Die Start-up-Kultur genießt große Wertschätzung in der Wirtschaft. Aber ein Unternehmen in Deutschland zu gründen, ist immer noch zu kompliziert. Das sieht auch die Politik so. Daher hat sich das Bundeswirtschaftsministerium zusammen mit der KfW und dem operativen Partnern von Business Pilot daran gemacht, die „Gründerplattform“ zu entwickeln, die Gründer bei den ersten Schritten der Unternehmensgründung hilft. Wir sprachen mit dem Chef von Business Pilot Jan Evers .
Capital: Ist Deutschland ein unternehmerfreundliches Land?
Jan Evers: Ja, aber in Sachen Gründerförderung läuft es noch nicht rund in der Abstimmung. Viele Akteure wollen Gutes tun und bieten gute Angebote. Es gibt auch genügend Fördermittel. Das Problem ist die kleinstaatliche Organisation dieser Angebote. Auf jeder Ebene, wie Bund, Länder und Gemeinden, gibt es andere nicht aufeinander abgestimmte Angebote und es gelten andere Vergabeverfahren. Das hat natürlich gute Gründe, es schafft aber Unsicherheit und für die Gründerinnen und Gründer ist es schwierig, einen Überblick zu erhalten. Mit dem Internet besteht die großartige Chance alle Angebote einzusammeln, am Gründungsprozess entlang zu strukturieren und so Orientierung zu schaffen. Der Weg in die Existenzgründung ist in Deutschland noch recht old school. In anderen Ländern verläuft eine Gründung deutlich einfacher und über digitale Wege, die Zeit und Kosten sparen.
Worin sehen Sie denn die Gründe für die sinkenden Zahlen bei den Neugründungen seit der Jahrtausendwende? Lag das ausschließlich an der Finanzkrise?
Die Lage in den Angestelltenverhältnissen wurde in den vergangen fünf bis zehn Jahren immer besser. Da überlegt man sich als Arbeitnehmer natürlich zweimal, ob es nicht lohnender ist, ein solides, gut bezahltes Angestelltenverhältnis einzugehen, anstatt ein Unternehmen zu gründen. Ein anderer Grund ist soziologisch-gesellschaftlicher Natur. Wir Deutschen haben immer noch ein Unternehmerbild wie in den 50er-Jahren. Das Stereotyp ist ein Mann, der wahnsinnig hart arbeitet, der keine Zeit für die Familie zuhause hat und dazu noch ein großes Risiko auf sich nimmt. Dieses Bild ist längst nicht mehr typisch – es muss sich ändern. Denn Unternehmertum kann Spaß machen - Freiheit und Selbstbestimmung bringen. Noch nie wurde einem die Unternehmensgründung so leicht gemacht wie heute, nie waren die Chancen größer und Risiken kleiner. Die allgegenwärtige Skepsis gegenüber Gründung muss überwunden werden.
Wie könnte denn eine Verbesserung des Gründungsumfeldes in Deutschland aussehen?
Wir kümmern uns in Deutschland zu sehr um Fördermittel und die Finanzierung, die ja beim Gründungsprozess erst relativ weit hinten ansteht. Wir müssen viel progressiver agieren. Die Leute zur Gründung anregen. Nicht die Frage stellen: Bin ich ein Unternehmertyp? Sondern: Welcher Unternehmertyp bin ich? Ein Beispiel: Die Arbeitsagentur bietet den Leuten nur an, Unternehmer zu werden, wenn sie auf dem Arbeitsmarkt nicht zu vermitteln sind, und nicht etwa anders rum. Ein Angestelltenjob beim Großkonzern ist in Deutschland höher angesehen als die Selbstständigkeit. In Amerika ist beispielsweise das Gegenteil der Fall. Erst einmal müssen wir uns breiter in der Masse aufstellen, dann kommen die technischen Details.
Welchen Part könnte die neue Gründerplattform bei der Verbesserung des Unternehmerumfeldes spielen?
