Janet Yellen, die Präsidentin der US-Notenbank Fed, dürfte sich momentan jeden ihrer Sätze dreimal überlegen. Anleger, Analysten und Ökonomen auf der ganzen Welt lauern auf den kleinsten Hinweis darauf, wann die Fed den Leitzins anhebt. Mitte September verkündete Yellen, den Zins für längere Zeit zwischen null und 0,25 Prozent belassen zu wollen. Seitdem spekulieren Investmentgesellschaften darüber, was genau eine „längere Zeit“ ist. Herrschende Meinung ist: nicht sehr lange. Weil die US-Wirtschaft rund läuft und sich die Inflationsrate allmählich dem Ziel der Notenbanker nähert, rechnen die meisten Anlageprofis schon für das kommende Jahr mit einer strafferen Geldpolitik in den USA – also mit Zinserhöhungen.
Auch Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), steht unter Beobachtung. Aber niemand glaubt daran, dass er den Leitzins, der derzeit bei mikroskopischen 0,05 Prozent liegt, in absehbarer Zeit anheben wird. Die Eurozone ist immer noch weit vom EZB-Inflationsziel in Höhe von zwei Prozent entfernt. Die Politik der Notenbank müsse eher noch expansiver werden, sagt Ulrich Leuchtmann, Währungsanalyst der Commerzbank. Weil die EZB den Leitzins kaum noch weiter senken kann, will sie nun forderungsbesicherte Wertpapiere (Asset Backed Securities) und Pfandbriefe kaufen, um die Kreditvergabe der Banken und damit die Wirtschaft anzukurbeln.
Währungsfonds profitieren vom Trend
Die Geldpolitiken in den USA und Europa seien so gesehen mittlerweile diametral entgegengesetzt, urteilt Leuchtmann. Das hat Folgen für Investoren: Auf den Aktien-, Renten- und Devisenmärkten machen sich die unterschiedlichen geldpolitischen Ansätze bereits bemerkbar. Sollte die Fed im kommenden Jahr tatsächlich den Leitzins anheben, dürften die Märkte in Europa und Übersee noch weiter auseinanderdriften.
Der ultralockere Kurs der EZB führt bereits dazu, dass viele Investoren ihr Geld jetzt lieber in den USA anlegen. Das drückt auf den Euro und lässt den US-Dollar erstarken. Zurzeit bekommen Anleger für einen Euro 1,26 US-Dollar. Das ist deutlich weniger als zu Beginn des Jahres. Analysten überbieten sich mit Prognosen, wohin der Abwärtstrend führen wird: Die Währungsexperten der Investmentbank Goldman Sachs rechnen damit, dass der Euro in absehbarer Zeit nur noch einen US-Dollar wert sein wird, die Währungen also Parität erreichen. Die Deutsche Bank glaubt sogar, dass ein Euro im Jahr 2017 nur noch 95 US-Cent kosten wird.
Für Währungsfonds, die von Trends an den Devisenmärkten profitieren wollen, ist die Lage vielversprechend. Die Produkte hatten es in den vergangenen Jahren schwer, weil die Märkte wacklig waren. Jetzt könnte es für sie wieder aufwärts gehen. Die Politik der EZB macht auch sogenannte Carry Trades attraktiv. Dabei nimmt man einen Kredit in einer Währung mit niedrigem Zinsniveau auf und kauft mit dem Geld Papiere in einer Währung mit höherem Zinsniveau. Durch die Zinsdifferenz bleibt nach Rückzahlung des Kredits ein Gewinn. Die Entwicklung der Wechselkurse bestimmt allerdings erst darüber, ob die Strategie Gewinn abwirft. Viele Währungsfonds, die mit Carry Trades Geld verdienen wollen, schnitten zuletzt schlecht ab, weil die Devisenmärkte extrem schwankten. Inzwischen scheint das Risiko eines steigenden Euro gering.
EZB macht es Anlegern schwer
Der schwache Euro dürfte auch den Exporteuren in Europa zugutekommen. Anlageprofis rechnen mit steigenden Aktienkursen bei Export-Unternehmen. Seit Januar war mit europäischen Aktien kein Staat zu machen, US-Papiere hatten die Nase vorn. In den kommenden Monaten könnten sich die Aktienkurse europäischer Unternehmen generell erholen, sagt Darren Williams, Ökonom des Fondsanbieters AB, einer Marke der US-Investmentgesellschaft Alliance Bernstein. Das gelte vor allem, wenn die EZB zu noch drastischeren Mitteln greift, um die Wirtschaft in Schwung zu bringen. „Wir glauben, dass es lediglich eine Frage der Zeit ist, bis die europäischen Währungshüter noch einmal nachlegen müssen und ein Ankaufprogramm für europäische Staatsanleihen auflegen“, sagt Williams.
Europäische Sparer und Renteninvestoren haben es derweil schwer, solange die EZB ihren expansiven Kurs beibehält. Angesichts der niedrigen Renditen werden sie sich verstärkt in anderen Regionen nach lohnenden Investments umschauen müssen, prophezeit Owen Murfin, Rentenexperte des US-Investmentriesen Blackrock. Viele Anleger haben im laufenden Jahr bereits auf Anleihen aus den Staaten der Euro-Peripherie gesetzt, die dank hoher Risikoaufschläge mehr Rendite bringen als zum Beispiel deutsche Bundesanleihen. Peripherie-Papiere dürften aber in den kommenden Monaten stärker schwanken, sagt Murfin. Denn Reformen würden immer nötiger. US-Anleihen könnten eine Alternative sein – allerdings erst dann, wenn sich Fed-Chefin Janet Yellen zu einem eindeutigen Statement durchgerungen hat.