Holger Schmieding ist Chefvolkswirt der Berenberg Bank
Donald Trump macht Ernst. In seinen ersten Tagen im Amt hat er das geplante Handelsabkommen mit Japan und anderen wichtigen Anrainerstaaten des Pazifiks gestoppt sowie Kanada und Mexiko aufgefordert, das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA neu zu verhandeln. Auch wenn er seine Drohung, Einfuhren aus China mit einem Strafzoll zu belegen, nicht umgesetzt hat, so lassen seine Äußerungen gegenüber China wenig Gutes erwarten.
Jetzt hat auch noch der Chef von Trumps neuem National Trade Council, Peter Navarro, Deutschland vorgeworfen, den Euro absichtlich zu schwächen, um so seiner Industrie einen unfairen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Droht uns eine Serie von Handelskriegen, zu deren Opfern dann gerade auch Deutschland gehören könnte, das aufgrund seiner Ausfuhrstärke besonders auf den möglichst freien Zugang zum Weltmarkt angewiesen ist?
Die Vorwürfe gegenüber Deutschland sind schlicht unsinnig. Deutschland legt traditionell Wert auf einen starken Außenwert seiner Währung. Man kann über die geldpolitischen Falken der Bundesbank denken, was man will. Aber dass sie mit ihren Plädoyers für eine härtere Geldpolitik der unabhängigen Europäischen Zentralbank darauf abzielen, den Euro zu schwächen, ist nun wirklich absurd. Und die konservative Finanzpolitik von Herrn Schäuble zielt sicher nicht auf einen schwachen Euro. Die Äußerungen Navarros zeigen nur eines: von großer Sachkenntnis sind diese Sprüche aus der neuen Trump-Administration bisher kaum geprägt.
Auch deshalb müssen wir die Gefahren Ernst nehmen. Protektionismus richtet massive Schäden an. In den frühen 1930er Jahren hatte die verheerende Abschottungsspirale damals die Weltwirtschaftskrise verschärft und verlängert und somit zum Aufstieg Hitlers beigetragen. Die protektionistischen Töne, die Trump und manche Populisten in Europa heute anschlagen, klingen manchmal wie ein Echo jener Zeiten. Aber auch unter Trump wird vermutlich vieles nicht so heiß gegessen, wie es im Wahlkampf gekocht oder in den ersten Tagen seiner Amtszeit serviert wurde. Mancher Anklang an die frühen 1930er Jahre könnte sich letztlich eher als publikumswirksame Farce denn als echte Tragödie herausstellen.
Eskalation mit China aus Versehen?
Mit dem Ende der geplanten Handelsabkommen mit den Pazifikanrainern (TPP) und der Europäischen Union (TTIP) vergibt die westliche Welt eine große Chance. Mit diesen Abkommen hätte sie die Standards für den Handel mit Gütern, den Austausch von Dienstleistungen sowie vor allem für den Schutz von Arbeitnehmerrechten und die Aufgabe von Schiedsgerichten festlegen können, die dann auch andere Länder hätten übernehmen müssen. Künftig dürften solche Standards immer mehr von China beeinflusst werden. Ob das den deutschen Wutbürgern und amerikanischen Trump-Anhängern besser schmecken wird? Aber mit einer vergebenen Chance für mehr Handel und Wachstum wird der jetzige Welthandel nicht eingeschränkt. Das ist noch kein Protektionismus.
Auch mit einem Neuverhandeln des nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA muss der derzeitige Austausch nicht unbedingt eingeschränkt werden. Die USA sitzen dank ihrer Größe zwar am längeren Hebel. Aber bei einem Abkommen, das der US-Kongress ratifiziert hat, muss Trump auf die Republikaner im Kongress Rücksicht nehmen, die mehrheitlich keinen Protektionismus wollen. Das Risiko eines einseitigen Ausstiegs der USA ist zwar gegeben. Aber da das ohne Kongress nicht geht, dürfte es hier eher einen Kompromiss mit einigen kleinen Korrekturen des Abkommens als ein Ende von NAFTA geben.
