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Geldanlage Wie Anleger vom billigen Öl profitieren

Schwingt sich der Ölpreis zu neuen Höhen auf? Anleger können auch von niedrigen Preisen profitieren. Von Nadine Oberhuber



Nadine Oberhuber ist Wirtschafts- und Finanzjournalistin. Sie schreibt auf Capital.de über Geldanlagethemen



Von Natur aus ist Öl ein Stoff, der sehr viele Konsistenzen annehmen kann und deshalb die verrücktesten Sachen macht: Im Grunde ist es eine zähe Brühe, die sich eher langsam aber stetig dahinwälzt. Macht man es heiß, dann fließt und schmiert es ordentlich. Und setzt man es unter Druck, dann spritzt und sprudelt es sogar. Manchmal explodiert es auch, es kann Meere mit dicken Teppichen ersticken, Vögel verkleben und in Klumpen an Stränden enden.


Öl ist zu fast allem fähig. Es ist ein ziemlich unberechenbarer Stoff, der da als Schmierstoff für die Weltwirtschaft gilt. Genau das macht derzeit auch vielen Anlegern, Wirtschaftsforschern und sogar ganzen Staaten zu schaffen. Die fragen sich nämlich bang: Was tut es wohl als nächstes und wohin dreht sein Kurs?


Gerade die jüngsten Wochen waren nichts weniger als eine Ansammlung von Superlativen, was den Ölpreis betrifft: Zuerst erlebte das Öl den gnadenlosesten Absturz aller Zeiten – nämlich in der Finanzkrise 2008, als es von 143 Dollar je Barrel auf 33 Dollar fiel. Danach setzte es zum enormen Aufschwung an. In satten aber gemächlichen Wellen schaukelte sich der Preis in den vergangenen fünfeinhalb Jahren wieder weit über die 100-Dollar-Marke. Bis Mitte 2014, dann implodierte der Ölkurs erneut. Er erlebte erneut einen „historischen Crash“. Am Jahresende war das Barrel nur noch knapp die Hälfte wert. Seitdem hat es die größte Rallye seit 17 Jahren hingelegt und notiert aktuell bei knapp 60 Dollar.


Ölpreis demnächst bei 200 Dollar?

Ist das nun der nächste Höhenflug und setzt das Öl zum neuen Superzyklus an? Werden Anleger, die jetzt einsteigen, reich mit dem schwarzen Gold, wie bereits einige hoffen? Die allerwenigsten Finanz- und Rohstoffexperten glauben das.


Ja, es gibt Stimmen, die den Ölpreis schon bald bis zur 200-Dollar-Marke preschen sehen, das jedenfalls prognostizierte der Vorstand des Mineralölunternehmens Eni zuletzt. Er begründete das so: Die Nachfrage sei global intakt und das Angebot werde wieder erheblich knapper. Denn eine Reihe von Frackingfirmen, die zuletzt im großen Stile zur Ölschwemme beigetragen haben, würde ihre Pforten und Bohrgruben demnächst wieder schließen. Der Abbau mittels Gas aus tief liegendem Schiefergestein rechnet sich nämlich bei diesen Preisen nicht mehr. Auf rund 70 Dollar je Barrel beziffern Branchenexperten die Kosten beim Fracking. So lange das Öl für nicht einmal 60 Dollar gehandelt wird, produzieren die Förderfirmen deshalb nichts als Verluste. Weil sich die meisten von ihnen ohnehin hoch verschuldet haben, um überhaupt den Geschäftsbetrieb aufzunehmen, könnte die Frackingindustrie nach ihrem schnellen Aufschwung ein ebenso jähes Ende ereilen.


Zudem sinkt, so melden Statistiken jede Woche, die Zahl der Ölförderstätten weltweit. In der Nordsee, Alaska und Russland wurde Bohrloch um Bohrloch und Insel für Insel geschlossen. Statt 1600 Förderstellen zählt die Welt nur noch 1421. Das ist der stärkste Rückgang der Branche seit 1991.

Es bleibt bei massive Überkapazitäten

Bloß, ist das Öl nun wirklich knapper geworden? Beileibe nicht. Noch immer meldet die Internationale Energie Agentur (IEA) einen Überschuss an täglicher Förderung von rund 1,5 Millionen Barrel. Rund 30 Millionen Barrel täglich pumpen sämtliche Hersteller an die Erdoberfläche. Etwa fünf Prozent mehr, als die Weltwirtschaft täglich verbraucht. Die Bestände in den Lagern sind weiterhin auf Rekordniveau. Zudem drehen zig voll beladene Tanker auf den Weltmeeren ihre Runden, auf denen Investoren mehr als eine Tagesration Öl für die Welt bunkern - für den Fall, dass sich dessen Verkauf irgendwann wieder richtig lohnt. Nur sieht es vorerst nicht danach aus.


