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Kolumne Verglichen, verhandelt, verzockt

Strom- und Handyanbieter stellten Banken weit in den Schatten – zum Leidwesen gerade sozial schwacher Verbraucher. Von Christian Kirchner
Christian Kirchner
Christian Kirchner
© Gene Glover

Christian Kirchner ist Frankfurt-Korrespondent von Capital. Er schreibt an dieser Stelle regelmäßig über Geldanlagethemen. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen

Die Beschäftigung mit Geld hat ja immer zwei Seiten: Es gibt die Seite der Zahlen und die der Emotionen. Über die erste wird viel geschrieben. Über die zweite eher selten. Dabei ist sie nicht weniger wichtig: Vielleicht sind Sie heute zufrieden, weil sie am „Black Friday“ etwas online bestellt haben, was Sie nicht wirklich brauchen, aber Ihnen das Gefühl gibt, sie hätten etwas gespart. Anderen ist das ein Horror. Und beide haben auf ihre Art Recht.

Manch einer ist unglücklich mit Aktien, die zehn Prozent pro Jahr erwirtschaften. Weil er täglich besorgt ist, dass sie einbrechen könnten. Manch einer ist hingegen glücklich mit einem Sparbuch, mit dem er nichts verdient, aber eben auch nichts verliert. Wieder andere sind überglücklich mit einem eigenen Haus im Grünen, das sie teuer gekauft haben, in das sie weiter groteske Summen stecken und dessen Wert beständig sinkt – das sie aber 24 Stunden am Tag zu zufriedenen Menschen macht.

Nun ist das keine brandneue Erkenntnis, ich möchte ihr aber eine weitere Facette hinzufügen: Nicht nur Geld ausgeben, auch Geld sparen hat eine emotionale Seite. Zum Beispiel in den liberalisierten Märkten Strom, Gas und vor allem der Telekommunikation wie DSL- und Handyanschlüsse. Und um die emotionale Seite des Sparens im Verbraucheralltag geht es nur selten, obwohl Geld sparen oft eine hoch emotionale - um nicht zu sagen rot- oder weißglühende Sache ist.

Ich bin kein Handyanbieter-Wechselprofi

Konkret sieht die emotionale Seite so aus, dass man fraglos sparen kann, wenn man vergleicht, verhandelt und Anbieter wechselt. Ich habe das inzwischen so oft gelesen und gehört, dass ich mich schon schlecht fühle, wenn ich mal ein Jahr lang nicht verglichen und verhandelt habe oder gewechselt bin.

Ziehe ich die emotionale Seite meiner eigenen Verbraucherkarriere in die Betrachtung mit ein, stehe ich vermutlich schlechter da als all jene vermeintlich dummen Verbraucher, die eben nie vergleichen, verhandeln oder den Strom- oder Handyanbieter wechseln. Gewiss: Ich habe hier mal 100 Euro gespart auf die Strom-Jahresrechnung oder da 10 Euro auf die Handy-Grundgebühr. Ich bin da keineswegs Wechselprofi, der den letzten Cent herausquetscht, sondern kümmere mich ein oder zwei Mal im Jahr darum, und dann durchaus vernünftig.

Bei einer sauberen Vollkostenrechnung sähe die Sache aber schon anders aus, da ich auf mindestens ein Dutzend Fälle komme, in der ich, wie Millionen anderer Kunden auch, hinter die Fichte geführt werden sollte. Ich musste mich wahlweise mit kostenpflichtigen Hotline-Anrufen oder Briefen gegen ganz anders als vereinbart ausgefallene Vertragskonditionen wehren, Zusatzpacks abbestellen, Voreinstellungen löschen, musste lernen, dass man den „monatlichen Gesamtpreis“ selbst dann „monatlichen Gesamtpreis“ nennen darf, wenn der nur für einen Teil einer Mindestvertragslaufzeit gilt und es dazu auch keine Fußnoten gibt. Ich rannte Kündigungsbestätigungen hinterher und bin irgendwann dazu übergegangen, Post in Zusammenhang mit Verträgen aller Art nur noch per Einwurfeinschreiben zu verschicken.