Ähnlich sieht es mit dem Risiko eines möglichen Handelskrieges zwischen den USA und China aus. Beide Seiten würden erheblich darunter leiden.Gerade Trump-Wähler kaufen ja bei WalMart gerne die Billigwaren aus China. Vermutlich wird es Lärm geben, auch mit einigen US-Strafzöllen gegen manche chinesische Produkte, bevor beide Seiten dann den von Trump angestrebten 'Deal' abschließen. Das größte Risiko dürfte hier darin bestehen, dass die so unterschiedlichen Männer an der Spitze beider Länder ihre gegenseitigen Absichten so missverstehen, dass es aus Versehen doch zu einer echten Eskalation kommen könnte.
Kein Handelskrieg ohne den Kongress
Ein US-Präsident kann zwar durch das Verhängen von Strafzöllen einen Handelskrieg starten. Er kann ihn aber nur mit Hilfe des Kongresses durchhalten. Denn sobald es dabei nicht nur um gelegentliche Einzelmaßnahmen, sondern um umfangreiche Zölle geht, die den USA nennenswerte Staatseinnahmen bescheren, ist der Kongress als einziger Hüter des Staatshaushaltes dafür zuständig.
Statt multilateraler Handelsabkommen wie TPP und TTIP strebt Trump eine Serie von Einzelabkommen mit Partnerländern an. Bilateral können die USA ihren Größenvorteil besser ausspielen. Wie sehr sich die Handelspartner darauf einlassen, hängt von ihnen selbst ab. Gegenüber der EU spielt dieses Argument keine entscheidende Rolle. Wirtschaftlich kann die EU es -sogar ohne Großbritannien - weitgehend mit den USA aufnehmen. Auch deshalb hegt Trump wohl erhebliche Sympathien für den Brexit und für andere Rechtspopulisten in Europa, die ebenfalls einen Ausstieg ihrer Länder aus der EU fordern.
Der Hang Trumps, lieber einzelne zweiseitige Deals mit oftmals schwächeren Partnern zu schließen, statt sich an allgemeine Regeln zu halten, könnte in einem Bereich fatale Folgen haben. Vermutlich wird es unter Trump eine Vielzahl von Handelsstreitigkeiten geben, die dann vor der Welthandelsorganisation WTO landen. Dabei dürfte die WTO den USA nicht immer Recht geben, um es vorsichtig auszudrücken. Sollten die USA dann aus der WTO austreten und sollten andere Länder einem solch schlechten Beispiel folgen, könnte das das Ende der Welthandelsordnung bedeuten.
Aber für das Ratifizieren und Kündigen internationaler Verträge ist letztlich der US-Kongress zuständig, nicht der Präsident. Die Hoffnung,dass die USA auch unter Trump keine Serie von Handelskriegen auslösen werden, beruht vor allem auf dieser starken Stellung der US-Legislative.Gerade viele Republikaner im Kongress neigen zu mehr statt zu weniger Freihandel. Sie werden auch Trump nur einen begrenzten Spielraum für echten Protektionismus zugestehen.
Farce statt Tragödie
Es wird sicher weiterhin viel Lärm um die US-Handelspolitik geben. Gerade verbal wird der twitternde Trump wohl nur schwer zu bremsen sein. Aber dank der Freihändler im US-Kongress und der Neigung wichtiger US-Handelspartner wie Deutschland, die Lage eher zu entschärfen als weiter anzuheizen, stehen die Chancen letztlich nicht schlecht, dass die Welt echte Handelskriege doch vermeiden kann. Wahrscheinlich werden sich Trumps Anklänge an die protektionistische Rhetorik der frühen 1930erJahre doch eher als Farce denn als Auftakt zu einer echten Tragödie herausstellen.