Der 53-jährige Brite verfällt gern in einen federnden Laufschritt, wenn er durch sein neues Reich führt, besonders auf den Treppen zwischen den elf Stockwerken. „Ich bin so ungeduldig, ich hasse es, auf Fahrstühle zu warten.“ Sie sind – acht an der Zahl – dennoch Herzstück des Gebäudes. Wären sie nicht genehmigt worden, hätte er gesagt: „Okay, dann sind wir nicht die Richtigen.“ Jones’ Hospitality-Häuser und 40 Restaurants sind weltweit verstreut von Toronto bis Istanbul. Für The Ned suchte er sich erstmals einen Hotelpartner: der Amerikaner Andrew Zobler, Chef der Sydell Gruppe, die für Boutique-Hotels wie das New Yorker NoMad und The Line im Korea-Viertel von Los Angeles bekannt ist, scheint – anders als der ungestüme Jones – ein leiser und entspannter Typ. Seine Rolle beschreibt er als die eines Cutters in einem Blockbuster mit Jones in der Regie. „Ich habe ihn immer wieder herausgefordert und hinterfragt“, sagt der 55-Jährige über die fünfjährige Zusammenarbeit an dem 270 Mio. Dollar teuren Projekt. Wäre The Ned ein Film, dann wohl eine Mischung aus den Studios von Merchant Ivory und Marvel: hochkarätig und historisch, aber in der Größe heroisch. Der 1924 fertiggebaute Komplex der Midland Bank in der Londoner City beherbergt neben einem Hotel den Ned’s Club für Mitglieder, neun Restaurants und kleinere Ableger wie einen Barbershop und ein Spa. Der Protzbau ist ein neoklassizistisches Meisterwerk aus den Hochzeiten des britischen Architekten Sir Edwin „Ned“ Lutyens. „Seine Bauten sind großartig aber unprätentiös“, sagt Zobler, „sie haben eine Aura, die sich mit Menschen füllen will.“
"Crash Pads" im Stil von Transatlantiklinern
Auf einer Fläche von 30 000 Quadratmetern wird The Ned einige davon benötigen, um zu überleben. Mehr als 250 Hotelzimmer und Suiten, deren Einrichtung an Transatlantik-Liner sud dem frühen 20. Jahrhundert erinnern soll, reichen von einer Handvoll Miniräumen, „Crash Pads“ zu 220 Dollar, mit einem Discount für Gäste unter 30, bis zur 4300 Dollar-Suite auf der holzgetäfelten ehemaligen Chefetage. In der Lobby deutet Jones grinsend auf eine kleine Tür neben dem Haupteingang. Dahinter verbirgt sich ein privater Lift. „Der Präsident kam nicht durch die Halle, um seine Angestellten zu grüßen. Er fuhr direkt in seine Räume.“ Wer die Suite anmietet, darf exklusiv auch diesen Service in Anspruch nehmen. Neben Zobler steigt Jones auf eine erhöhte Bühne im Zentrum der Lobby. Ein ehemaliger Lichtschacht zum Tresorkeller wurde mit einer Holzkonstruktion überbaut, auf der hauseigene Musiker auftreten, darunter ein Chor. Auf die 3000 Quadratmeter der Schalterhalle ist zwischen Marmorbögen, Säulen aus Fuchsit und Thresen aus Walnussholz (geschützt von strengen Denkmalschutzauflagen) ein Foodcourt eingezogen.
Zum Ned's Club in die Stahlkammer
Zu den Restaurants gehört eine Zweigstelle der Soho House-Kette Cecconi’s und „Zobler’s“, ein New Yorker Delikatessen-Restaurant, benannt nach Jones’ Partner. „Am Anfang war es ein Joke“, sagt der gebürtige Manhattener. „In London finden Sie keine jüdischen Delis, wie wir sie in New York kennen.“ Daraus entspann sich ein leidenschaftliches Projekt. „Mit dem Wasser hier kommen frische Bagels einfach nicht an den Geschmack heran. Wir haben alles versucht, aber am Ende importieren wir vermutlich gefrorene aus New York.“ Drei unterirdische Kellergewölbe, in denen Schließfächer und Tresore an den James Bond-Film „Goldfinger“ erinnern, beherbergen Ned’s Club und die Vault Bar. Zu dem auch für Hotelgäste offenen Privatclub führt die Hochsicherheitstür der 20 Tonnen schweren ehemaligen Stahlkammer. Für Clubmitglieder ist die Lounge reserviert, sie erhalten 20 Prozent auf den Zimmerpreis sowie Zugang zum Fitness- und Spa-Bereich. 1500 Mitglieder will Jones zunächst aufnehmen. Ihnen steht „Upstairs“ auch das Dach mit drei Bars und einem Café zur Verfügung. Das Highlight: ein Pool mit Blick auf die St. Paul’s Cathedral.
Luxustempel sucht Hipster aus Shoreditch
Das bisher aufwändigste Projekt markiert für Jones eine Wende. Seinen Ruf baute er auf lässig-elegante Treffpunkte für die Zielgruppe junger Kreativer, Künstler und Autoren. Weniger die der Banker in Anzug und Krawatte. The Ned stellt zudem alle bisherigen Häuser in den Schatten – was potenziell bei einer Kundschaft, die an intimere Ambiance gewohnt ist, zum Risiko werden kann. Aber Jones setzt weit ab des eleganten Londoner Westends auf die Magnetwirkung in das nahegelegene Viertel Shoreditch, dessen Hipster zuletzt den Schwerpunkt der Londoner Szeneviertel verrrückt haben. „The Ned gleicht wohl am besten einem urbanen Resort“, sagt Zobler. „Ein schrulliges kleines Hotel wäre eine andere große Herausforderung. Aber dies hier ist ein Leuchtturm.“ Jones pflichtet mit einem heftigen Nicken bei: „Wir wollen, das dies ein Hit für ein breites Publikum wird“, betont er – und sprintet schon wieder die Treppe hinauf. Copyright The Wall Street Journal 2017