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Gastkommentar Chinas Schwäche bietet auch Chancen

Die chinesische Wachstumsschwäche hat nicht nur Schattenseiten. Sie bietet Chancen für deutsche Firmen etwa aus dem Umweltsektor. Von Horst Löchel
Smog in China: Die Umweltprobleme verlangen nach Lösungen (Foto: Getty Images)
Smog in China: Die Umweltprobleme verlangen nach Lösungen (Foto: Getty Images)
Der China-Experte Horst Löchel ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Frankfurt School of Finance & Management
Der China-Experte Horst Löchel ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Frankfurt School of Finance & Management

Horst Löchel ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Frankfurt School of Finance & Management und Associate Professor an der China Europe International Business School in Shanghai.

Vor kurzem hat die chinesische Zentralbank den Mindestreservesatz für Banken um fünf Prozentpunkte auf 19,5 Prozent gesenkt. Das war die erste Absenkung dieser Art seit vielen Jahren. 0,5 Prozent mögen nicht viel erscheinen, aber angesichts der gigantischen Einlagen bei den chinesischen Geschäftsbanken handelt es sich immerhin um rund 100 Mrd. chinesische Renminbi, die für zusätzliche Kredite freigesetzt werden.

Der Schritt der Zentralbank kommt nicht ganz überraschend. Das erste Mal seit vielen Jahren ist Chinas Kapitalbilanz mit dem Ausland Anfang des Jahres ins Negative gedreht, das heißt mehr Kapital ist aus China hinaus als hinein geflossen. Das verkürzt die Liquidität in China und engt die Kreditvergabe ein. Ein wesentlicher Grund hierfür ist die Stärke der US-Wirtschaft und des US-Dollars, der seit einiger Zeit gegenüber dem Renminbi leicht aufwertet, nach fast zehn Jahre durchgängiger Abwertung. Wenn aber der Renminbi abwertet, besteht für viele Investoren, die auf eine Aufwertung des Renminbi spekulieren, kein Grund mehr Kapital nach China zu transferieren.

Ein weiterer Grund für die Entscheidung der Zentralbank ist Chinas sinkende Wachstumsrate. Im laufenden Jahr dürften es höchstens noch sieben Prozent werden. Für westliche Verhältnisse ist das viel, für China aber wenig bedenkt man, dass bis noch vor wenigen Jahren das jährliche Wachstum durchgängig bei zehn Prozent lag. Das Wachstum von 7,4 Prozent im vergangenen Jahr war das niedrigste seit 1990.

China verliert an internationaler Wettbewerbsfähigkeit

Die Ursachen hierfür sind relativ einfach zu identifizieren. Da ist zum einen der sogenannte Basiseffekt. Das heißt, der absolute Wert des chinesischen Bruttoinlandsproduktes ist mittlerweile so hoch – etwas dreimal so hoch wie der deutsche -, dass selbst hohe absolute Veränderungen der Wirtschaftsleistung mit niedrigen Wachstumsraten einhergehen. Darüber hinaus steigen die Arbeitskosten rasant, China verliert also an internationaler Wettbewerbsfähigkeit, da der Produktivitätsanstieg nicht Schritt hält. Arbeitskräfte werden mittlerweile rar in China. Darunter leidet insbesondere die einheimische und ausländische Exportwirtschaft in China.

Last but not least ist die chinesische Führung dabei, das Wachstumsmodell auf mehr Konsum und weniger Investitionen umzustellen. Das senkt ebenfalls die Wachstumsrate, da der Anteil der Investitionen der gesamten Wirtschaftsleistung Chinas mit rund 50 Prozent deutlich höher ist als der des Konsums mit etwas mehr als 35 Prozent. Auch dann also, wenn der Konsum um genau soviel steigt wie die Investitionen sinken, fällt Chinas Wachstumsrate.

Für China selbst ist das niedrigere Wachstum grundsätzlich kein Problem, wenn es nicht zu weit nach unten durchrutscht. Die Verringerung der Mindestreserve dient gerade dazu, das zu verhindern. Die Wirtschaft war nach der Finanzkrise ohnehin künstlich überhitzt mit einer Politik des billigen Geldes und expansiver Fiskalpolitik. Und auch die negativen Folgen eines dreißigjährigen Wachstums von im Durchschnitt zehn Prozent sind erkennbar; das Ausmaß der Umweltverschmutzung ist ein Beispiel hierfür.

Die Habenseite des niedrigeren Wachstums

Für den Rest der Welt, einschließlich der deutschen Wirtschaft, sind die Folgen der Konjunkturabschwächung zwiespältig. Das chinesische Wachstum trägt rund ein Drittel zur Zunahme der Weltwirtschaft bei. Der Rückgang von zehn auf sieben Prozent ist gleichbedeutend mit fast einem Prozent weniger Wachstum der Weltwirtschaft. Hinzu kommt, dass auf Grund der Abschwächung in China auch die Nachfrage nach ausländischen Gütern und Dienstleistungen abnimmt und damit die Importe aus dem Westen einschließlich Deutschlands nach China sinken.

Es gibt aber auch eine Habenseite des niedrigeren Wachstums. Auf dieser steht zum Beispiel, dass China auch weniger exportieren wird, mit einem entsprechenden positiven Einfluss auf die Zahlungsbilanz der westlichen Länder.

Viel wichtiger ist aber, dass durch die angestrebte Änderung des Wachstumsmodells hin zu mehr Konsum, die rasant wachsende chinesische Mittelschicht zu potentiellen Käufern deutscher Produkte wird. Zwar ist China nicht mehr die Werkbank der Welt, aber der größte Markt für Konsumgüter. Entsprechend müssen sich die deutschen Unternehmen aufstellen. Produktion in und für den chinesischen Konsumgütermarkt ist sicherlich die verheißungsvollste Aussicht des chinesischen Marktes. Das schließt übrigens Dienstleistungen mit ein. Beispielsweise wächst gerade der Markt für Altenpflege rasant, was auch kein Wunder ist aufgrund der schnellen Alterung der Bevölkerung in Verbindung mit steigenden Einkommen.

Ein weiterer wichtiger Markt ist mit dem Thema Umweltverschmutzung verbunden. China will den Umweltschutz verbessern, damit die Lebensqualität der Bevölkerung steigt. Das betrifft vor allem die Umweltstandards der industriellen Produktion. Nun sind deutsche Unternehmen, beispielsweise aus dem Maschinenbau oder der Chemieindustrie, für ihre hohen Umweltstandards bekannt. Entsprechend guten Chancen bestehen, dass sie den Zuschlag für Produktionen in China oder den Verkauf umweltfreundlicher, aber zugleich effizienter Produktionsanlagen nach China erhalten.

Zusammengefasst heißt dies: Niedrigere, aber nachhaltigere Wachstumsraten in China sind eine Chance für deutsche Unternehmen, auch und gerade im Vergleich zu ihren ausländischen und inländischer Mitbewerbern.

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