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Strafzölle Preisexperte: „Die Produktauswahl in den USA wird kleiner werden“

US-Präsident Trump glaubt, dass Strafzölle Produktion in die USA zurückholen. Nahezu alle Ökonomen widersprechen
US-Präsident Trump glaubt, dass Strafzölle Produktion in die USA zurückholen. Nahezu alle Ökonomen widersprechen
© Christian Ohde / IMAGO
US-Präsident Donald Trump macht ernst bei Strafzöllen. Preisexperte Oliver Roll sieht Firmen hierfür sehr unterschiedlich aufgestellt. Vor allem Autobauer seien aber gut auf Trump vorbereitet

Herr Roll, der neue US-Präsident Donald Trump hat am Montag Zölle auf Aluminium und Stahl verhängt. Das kennen wir schon. Auch gegen Mexiko, Kanada und Venezuela hat Trump Zölle angekündigt, sie dann aber nicht umgesetzt. Wie ernst müssen wir die neuesten Ankündigungen noch nehmen? 
OLIVER ROLL: Wir müssen die Zolldrohungen von Trump immer ernst nehmen. Es folgt seinem Ziel, die heimische Produktion zu stärken. Und wenn er diese Ziele gefährdet sieht, wird er auch bei Zöllen ernst machen. Das gilt gerade jetzt in der zweiten Amtszeit, in der er quasi Narrenfreiheit besitzt. Er kann nun Dinge austesten, die keiner ökonomischen Logik entsprechen, aber seinen Ruf als Dealmaker stärken. So will er schließlich in Erinnerung bleiben. 

Mit anderen Worten: Sie sehen bei Zöllen keinen Ausweg für Europa? 
Ich glaube zwar nicht, dass Europa gleich als Nächstes drankommt. Aber wir sollten uns sehr ernsthaft darauf vorbereiten, ja. 

Ist sein Ziel überhaupt zu erreichen? Mit Zöllen die heimische Produktion zu stärken? In der ersten Amtsperiode ist ja das Gegenteil eingetreten. Das Handelsbilanzdefizit wurde größer.
Punktuell schon. Die Fabriken unserer deutschen Automobilhersteller in Mexiko und Kanada rechnen sich mit Strafzöllen nicht mehr. Da wäre es sinnvoller, direkt in die USA zu gehen. Die Frage ist aber: Was sind die langfristigen Kollateralschäden davon? Ich glaube, am langen Ende werden volkswirtschaftliche Verluste stehen. 

Oliver Roll ist Inhaber des Lehrstuhls „Internationales Marketing und Preismanagement“ an der HS Osnabrück und Gründer der Preisberatung Prof. Roll & Pastuch. Zuvor arbeitete er unter anderem bei Simon Kucher & Partners sowie Roland Berger.
Oliver Roll ist Inhaber des Lehrstuhls „Internationales Marketing und Preismanagement“ an der HS Osnabrück und Gründer der Preisberatung Prof. Roll & Pastuch. Zuvor arbeitete er unter anderem bei Simon Kucher & Partners sowie Roland Berger.

Wie wird ein Amerika nach dem Zollregime von Donald Trump aussehen? 
Ganz eindeutig kleiner und weniger vielfältig, was die Produktauswahl angeht. Die Zeche wird der amerikanische Konsument zahlen müssen, weil die Produkte teurer werden. Für manche Produzenten rechnen sich die USA dann nicht mehr, und sie ziehen sich zurück. 

US-Präsident Trump macht hierfür eine einfache Rechnung auf: Wenn mehr Unternehmen in den USA produzieren, steigen die Steuereinnahmen, und die Einkommenssteuer könnte sinken. Geht diese Rechnung auf? 
Nein, das wird bei Weitem nicht ausreichen. Protektionismus schadet am Ende immer. Aber Trump denkt selten in solchen volkswirtschaftlichen Zusammenhängen, sondern leider im Narrativ des Dealmakers. Win-Lose-Situationen sind einfacher zu vermarkten als Win-Win-Situationen. Das hilft Trump. 

Sie sind einer der bekanntesten Preisexperten in Deutschland. Aus Ihrer Erfahrung: Wie viel von den angekündigten 25 Prozent Strafzöllen wird bei US-Konsumenten ankommen? 
Die Erfahrung zeigt, dass Zollaufschläge zu großen Teilen weitergegeben werden. Das ist zwar nicht das, was wir empfehlen würden – aber es ist unsere Erfahrung. Wobei es von Branche zu Branche auch sehr unterschiedlich ist, wie viel weitergegeben wird. 

Wo wird denn im Branchenvergleich besonders viel weitergegeben? 
Das kommt stark auf die Margen an. Wenn ich mir Generika angucke, dann gibt es da schon jetzt wahnsinnig geringe Margen. 25 Prozent Zoll kann ich als Hersteller nicht selbst tragen. Bei einzelnen hochspezifischen Arzneimitteln sieht das wiederum anders aus. Und im Bereich Luxusgüter oder Premiumautomobile gehen die Kunden sicher auch noch mal Preiserhöhungen mit. Schwierig wird es bei allen austauschbaren Gütern, die in einem starken Wettbewerb stehen – Lebensmittel, Elektronik und so weiter. 

