Ein Haus oder eine Wohnung ist für viele Menschen die teuerste Anschaffung ihres Lebens. Bei der Baufinanzierung spielt der Zins daher eine umso wichtigere Rolle: Jede Nachkommastelle kann bei den oft sechsstelligen Immobilienpreisen am Ende einen Unterschied von vielen Tausend Euros machen. Wie hoch der Zins ausfällt, hängt mitunter von der Sollzinsbindung ab.
Banken sichern ihren Kunden bei Abschluss einer Baufinanzierung den vereinbarten Zins in der Regel für einen gewissen Zeitraum ab. So sind sie den Fluktuationen auf dem Zinsmarkt nicht ausgeliefert. Dieser Zeitraum ist die Sollzinsbindung. Kreditnehmer und Kreditgeber vereinbaren ihn meist über 5, 10, 15, 20, 25 bis hin zu 30 Jahre. Als Faustregel gilt: Je länger der vereinbarte Zeitraum, desto höher ist der Zinsaufschlag, mit dem sich Banken die zusätzliche Zinssicherheit von ihren Kunden vergüten lassen.
Das Schwierige daran: Niemand hat eine Glaskugel und kann vorhersehen, wie sich die Bauzinsen in ein paar Jahren entwickeln werden. Darlehensnehmer müssen sich demnach bei Abschluss gut überlegen, was für sie sinnvoll ist. Wer in den Jahren nach Aufnahme des Darlehens mit steigenden Zinsen rechnet, ist gut beraten, sich das vorherrschende Zinsniveau möglichst lange zu sichern. Wer umgekehrt auf fallende oder gleichbleibende Zinsen hofft, spart mit einer kurzen Zinslaufzeit jede Menge Geld – sofern das Zinsniveau tatsächlich sinkt.
Die Lage 2023
Bis zum Juli 2022 war das Zinsniveau über viele Jahre hinweg extrem niedrig, sodass Eigentümer mitunter ihre Baukredite zu einem Zins von unter einem Prozent ergattern konnten. Seither haben die Notenbanken auf eine restriktive Geldpolitik umgeschwenkt. Zuletzt kannte der Leitzins also vor allem den Weg nach oben. Der Topzins bei einem Nettodarlehensbetrag von 350.000 Euro liegt entsprechen inzwischen laut dem Bauzinsrechner des Kreditvermittlers Dr. Klein bei 3,67 Prozent.
Doch derzeit befindet sich der Zinsmarkt in einer Sondersituation: Aktuell ist ein kurzer Bindungszeitraum für Kreditnehmer mitunter sogar teurer als ein langer.
Ob sich Kreditnehmer 10, 15 oder 20 Jahre an einen Zins binden, macht derzeit also wenig Unterschied. Wer mit weiteren Zinserhöhungen rechnet, kann sich das aktuelle Niveau derzeit ohne große Preisaufschläge für 20 Jahre sichern. Das hängt mit der inversen Zinskurve auf dem Anleihemarkt zusammen. Festverzinsliche Wertpapiere mit einer längeren Laufzeit rentieren sich demnach also – anders als normalerweise – derzeit weniger als solche mit einer kurzen Laufzeit. Das spricht dafür, dass Marktteilnehmer in Zukunft mit fallenden Zinsen rechnen.
Heißt für Immobilienkäufer: Wer sich in Sachen Zinsen besonders viel Sicherheit wünscht, kann mit einem Bindungszeitraum von 10 bis 20 Jahren derzeit nicht allzu viel falsch machen. Sollten die Zinsen dann doch stark fallen, können sie immer noch vom Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen. Kreditnehmer dürfen ihren Vertrag nämlich nach zehn Jahren mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten ablösen – und sich nach einem günstigeren Darlehen umsehen.
So viel wie möglich tilgen
Das schwankende Zinsumfeld dürfte viele Kreditnehmer derzeit verunsichern. Allerdings sollten sich Haus- und Wohnungskäufer nicht von der Zinsfrage verrückt machen lassen, empfiehlt Sven Carstensen, Vorstand der Immobilien-Beratungsfirma Bulwiengesa. „Viel wichtiger ist die Qualität der Immobilie. Kaufpreis und Konditionen müssen stimmen, die Annuität der persönlichen Lebenssituation entsprechen.“
Wichtig sei auch, seinen anfänglichen Tilgungssatz nicht zu niedrig anzusetzen oder eben durch Sondertilgung seine Restschuld so schnell wie möglich abzustottern. „So verhindern Kreditnehmer am Ende ihrer Zinsbindung ein böses Erwachen“, sagt der Experte.
Kapitalanleger vs. Eigennutzer
Wer eine Immobilie kauft, um sie zu vermieten, sollte in Sachen Zinsbindung noch einen anderen Faktor mitbedenken: die Steuer. Kapitalanleger können ihre Zinsbelastung nämlich steuerlich absetzen. „Wer sehr hoch tilgt, hat schnell einen Steuernachteil, da die Annuität einen hohen Tilgungsanteil und einen geringen Zinssatz beinhaltet“, sagt Carstensen. Je nach individueller Situation kann sich dann also trotz Zinsaufschlag eine besonders lange Bindungslaufzeit lohnen.