Zwar wächst die Weltnachfrage tatsächlich, sagt die IEA, doch nur sehr langsam. Für Europa und Asien hat die IEA ihre Prognosen zuletzt nach unten korrigiert. Zudem bestimmt eine andere Partei den weltweiten Ölpreispoker viel entscheidender als alle Frackingfirmen zusammen: die OPEC. Sie hat nun wiederholt klargemacht, dass die ölexportierenden Länder willens und in der Lage sind, die Ölfördermenge so bald nicht versiegen zu lassen. Im Gegenteil – sie lassen das schwarze Gold weiter mehr als reichlich sprudeln. Natürlich hat auch das den Preisverfall stark getrieben, aber das war klares Kalkül. Denn Saudi Arabien, die Arabischen Emirate und ihre Partner demonstrieren damit eines: Für sie lohnt sich die Förderung auch bei den derzeitigen Tiefpreisen noch. Sie beziffern ihre Kosten je Barrel auf rund 25 Dollar. Und sie wissen genau, dass die amerikanischen und norwegischen Unternehmen da nicht mithalten können.


Halten sie also den Preis weiter auf diesem niedrigen Niveau, ist die Chance groß, dass sie ihre Konkurrenz über kurz oder lang aushungern. Die wurde schließlich immer größer: Amerika fördert dank seiner Frackingfirmen heute 80 Prozent mehr Öl als noch vor sechs Jahren und so viel wie seit 30 Jahren nicht mehr. Die Vereinigten Staaten haben sich voll aufs Öl konzentriert und wollen bald zum Selbstversorger werden.


In die entgegengesetzte Richtung haben sich Staaten wie die Arabischen Emirate entwickelt: Sie haben ihre Wirtschaft in den vergangenen Jahren sehr viel unabhängiger vom Öl gemacht und sich mit Milliarden an Weltkonzernen und Finanzdienstleitern beteiligt. Ihre Staatshaushalte speisen sich nur noch zu rund einem Drittel aus den Öleinnahmen. Dennoch: Dieses Drittel wollen sie sich nun nicht abgraben lassen. Deshalb fördert die Opec nun jeden Tag genau die knappe halbe Million Barrel zusätzlich, die ihre Wettbewerber nicht mehr aus der Erde holen können – und stärkt so ihre Stellung.

Nur mutige kaufen Ölaktien

Viele Marktbeobachter sehen darum eher, dass sich die Preise auf niedrigem Niveau einpendeln werden. Zumal der Ölmarkt dieser Tage noch etwas offenbart: Er wird längst nicht mehr allein regiert von Angebot und Nachfrage. Sondern der Finanzsektor fährt der Realwirtschaft arg in die Parade. Der Beleg dafür kommt von der Bank für internationalen Zahlungsausgleich, die eine Vervierfachung der Schulden der Ölunternehmen seit 2007 errechnet hat.


Diese steigende Verschuldung, zusammen mit dem sinkenden Ölpreis und dem steigenden Dollar, hat die westlichen Förderunternehmen in Bedrängnis gebracht. Zuletzt waren ihre Ölreserven immer weniger wert, die Schuldenlast wurde dagegen immer drückender. Also schleuderten sie große Mengen auf den Markt und befeuerten mit diesen „Fire Sales“ den Preisverfall erst richtig. Einen ähnlichen Effekt hat die Welt 2008 in der Finanzkrise erlebt, als die Banken panikartig ihre faulen Kredite auf den Markt warfen um sich so den Befreiungsschlag zu verschaffen. Das ging schief.


Dazu kommt: Den Terminmärkten fehlt es immer mehr an Liquidität. Wo sich früher Rohstoffproduzenten und Verarbeiter als Käufer und Verkäufer gegenüberstanden, agieren jetzt immer häufiger Finanzunternehmen, und die handeln oft alle im Gleichklang. So schlagen selbst kleine Bewegungen am Markt immer größere Wellen.


Was das nun für den Privatanleger heißt? Natürlich kann er versuchen, die nächste Ölpreiswelle zu reiten. Er kann hoffen, dass der Kurs bereits seinen Boden gefunden hat und er sich nun rasch wieder aufbäumt. Er kann sich mit Indexfonds auf Öl eindecken. Ganz Mutige kaufen vielleicht sogar Aktien von Ölunternehmen.


Cleverer erscheint aber derzeit, darauf zu setzen, dass Öl im Rohzustand doch eher eine zähe Masse ist und sich der Preis deshalb langfristig dort einpendeln wird, wo er nun wieder angekommen ist. Seit 30 Jahren schwappt er zwischen 30 und 60 Dollar herum. Und da sehen ihn zumindest die großen Bankhäuser und Investmentgesellschaften auch auf absehbare Zeit bleiben. Investieren können Anleger auch bei diesem Szenario. Statt auf die nächste Ölkrise müssten sie nur auf die Ölpreiskrise setzen und auf Aktien von Unternehmen, die genau davon profitieren: Autobauer, Fluggesellschaften, die Verpackungsindustrie und energieintensive Branchen wie Düngemittelhersteller wären dann die Gewinner.


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