Die Apple-Aktie hat sich seit dem Börsengang ver459facht – und wurde trotzdem von biederen Aktien wie Nike, L’Oreal oder der belgischen UCB geschlagen.
Vergangene Woche erreichte Apple als erster Konzern in der Börsengeschichte eine Marktkapitalisierung von 1000 Mrd. US-Dollar. In Rendite übertragen heißt das: Wer sich im Dezember 1980 am Börsengang beteiligt hat, hat sein eingesetztes Geld inklusive Dividenden ver459facht. Aus 1.000 eingesetzten US-Dollar erwuchs ein Vermögen von knapp einer halben Million.
Es braucht jedoch für hohe Renditen nicht zwingend ein Unternehmen mit bahnbrechenden Innovationen wie dem Iphone, visionären Lenkern wie einst Steve Jobs und spannenden Geschäftsbereichen wie der Technologie. Es gibt eine Reihe von Aktien, die ab dem Tag des Apple-Börsengangs eine deutlich höhere Gesamtrendite für Aktionäre erwirtschaftet haben als Apple selbst: Dazu zählten etwa die Zigarettenkonzerne Altria (ver874facht) und BAT (ver1047facht), die Bekleidungskette GAP (ver902facht), der Sportartikelkonzern Nike (ver870facht) oder der Eisenbahnkonzern Kansas City Southern (ver1251facht) sowie zwei Dutzend weitere Mitglieder des aktuellen S&P-500-Index.
Auch eine Reihe europäischer Konzerne wäre am Tag des Börsengangs von Apple bis heute eine noch lukrativere Anlage gewesen: etwa der niederländische Informationsdienstleister Wolters Kluwer (in Euro: ver531facht), der belgische Pharmakonzern UCB (ver637facht) oder der französische Mode- und Accessoirekonzern Kering (ver534facht), der bekannt ist für Marken wie Gucci und Brioni.
Das klingt schwer nachvollziehbar, zumal viele dieser Konzerne bereits 1980 eine beachtliche Marktstellung hatten und Basiseffekte nicht zwingend eine große Rolle spielen. Der Schlüssel liegt dabei in der Kraft der Dividenden und ihrer Wiederanlage. Gute Unternehmen steigern regelmäßig ihre Dividenden und zünden so den Turbo für den Zinseszinseffekt bei der Aktienanlage. Die Dividenden sind aber den Kurscharts und auch der Entwicklung des Börsenwerts nicht zu entnehmen, da sie den Aktionären zugeflossen sind. Beim Zigarettenkonzern Altria etwa stammen seit 1980 rund 83 Prozent des gesamten Vermögenszuwachses für Aktionäre aus Dividenden und ihrer Wiederanlage. Bei Apple sind es lediglich 19 Prozent, da der Konzern lediglich zwischen 1987 und 1995 und nun wieder seit 2012 Dividenden zahlte und zuletzt mehr Mittel für Rückkäufe einsetzte.
Apple hat genügend Bargeld in der Firmenkasse, um knapp ein Drittel des Dax zu kaufen
Saldiert man Cash und die kurzfristigen Anlagen mit den Verbindlichkeiten, verfügt Apple über umgerechnet knapp 130 Mrd. Euro an Barmitteln zur freien Verfügung. Hätte Apple-Chef Tim Cook Lust auf eine Einkaufstour, könnte er sich mit diesem Barvermögen knapp ein Drittel aller Dax-Konzerne einverleiben, ohne einen Cent Schulden zu machen. Der kumulierte Börsenwert von Lufthansa, Commerzbank, Merck, RWE, Thyssenkrupp, EON, Vonovia und der Deutschen Bank etwa liegt zusammen bei rund 125 Mrd. Euro.
Für Aktionäre von Apple wäre dies vermutlich keine allzu prickelnde Vorstellung. Allerdings hegt Apple selbst im Technologiebereich keine größeren Übernahmepläne für sein Bargeld. Stattdessen verfolgt Apple das Ziel, den Nettobarbestand über Dividenden und vor allem über ein jüngst gestartetes Aktienrückkaufprogramm auf Null zu reduzieren. Für Aktionäre hat dies den Vorteil, dass die Rückkäufe den Kurs stützen und sich der Gewinn künftig auf immer weniger Aktien verteilt. Außerdem müssen private Apple-Aktionäre Kursgewinne in der Regel erst beim Verkauf versteuern. Dividenden sind allerdings sofort steuerpflichtig.
Apple ist fundamental trotz des hohen Börsenwerts nicht teuer...
