den Dollar-Preis geschaut, aber das ist ja nicht der Kurs, in dem hiesige Anleger rechnen. Und frustrierend ist für uns der Goldmarkt in den ersten fünf Monaten dieses Jahres noch aus einem anderen Grund nicht gewesen: Als Folge von Euro-Schwäche, Griechenland-Krise und Minuszins-Diskussion haben wir im Vergleich zu den entsprechenden Monaten im Vorjahr einen um 50 – 100 Prozent höheren Absatz bei Privatanlegern verzeichnet.

Wer kauft denn bei Ihnen zurzeit Gold?

Unsere Kunden – wir hatten letztes Jahr über 160.000 – sind ein kompletter Querschnitt der deutschen Bevölkerung, es beginnt beim Studenten, der jeden Monat eine Silbermünze kauft; geht weiter über Großeltern, die jedes Jahr eine Unze Gold für ihre Enkel zurücklegen, bis hin zu Family Offices, die Millionenbeträge auf einmal investieren. Generell kann man aber sagen, dass die Kundschaft im Vergleich zu früher weiblicher und deutlich jünger geworden ist. Die typische Kundengruppe, die wir noch vor drei Jahren ausgemacht haben – männlich, über 55, höheres Einkommen – dominiert unsere Kundschaft heute längst nicht mehr so sehr.

Im Übrigen ist es interessant zu sehen, wie viele der Bankangestellten aus den Frankfurter Hochhaustürmen in unsere nahegelegene Niederlassung kommen und auf Gold als Beimischung zu ihrem Vermögen setzen. Selbst hier scheint eine gewisse Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Finanzmärkte zu herrschen.

Seit Monaten bewegt sich der Goldpreis in einem engen Korridor um die Marke von 1200 Dollar je Feinunze. Warum kommt das Edelmetall nicht vom Fleck?

Was die weltweite Nachfrage angeht, bewegte sich – anders als in Deutschland – in der Tat zuletzt recht wenig. Dafür gibt es aber Gründe: Ein niedrigeres Wachstum in China und der niedrige Ölpreis sorgen in für den Goldabsatz wichtigen Regionen für weniger Nachfrage. Gleichzeit hemmt die Erwartung steigender Zinsen in den USA und in England die Käufe angelsächsischer Spekulanten, aber auch langfristig orientierter Investoren. Und dann steigt die Goldproduktion zwar nur leicht aber doch spürbar an. Dies ist eine Folge der hohen Preise vor einigen Jahren, in denen viele Minenprojekte in der Hoffnung auf immer weiter steigende Preise auf den Weg gebracht wurden.

"viele negative Faktoren schon eingepreist"

Griechenland, Ukraine, Syrien, Islamischer Staat – die Namen stehen für schwere Krisen und Konflikte in der Welt. Was muss eigentlich noch passieren, damit Gold seinem Ruf als Krisenmetall gerecht wird?

Gold hat einen Ruf als sicherer Hafen und wird diesem durchaus gerecht. Aber man muss hier unterscheiden: In erster Linie wird Gold als langfristige Portfolio-Beimischung gekauft, wenn Verwerfungen auf den Finanz- und Wirtschaftsmärkten drohen. Auf politische Krisen oder auch kriegerische Konflikte reagiert der Goldpreis dagegen nicht so sehr oder nur sehr kurz. Das hat man bei den Golf-Kriegen gesehen, bei verschiedenen Aktien-Crashs oder auch am 11. September. Zusammengefasst also: Gold ist für die Anleger vor allem dann Krisenmetall, wenn es an das eigene Portemonnaie geht.

Analysten rechnen in ihren jüngsten Prognosen mit einem weiteren Anstieg der Inflationsrate noch in diesem Jahr. Stehen Gold damit wieder bessere Zeiten bevor?

Generell sind in den aktuellen Goldpreis viele negative Faktoren schon eingepreist und die Spekulanten haben sich ebenfalls schon negativ positioniert. Gleichzeitig ebben aber die Verkäufe aus den großen, in den Jahren 2006 – 2011 aufgebauten ETF-Beständen ab. Auf der Nachfrageseite sind andererseits Notenbanken schon seit Jahren wieder aktiv, das wird sich auch weiter fortsetzen, denn was sind für sie die Alternativen?

Im Übrigen kann die Nachfrage nach Schmuck von dem derzeitigen, in vielen Ländern erreichten Krisenniveau eigentlich nur steigen. Und die Neu-Produktion wird demnächst den Gipfel erreichen und dann wieder fallen. Zum Schluss wird auch noch der Altgoldanfall bei einem neuerlichen Anstieg der Notierung – anders als 2010 bis 2013 – als Preisbremse weitgehend ausfallen, weil der Inhalt vieler privater Schatullen schon in der letzten Haussephase zu Geld gemacht wurde. Wenn man das alles berücksichtigt, stehen die Chancen für einen Wiederanstieg also nicht gerade schlecht.

Wo sehen Sie den Goldpreis Ende des Jahres?

Unter den schon beschriebenen Gegebenheiten sind 1500 Dollar je Unze nach meinem Dafürhalten deutlich wahrscheinlicher als 1000 Dollar. Aber wenn rund um Griechenland und den Euro nichts Dramatisches passieren sollte, wird es wohl einen eher kontinuierlichen und keinen abrupten Anstieg geben.

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