Nadine Oberhuber ist Wirtschafts- und Finanzjournalistin. Sie schreibt auf Capital.de über Geldanlagethemen
Wenn man sich angesehen hat, wer in der vergangenen Woche an den Börsen zu den großen Gewinnern gehörte, dann geriet man schon ins Staunen: Die Lufthansa, Deutsche Bank und VW standen da ganz oben auf den Kurszetteln. Ausgerechnet die drei? War da nicht gerade was? Genau, es sind just die drei Konzerne, die in den vergangenen Monaten für heftigen Trubel und große Turbulenzen gesorgt haben. Und genau deshalb steigen ihre Kurse.
VW spürt immer noch die Folgen des Abgasskandals, der auch heftige Spuren in der Verkaufsstatistik hinterlassen hat. Zumindest bei der Kernmarke Volkswagen. Die Deutsche Bank ließ bei vielen den Atem stocken, nachdem plötzlich Gerüchte laut wurden, es werde in Regierungskreisen an einem Rettungspaket gearbeitet. Denn womöglich könnten enorm hohe Schadenersatzforderungen aus den USA die Bank ins Wanken bringen. Und die Lufthansa litt auch bereits das ganze Jahr eher unter Gegenwind: Unter dem Einfluss von politischen Unsicherheiten, unberechenbaren Ölpreisen, einem enormem Preiskampf in der Branche und mehreren Piloten- und Flugbegleiterstreiks trudelte sie dahin. Sie verlor seit März rund 40 Prozent an Wert, der Aktienkurs sank von 17 Euro je Aktie auf 10 Euro. Das war enorm, im Grunde sogar etwas unverhältnismäßig. Deshalb müsste doch ihr Kurs jetzt wieder steigen, oder?
Denn Verpuffungen sind bekanntlich schnell vorbei, das lässt sich nicht nur physikalisch erklären, sondern auch an den Börsen. Und passend zu diesem Effekt gibt es an den Finanzmärkten eine Strategie für den Aktienkauf, die man darauf anwenden kann und die auch dieser Tage mal wieder beweist, dass sie funktioniert: Kaufe immer diejenigen Aktien, die zuvor vom Markt am heftigsten abgestraft worden sind – denn sie werden in naher Zukunft vermutlich am schnellsten wieder zulegen.
„Dogs of the Dax“
Das liegt daran, dass die Märkte eben nicht völlig rational reagieren, sondern es bei ihren Ausschlägen nach oben wie nach unten gerne übertreiben. Infolgedessen werden die Verlierer des Augenblicks oft so stark von den Anlegern in den Keller geprügelt, dass ihre Kurse irrational niedrig sind und sie dem eigentlichen Wert nicht mehr entsprechen, der im Unternehmen steckt. Umgekehrt bewirkt die Übertreibung, dass ein Kursanstieg meistens ähnlich rasant schnell vonstatten geht wie der vorherige Absturz. Beides lässt sich nun gut ausnutzen.
Die Strategie dazu heißt „Dogs of the Dow“, in diesem Falle eben „Dogs of the Dax“ und schon vor über 20 Jahren haben Börsianer sie formuliert: Man kauft zu einem bestimmten Stichtag im Jahr (das kann der 1. Januar sein, aber auch jeder x-beliebige andere Tag, also auch der 1. November) die abgestraftesten Aktien der vergangenen Monate und hält die Papiere genau ein Jahr lang. Dann verkauft man sie wieder. Dasselbe vollzieht man nun regelmäßig, aber bitte auch konsequent. Also bitte nicht nach einem Jahr denken: Vielleicht steigt das Papier ja noch weiter, also halte ich es noch ein bisschen.
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Das Ergebnis dieser Strategie kann sich sehen lassen, sagen Auswertungen von Börsenstatistikern. Wissenschaftlich begründbar ist der Erfolg zwar bisher nicht, aber empirisch nachweisen lässt er sich: Demnach sei mit dieser Vorgehensweise über einen Zehnjahreszeitraum eine Rendite von rund zehn Prozent pro Jahr zu erzielen. Das wäre tatsächlich mehr, als die großen Indizes Dax und Dow Jones üblicherweise als Langfristrendite abwerfen. Die liegt nämlich nur bei sechs bis sieben Prozent, sagen Renditeberechnungen zum Beispiel vom Deutschen Aktieninstitut und dem Fondsverband BVI. Auch auf einen sehr langen Anlagezeitraum von 20 Jahren gesehen lieferte der Dogs-of-the-Dow-Ansatz fast immer eine deutliche Outperformance. Beim Investieren in die Underdogs der Börse lockt also ein satter Zusatzgewinn.
Nun ist die spannende Frage: Wer sind die meistgeprügelten Aktien der vergangenen Zeit? Das lässt sich verhältnismäßig leicht mit den üblichen Top-und-Flop-Listen auf Anlageportalen herausfinden. Damit kommt man zu dieser Liste: Deutsche Bank, Commerzbank, Eon, Bayer, Continental, Pro Sieben Sat 1, Lufthansa, Daimler, Deutsche Börse und BMW. Man könnte also einfach in diese zehn investieren und ein Jahr lang auf deren Comeback hoffen.
Auf dividendenstarke Unternehmen setzen
Nun straft aber die Börse gelegentlich auch Aktien ab, die das tatsächlich verdient haben und deren nahe Zukunft dann nicht so rosig aussieht. Um auszuschließen, dass man auf genau diese setzt, bezieht die Dogs-Strategie noch eine andere Kennzahl ein: die Ertragskraft des Unternehmens, die sich in ihrer Ausschüttungsleistung widerspiegelt, also der Dividende. Dividenden nämlich sind von den vielen Faktoren, nach denen man Unternehmen bewerten kann, einer der verlässlichsten, behaupten Finanzexperten. Sie sind auch weit stabiler als Gewinne oder Umsätze.
Besonders dividendenstarke Unternehmen mit niedrigen Aktienkursen sind sehr leicht zu erkennen: an ihrer Dividendenrendite (also dem Verhältnis von Dividende zum Kurs). Auch dazu gibt es Rankings auf den einschlägigen Webseiten, demnach sieht die Top 10 der Dividendenrenditen zurzeit so aus: Es führt die Allianz (mit 5,1), gefolgt von Pro Sieben Sat 1, Daimler, Münchener Rück, Lufthansa (4,25), BMW, Telekom, Eon, BASF und Siemens (3,4). Wer diese zehn Aktien kauft, der kann einerseits ihre hohen Renditen einstreichen, wenn im nächsten Frühling wieder die Ausschüttungssaison beginnt und kann bis zum Verkauf der Aktien in einem Jahr auf eine Outperformance hoffen.
Noch gewinnbringender ist allerdings, nicht einfach die Top Ten zu kaufen, sagen die Underdog-Experten, sondern sich gezielt diejenigen herauszupicken, die den optisch niedrigsten Kurs haben, also die auch am wenigsten kosten. Denn es gibt noch ein irrationales Moment an den Börsen: Offenbar schießen vor allem diejenigen Papiere am schnellsten wieder in die Höhe, die sehr billig zu haben sind. Eine 10 Euro-Aktie wird also viel eher gekauft als eine für 100 Euro. Demnach müssten vor allem diese fünf demnächst mächtig zulegen: Lufthansa, Eon, Telekom, Pro Sieben Sat 1 und Daimler. Ob sich das bewahrheitet, werden wir dann im nächsten Jahr um diese Zeit sehen.
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