Ich erhielt als Werbeflyer getarnte Preiserhöhungen, Angebote, die man nur telefonisch unterbreiten könne, bekam Drohungen mit Inkassobüros, in Fußnoten getarnte Zusatzkosten aufgedrückt, musste rabiat auf Sonderkündigungsrechte nach Tariferhöhungen bestehen, Musicflats loswerden, vereinbarte Kündigungsfristen dokumentieren, war tagelang ohne Telefon und Internet, musste Sofortboni einfordern. Ich hatte es mit Anbietern zu tun, die Schreiben nie bekommen haben und mir ihre kostenpflichtigen und zeitraubenden Kommunikationswege aufzwingen wollen. Anbieter, die Dinge per E-Mail rechtsgültig verschicken, aber selbst per E-Mail nicht länger erreichbar sind.

Vor allem aber habe ich gelernt: Viele Anbieter schaffen gerne Fakten und stellen sich dann tot.

Lohnt der Aufwand?

Emotional fällt die Bilanz noch schlechter aus. Ich habe viele Stunden in Hotlines gehangen, Briefe getippt, stand - wie Millionen Verbraucher auch - oft vor der Frage: Lohnt jetzt wirklich der Aufwand, wenn man um 5 Euro im Monat betuppt wird? Oder lasse ich es einfach gut sein, verbringe die Zeit lieber an der frischen Luft oder mit der Familie, statt in die Tasten zu hauen?

Gewiss in den meisten Fällen ging natürlich alles gut. Und das ist auch der Normalfall. Aber die Fälle, in denen es eben nicht gut ging, fallen zeitlich und emotional schlicht stark ins Gewicht.

Die Sache hat eine unterschätzte Komponente: Ich bin durchaus in der Lage, mich gegen das wildeste Verhalten zur Wehr zu setzen und froh, dass mich derlei Kleinigkeiten nicht in existenzielle Gefahren bringen.

Das ist bei einer wachsenden Zahl von Menschen anders: Die Bedeutung von Schulden bei Telekommunikationsunternehmen von überschuldeten Haushalten hat sich in den vergangenen zehn Jahren glatt verdoppelt. Die von öffentlich gerne geächteten Banken ist deutlich gesunken und liegt gemessen an den absoluten Fallzahlen inzwischen sogar unter der von Telekommunikationsfirmen.

Mir geht diese Frage häufig durch den Kopf: Wenn schon ich als kritischer Journalist vom Fach oft größte Schwierigkeiten habe, mich gegen grobes Unrecht, nicht erreichbare Hotlines oder dem Dauerbrenner des „Totstellens“ zu wehren – wie sieht das wohl mit Menschen aus, denen in Sachen Verbraucherbildung oder auch sprachlich oder zeitlich die Mittel fehlen, sich zur Wehr zu setzen? Geben die einfach irgendwann auf?

Was kostet ein Strom-, Gas- oder Handyvertrag wirklich?

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich möchte hier kein Plädoyer für die Rückverstaatlichung liberalisierter Märkte halten oder ihre Vorzüge unter den Tisch fallen lassen, die die Lebensqualität auch deutlich erhöht haben. Und natürlich sorgt allein die hohe Zahl von Kunden zu einer absolut betrachtet hohen Zahl unzufriedener Kunden: wenn es viel mehr Handys als Bürger in Deutschland gibt, gibt es naturgemäß auch viel Ärger. Die zufriedenen Kunden schweigen, die unzufriedenen toben.

Ich habe dennoch das Gefühl, dass einige Dinge etwas aus dem Lot geraten sind: zum Beispiel den Aufwand, den ein Verbraucher betreiben muss, um sauber zu durchschauen, was ein Strom-, Gas- oder Handyvertrag wirklich kostet, welche Zusatzkosten anfallen oder welche „Packs“ und Abos er bekommt und wie und zu welchen Kosten er seinen Anbieter verlässlich erreichen kann.

Aus dem Lot geraten ist auch schon lange, dass Wechsel incentiviert werden und Treue kaum belohnt, egal, ob es um den Handyvertrag oder Autokauf geht.

Aus dem Lot geraten ist auch die Berichterstattung über Vergleiche und Wechsel, in denen oft unter den Tisch fällt, mit welchem Aufwand und Ärger der Wechsel zu günstigeren Anbietern verbunden ist – eben auch die emotionale Seite des Geldsparens.

Und bevor in diesem Beitrag alles aus dem Lot gerät: Es geht auch anders. Öffnen Sie doch einfach einmal die Seiten eines Onlinebrokers und tippen Sie in die Kursabfrage die Namen von Unternehmen ein, die Ihnen aus Ihrer eigenen Verbraucherkarriere als gut erreichbar und kundenfreundlich einfallen. Es sind – zumindest nach meiner Erfahrung – in der Regel Unternehmen, deren Aktienkurse auch eine vorzügliche Kursentwicklung aufweisen.

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