Die Zölle fallen ja an der Grenze an. Gibt es für einen TV-Hersteller beispielsweise die Möglichkeit, den Einkaufspreis an der Grenze – woran sich die Zölle bemessen – künstlich niedriger anzusetzen, und dafür dann mehr Marge aus dem Handel in der nächsten Stufe zu ziehen? Das wäre doch nur eine Art Steueroptimierung. 
Theoretisch ist vieles denkbar. Die dahinterliegende Frage ist aber sehr richtig: Was kann ich als Unternehmen noch machen außer Zölle weitergeben oder selbst zahlen? 

Und was ist Ihre Antwort darauf? 
Das große Problem ist, dass viele Unternehmen ihre Preis-Absatz-Funktion nicht kennen. Sie wissen also nicht, wie stark eine Preiserhöhung auf ihre Nachfrage drückt. Das wäre mein Plädoyer im Zuge von Trump: Firmen müssen sich ihrer Preiseffekte in einzelnen Produktgruppen bewusstwerden, anstatt Zölle 1:1 weiterzugegeben. Eine gezielte Mischkalkulation mit vielen kreativen Einzelmaßnahmen ist die beste Antwort auf pauschale Zölle. 

An welche Maßnahmen denken Sie? 
Da ist vieles denkbar: Einzelne Produkte könnten über 25 Prozent teurer werden, andere dafür weniger. Im Prinzip ist es sogar ein guter Moment, um Preise zu erhöhen, weil Verständnis bei den Kunden vorhanden ist. Man sollte sich aber an Schwellenpreise halten. Wenn ein Fernseher nicht mehr für 300 Euro angeboten werden kann, dann sollte man besser direkt auf 349 Euro gehen. Eine andere Möglichkeit anstelle von Preiserhöhungen sind eigene Produktserien für die USA. Dann werden die Produkte in den USA technisch etwas schlechter als das europäische Pendant. Dafür bleiben die Preise stabil. 

Sie sagen, dass viele Unternehmen nicht ihre Preis-Absatz-Funktion kennen. Von welchen Branchen reden wir? 
Wir haben natürlich nur die Kunden, die sich damit beschäftigen. Aus dieser Praxis kann ich aber sagen, dass gerade die Pharma- und Automobilbranche wahnsinnig viel gemacht haben in den vergangenen Jahren. Die sind entsprechend gut auf Trump vorbereitet. Viele Unternehmen außerhalb davon würden wohl behaupten, dass sie sich fortlaufend mit Preiserhöhungen beschäftigen. Aber 25 Prozent Aufschlag durch Zölle sind eine Größe, bei der sie jetzt kalt erwischt werden. 

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Während der hohen Inflation der vergangenen Jahre gab es Vorwürfe, dass viele Unternehmen ihre Preise erhöht haben, obwohl sie selbst nicht von Kostensteigerungen betroffen waren. Werden wir das jetzt auch in den USA erleben – ein Aufflammen der Inflation in der Breite? 
Nein, das lässt sich nicht vergleichen. Beim Ukrainekrieg hatten wir durch die Energiepreise einen sehr breiten Effekt. In den USA konkurrieren europäische Unternehmen mit amerikanischen Firmen, deren Preise nicht hochgehen werden. Die beschriebene Trittbrettfahrer-Chance sehe ich dieses Mal also nicht. 

Trump räumt seine Zölle mitunter so schnell wieder ab, wie er sie eingeführt hat. Wie wäre das auf Unternehmensseite? Fallen die Preise dann auch wieder, wenn die Zölle zurückgenommen werden? 
Das wird tatsächlich spannend. Nach der jüngsten Inflationswelle haben wir etwas anderes festgestellt. Viele Firmen haben bemerkt, dass sie inzwischen im allerobersten Preisbereich liegen – dort, wo es schon wirklich schmerzhaft wird. Sie konnten anderseits aber auch nicht die Listenpreise senken, weil das in der Wertigkeit schlecht wirkt. Was haben sie also stattdessen gemacht? Sie arbeiten seit fast zwei Jahren mit Promotions und Sonderaktionen, um bloß nicht an die Listenpreise ranzugehen. Ähnliches würde ich auch in den USA erwarten, auch wenn ich langfristig mit einer größeren Flexibilisierung im Preismanagement rechne.  

Warum? 
Wir kommen aus einer Welt, in der einmal pro Jahr aus irgendeinem Konferenzraum entschieden wurde: Ach komm, wir erhöhen mal die Preise zum 1. April. Jetzt kommen die Trigger für Preiserhöhungen aber nicht mehr verlässlich einmal pro Jahr, sondern schweben ständig über den Unternehmen. Flexiblere Preise sind letztlich die Folge einer flexibleren Lieferkette. Ein Zollschock wird in Zukunft schneller und stärker auf das gesamte Unternehmen und seine verschiedenen Absatzmärkte verteilt. Dafür muss ich als Unternehmen sehr flexibel aufgestellt sein – auch bei den Preisen. 

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