Das Novum ist die Bündelung der öffentlichen Beratungs- und Fördermittelangebote auf einer Plattform. Das gab es vorher nicht und ist meines Erachtens ein wesentlicher Bestandteil, um Gründungen zu erleichtern. Außerdem wird die Arbeit an den Ideen mehr in den Fokus gerückt. Aus den Ideen ein Geschäftsmodell zu machen und dann erst auf den Businessplan zu schauen, wird im Vordergrund stehen. Beim Businessplan ist die Plattform sehr fortschrittlich. Anstatt ihn auf Papier in irgendeiner Amtsstube abzugeben, läuft die Abwicklung bei uns digital und den Gründern werden basierend auf den Zahlen sogar passende Förderprogramme vorgeschlagen.
An welchen Ländern will man sich denn bei der Ausgestaltung des Gründungsumfeldes orientieren?
Vom Spirit her ist die Vorstellung vom Gründen, die Sie vermehrt in den USA finden, ein guter Ansatz. „Probiere aus, definiere Annahmen und teste diese.“ Das ist unser Leitbild. Natürlich schielen wir auch auf die baltischen Staaten, die es schaffen, den bürokratischen Gründungsprozess zu digitalisieren. Das ist für uns noch Zukunftsmusik. Der bürokratische Aufwand ist hierzulande enorm. In einer Studie für das Bundeswirtschaftsministerium haben wir berechnet, dass man bei einer GmbH-Gründung auf den vielen Stationen über 1400 Felder ausfüllen muss, obwohl es nur knapp über 200 unterschiedliche Felder sind. Hier muss sich unbedingt etwas ändern – technisch ist das zum Beispiel mit Hilfe eines Metaformulars einfach lösbar.
Wie kam es denn zu der Kooperation ihrer Gründungsfirma, dem Bundeswirtschaftsministerium und der KfW?
Das war ein Glücksfall. Wir haben vor zwei Jahren gemerkt, dass wir alle an ähnlichen Konzepten arbeiten. Dann hat man sich zusammengesetzt und das Wissen und die Ansätze, die jeder bis dato hatte, zusammengetragen. Am Ende haben wir uns entschlossen die Umsetzung gemeinsam anzugehen.
Stellen sie sich vor, sie müssten einen Gründungsprozess in zehn Jahren durchlaufen. Wie sähe die optimale Gründung aus? Was hat sich bis dahin verbessert?
Ich glaube, der Prozess, den wir mit der Plattform anstoßen, wird für einige Jahre aktuell bleiben. Die Ideen- und Geschäftsarbeit wird gleichwertig zum Businessplan sein. Und die Schwerpunkte beim Gründen werden sich verschieben. Es wird, wie es in der Start-up-Szene schon jetzt der Fall ist, mehr getestet werden. Es wird dadurch schnellere Markteintritte geben und das Produkt zusammen mit dem Kunden stetig verbessert werden. Dabei gehört das Scheitern – oder besser Abbruch und Neuorientierung - auch dazu. Diese Prozesse und Gewichtungen sind in der Mainstream-Gründung noch nicht angekommen. Das wollen und werden wir ändern. Weg von der aufwändigen Entwicklung des Businessplans als ersten Schritt am grünen Tisch, stattdessen hin zur Entwicklung eines ersten Prototyps und dem Austesten am echten Kunden. Das ist nicht nur effizienter und dynamischer, sondern macht auch viel mehr Spaß. Einen Businessplan kann man auf der Gründerplattform natürlich auch schreiben – das ist digital unterstützt und so schnell gemacht.
Sie sprachen jetzt viel von der Ideenfindung und dem Geschäftsmodell. Wie schaut es mit der Gründungsfinanzierung in Deutschland aus?
Als promovierter Bankbetriebswirt muss ich dazu sagen, dass es im internationalen Vergleich wahrscheinlich kein Land gibt, in der die Gründungsfinanzierung besser ist als in Deutschland. Es gibt ein Bankensystem, das mehr Gründungen finanziert als in jedem anderen Land der Welt. Beim Risiko-Kapital gibt es sicherlich Defizite. Dieses Unterthema wird von den Medien besonders kolportiert. Betrifft aber in der Praxisweniger als 0,5 Prozent der Firmengründungen. Wir haben exzellente Fördermittel - aber man findet die entsprechenden Angebote schlecht. Welche Bank finanziert eine Gastronomie? Welche Fördermittel gibt’s für eine Innovationsgründung? Das ist auch eine Problemstellung, die wir mit der Gründerplattform bereits angehen: erst Orientierung bei den Finanzierungsformen zu schaffen und diese dann über die angeschlossenen Partner, digital direkt auswählbar zu machen.