Christoph Bruns ist Fondsmanager, Vorstand und Teilhaber der Fondsgesellschaft Loys AG.
Auffällig einseitig und lückenhaft fiel zuletzt die mediale und politische Kommentierung von Bayers Monsanto-Übernahme aus. Es gehört mittlerweile zum publizistischen und politischen Ritual, einen Sachverhalt zunächst und vor allem moralisch zu beurteilen, da dann jeder mitreden kann. Im Fall von Bayer und Monsanto bedeutet das, dass besonders die Gentechnik und die starke Marktposition des neu entstehenden Unternehmens kritisiert werden. Hierzu muss man jedoch wissen, dass Gentechnik in anderen Ländern keineswegs so negativ gesehen wird wie in Deutschland.
Zudem denkt man in Weltteilen mit stark wachsender Bevölkerung und strukturellen Ernährungsdefiziten positiver über Gentechnik, als man sich das an grünen Stammtischen in Berlin vorstellen kann. Sofort fällt einem die Parallele zur Nukleartechnik ins Auge, denn auch auf diesem Gebiet findet die deutsche Energiemoral nur wenige Nachahmer in der Welt. Der jüngste Beschluss Großbritanniens, mit dem Bau des Kernkraftwerks Hinkley Point C stärker auf Atomenergie zu setzen, steht im Einklang mit Entwicklungen in anderen Industrieländern – nicht zuletzt auch in Japan.
Bayer wird noch amerikanischer
Was aber Bayer angeht, so sollte man zunächst zur Kenntnis nehmen, dass dieses Unternehmen, wie die meisten börsengehandelten Großunternehmen Deutschlands, überwiegend amerikanische Eigentümer hat. Man hört es möglicherweise in der Bundesrepublik nicht gerne, aber die einheimische Bevölkerung ist über Aktienfonds und Direktanlagen in aller Regel nur gering an den Aushängeschildern der deutschen Wirtschaft beteiligt. Dafür ist die hiesige Zinsobsession gepaart mit einer grundsätzlichen Aktienskepsis und staatlicher Diskriminierung von Eigenkapital- gegenüber Fremdkapitalanlagen verantwortlich. Ob Daimler, Linde oder BASF, amerikanische Adressen halten jeweils die größten Aktienanteile an diesen und etlichen anderen Unternehmen mit Sitz in Deutschland.
Nach der Übernahme von Monsanto durch Bayer wird das neue Unternehmen noch amerikanischer sein, als es heute bereits der Fall ist. Bei Monsanto ist das Aktionariat mit 85 Prozent fast zur Gänze amerikanisch, so dass die neue Bayer de facto ein Weltunternehmen dominiert von US-Eigentümern und einstweilen deutschem Hauptsitz sein wird. Wo aber welche Musik gespielt wird, das werden selbstverständlich die Eigentümer zu bestimmen haben und die verfolgen völlig zu recht unternehmerische Ziele, die weit über Deutschland hinausreichen.
Sofern man in Deutschland Interesse daran besitzt, Einfluss auf börsennotierte Unternehmen auszuüben, wäre es an der Zeit, darüber nachzudenken, wie die Bevölkerung sich am Eigenkapital solcher Unternehmen maßgeblich beteiligen kann. Das ist jedoch ein Tabuthema, an dem die Politik seit Jahrzehnten kein Interesse zeigt. Die schwache Pro-Kopf-Wohlstandsentwicklung Deutschlands, welche im Kontrast zur Eigenwahrnehmung als Spar- und Exportweltmeister steht, fußt im Wesentlichen auf einer viel zu geringen Beteiligung der Bundesbürger am Produktivvermögen.
Die Wall Street setzt die Maßstäbe
Vor dem Hintergrund der jahrzehntelangen Sozialdemokratisierung der deutschen Politik und dem weitgehenden Verschwinden liberaler Kräfte aus dem Parteienspektrum verblüfft die beschriebene Entwicklung nicht einmal. Nirgendwo finden sich in der öffentlichen Diskussion Ansätze etwa zu einer durchgreifenden Steuerreform, die die Attraktivität erhöhen würde, sich an Unternehmen zu beteiligen. Es spricht ja für sich selbst, dass sogar die Abschaffung positiver Zinsen nicht zu einem Umsteuern im Verhalten der deutschen Anleger geführt hat.
Die Maßstäbe im Unternehmensbereich werden nicht in Berlin, sondern im Zweifel an der Wall Street gesetzt. Erfahrene Marktteilnehmer werden sich erinnern, wie etwa beim Übernahmekampf zwischen Mannesmann und Vodafone vor vielen Jahren bzw. Deutscher Börse und der Londoner Liffe in jüngerer Vergangenheit die Würfel gefallen sind. Am Ende entscheiden die Eigentümer über das Schicksal der Unternehmen und hier setzen sich in aller Regel jene Gruppen durch, die eine Aktienmehrheit auf sich vereinigen können. Hätte Mannesmann mehr deutsche Aktionäre gehabt, dann wäre möglicherweise die Übernahme von Vodafone geglückt. Die stärkere Aktienorientierung der Angelsachsen ließ aber - in diesem wie auch in den meisten anderen Fällen - das Pendel in die entgegengesetzte Richtung ausschlagen.
Im Zeitalter der Globalisierung tritt das Nationale in den Hintergrund. Eigentum ist – wirtschaftlich betrachtet - vorteilhafter als Nationalität. Karl Marx hat die Bedeutung des Eigentums an Produktionsmitteln früh und treffsicher erkannt und für sich als Aktionär genutzt. Leider sind die Deutschen kein Volk von Eigentümern am Produktivkapital geworden. Heute spricht wenig dafür, dass sich diese Situation auf absehbare Zeit ändern würde. Dass die amerikanischen Mehrheitseigentümer von Bayer eine durchaus nachvollziehbare Strategie verfolgen, ist ihnen moralisch nicht zu verdenken.
Aus ChicagoIhr
Dr. Christoph Bruns
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