Mit dem binnen einer Dekade annähernd verzehnfachten Aktienkurs und einem Börsenwert von über 1000 Mrd. US-Dollar verbinden Anleger intuitiv die Vorstellung, dass der Aktienkurs überteuert und somit absturzgefährdet sei, möglicherweise gar eine Blase. Das ist aber zumindest mit Blick auf die aktuellen Zahlen nicht der Fall. Apple hat in den vergangenen zwölf Monaten einen Cash Flow von 41 Mrd. US-Dollar erwirtschaftet. Der Cash Flow ist eine kaum zu fälschende bilanzielle Kennziffer, die ausdrückt, welche Barmittel Apple in den letzten zwölf Monaten nach Abzug aller operativen Kosten erwirtschaftet hat und über die er frei verfügen kann. Daraus errechnet sich eine Cash-Flow-Rendite von rund 4,1 Prozent bezogen auf den Börsenwert und damit deutlich mehr, als etwa mit festverzinslichen Staatsanleihen in Industrieländern zu verdienen ist. Es braucht demnach nicht einmal übermäßiges Wachstum, um den aktuellen Börsenwert zu rechtfertigen.
Auch die übrigen fundamentalen Kennziffern überzeugen – zumindest im Rückspiegel. Apple ist mit dem rund 16fachen der erwarteten Gewinne bewertet. Die Gewinne hat Apple in den vergangenen fünf Jahren um im Schnitt 14 Prozent pro Jahr gesteigert, Analysten erwarten hier künftig ein Wachstum von 13 Prozent pro Jahr. Es gibt auch nur eine geringe Anzahl von Leerverkäufern, die auf fallende Aktienkurse setzen.
... und doch spricht ein gewichtiges Argument gegen die Aktie: Der Fluch des Siegers
Der US-Kapitalmarktforscher Robert Arnott machte vor einigen Jahren eine interessante Entdeckung: Aktien von Unternehmen, die gemessen am Börsenwert zur Nummer eins ihrer jeweiligen Branche, ihres jeweiligen Landes oder schlicht der ganzen Welt aufsteigen, weisen in den Jahren nach ihrem Aufstieg zur Nummer eins eine deutlich schlechtere Rendite als der Gesamtmarkt auf. Vereinfacht: Sie waren ab dem Zeitpunkt ihres Aufstiegs zur Nummer eins die schlechtere Wahl als etwa ein einfacher ETF auf den Gesamtmarkt. Auf drei bis vier Prozent pro Jahr beziffert er die Minderrendite der jeweils größten Aktien – das sind Welten am Aktienmarkt.
Gerade in den USA fiel diese Bilanz langfristig besonders verheerend aus. Wer etwa 1981 US-Aktien gekauft hat, hat sein Geld bis 2010 versechzehnfacht. Wer konsequent immer in die nach Börsenwert größte US-Aktie investiert hat, hätte sein Vermögen hingegen halbiert.
Bislang konnte Apple dem Fluch des Siegers hingegen trotzen. Zum wertvollsten Unternehmen der Welt stieg der Konzern bereits im August 2011 auf und verteidigte diese Position mit nur kurzen Unterbrechungen seitdem. Den Börsenwert hat Apple inklusive Dividenden seitdem nochmals ver4,4facht – verglichen mit einer Ver2,8fachung für den US-Gesamtmarkt und einer Ver2,2fachung für den globalen Aktienindex MSCI World.
Apple ist auf Sicht der kommenden zehn Jahre kaum zu bewerten
Viel mehr als die Renditen der Vergangenheit interessieren Investoren natürlich die Perspektiven für die Zukunft. Doch auch wenn Apple aktuell alles andere als teuer ist: Beim typischen Innovationstempo der Branche ist völlig offen, welchen Cash Flow Apple auch nur in fünf oder gar in zehn Jahren erzielen wird. Der aktuelle Börsenwert von rund 1000 Mrd. US-Dollar drückt aus, dass Investoren davon überzeugt sind, dass Apple diesen Börsenwert auch durch entsprechende Cash Flows in den kommenden zehn bis fünfzehn Jahren wird erwirtschaften können. Das gleicht aber eher dem Blick in eine Glaskugel als einer seriösen Vorhersage.
Apple hat sehr gute Chancen, den Enthusiasmus vieler seiner Kunden auch auf andere Produkte und vor allem Dienste zu übertragen. Ferner deutet die jüngere Vergangenheit darauf hin, dass Apple sehr stark darauf fokussiert ist, seine Aktionäre auch an den Gewinnen zu beteiligen – über Rückkäufe und Dividenden.
Apple unterliegt allerdings auch den gleichen Schwierigkeiten wie all jene Konzerne, die in den vergangenen Jahrzehnten zur jeweiligen Nummer eins unter den Aktien aufgestiegen und anschließend teils tief gefallen waren, etwa AT&T, IBM oder General Electric: Sehr hohe Gewinne locken Wettbewerber und ziehen die Aufmerksamkeit von Wettbewerbshütern auf sich – ein Prozess, der gerade mit Blick auf die Regulierung bei Technologieaktien gerade erst am Anfang steht.