Linkedin ist die weltweit wichtigste Karriereplattform: 2023 knackte das US-Portal die Marke von einer Milliarde Mitgliedern. Ein Achtel der Weltbevölkerung präsentiert sich auf dem Netzwerk, sucht nach Jobs oder bietet welche an. Unternehmen bezahlen inzwischen Influencer, die sie auf Linkedin vermarkten sollen. An der Plattform vorbei kommt in der Berufswelt so gut wie niemand mehr.
Auch den einstigen Rivalen Xing hat Linkedin inzwischen überholt. Im April 2024 hatte man mit 24 Millionen Profilen schon eineinhalb Millionen mehr als Xing – und der Abstand wächst. Aber nicht nur bei den Mitgliedern, auch beim Inhalt haben sich die Plattformen auseinander entwickelt. Während Linkedin einen großen Fokus aufs Netzwerk legt, steht bei Xing die klassische Jobsuche im Vordergrund. Aber welche Plattform ist die bessere Wahl?
„Bei Linkedin geht es vor allem darum, ein Netzwerk zu knüpfen“, sagt Tanja Herrman-Hurtzig. Die Karrierecoachin arbeitete lange in der Personalabteilung großer Unternehmen, heute bietet sie unter anderem Kurse an, wie Führungskräfte Linkedin und Xing nutzen können. In einen guten Linkedin-Auftritt müsse man Mühe stecken, sagt sie. „Dafür muss ich aber auch frühzeitig anfangen und Zeit investieren. Wichtig ist, langfristig zu denken und sich darüber klar zu sein, was ich erreichen möchte und wie ich mich präsentieren will.“
Gerade für das „Employer Branding“ sei Linkedin wichtig, sagt Herrman-Hurtzig. Mit der Plattform könnten Unternehmen viele Menschen erreichen und sich als potenzielle Arbeitgeber präsentieren.
Kritik an Linkedins „Facebookisierung“
Allerdings gefällt nicht jedem die Atmosphäre auf Linkedin. Zu viel Selbstdarstellung, zu viel Vermischung von Privatem und Beruflichem, zu viel Peinliches – Linkedin werde zu einem zweiten Facebook, lautet die Kritik. „Der seit Monaten anhaltende Trend hin zu ‚Cat Content‘ vergrätzt zwei zentrale Zielgruppen“, sagt Susanne Mathony, die Topmanager in Positionierungsfragen berät. Vor allem Vorstände und Führungskräfte der nächsten Generation würden mit dieser Entwicklung fremdeln.
Trotzdem sieht es momentan nicht nach einem Exodus der Mitglieder aus, da ist man sich in der Beraterzunft einig: weil es schlicht keine Alternative mehr gebe.
Xing wirkt old school, Firmen löschen ihr Profil
Einst war das Xing, die Plattform galt als Erzrivale der Amerikaner. Seit 2023 treibt das Hamburger Unternehmen eine Neuausrichtung voran, die einen Gegenentwurf zur Facebookisierung bei Linkedin darstellen soll: Xing will weg vom allgemeinen beruflichen Netzwerk hin zur Jobplattform. Hier seien die Recruiter die Stars, sagt Geschäftsführer Thomas Kindler. Der neue Werbeslogan ist offenbar ein Wink an die Konkurrenz: „No Bullshit“.
So richtig fruchtet das aber nicht. „Xing ist am Nahtod“, sagt etwa Constanze Buchheim, Headhunterin für Führungskräfte und Gründerin der Personalberatung i-potentials. Ihren Firmenaccount bei Xing hat sie im Februar gelöscht. Der Grund: Sie bekam zuletzt keine Kontaktanfragen und Nachrichten mehr. Xing fehle die Sogwirkung: Die Plattform schaffe es nicht mehr, ihre Nutzer aktiv zu halten, weil relevante Inhalte fehlten. Die Meinungsführer seien abgewandert. „Alle für uns relevanten Menschen finden wir mittlerweile auch auf Linkedin“, sagt Buchheim.
Auf Xing erhält man eher eine Antwort als auf Linkedin
Tanja Herrman-Hurtzig hält Xing dagegen nicht für nutzlos. „Xing ist dann hilfreich, wenn ich akut auf Jobsuche bin“, sagt die Karrierecoachin. „Hier geht es vor allem darum, von Headhuntern und Active Sourcern gefunden zu werden. Und hier habe ich viele positive Rückmeldungen von Headhuntern bekommen.“ Wen man auf Xing wegen eines Jobs anschreibe, so heißt es, der antworte auch – anders als vielleicht bei Linkedin.
Welche Jobplattform also die bessere Wahl ist? Man könne das nicht pauschal sagen, sagt Herrmann-Hurtzig. Linkedin sei inzwischen insgesamt die relevantere Plattform. „Aber es kommt darauf an, was mein Ziel ist.“ Für die reine Jobsuche habe Xing Vorteile, beim Knüpfen eines beruflichen Netzwerks sei Linkedin besser. „Grundsätzlich ist es sinnvoll, beides zu nutzen“, sagt Herrmann-Hurtzig.