Bei Börsengängen wird gern von der Zukunft und Trends gesprochen. Selten war dies so zutreffend wie beim Handelsstart des Getriebeherstellers Renk aus Augsburg. „Die Zeiten- und Energiewende sind die beiden wichtigsten Megatrends“, sagt im Interview mit Capital Konzernchefin Susanne Wiegand. „Wir sind stark aufgestellt für weiteres Wachstum mit Sicherheit und Dekarbonisierung.“ Die Produkte des Unternehmens kommen vor allem in Rüstungsgütern zum Einsatz – ein Geschäft, das 70 Prozent des Umsatzes ausmacht. Der Rest wird mit Produkten wie Antrieben für Windräder oder Wasserstofftechnologie erzielt.
In beiden Segmenten besteht Handlungsbedarf in Deutschland und Europa, ist Wiegand überzeugt. „Die Uhr tickt, wir haben aufzuholen“, sagt sie im Hinblick auf die Ausrüstung der Bundeswehr. Verteidigungsminister Boris Pistorius warnte kürzlich, der NATO verblieben nur noch wenige Jahre, um sich für einen drohenden russischen Angriff zu wappnen. Und auch bei der Energiewende drängt Wiegand die Politik und die Investoren zum Handeln, auch hier gehe es wegen des Klimawandelns ums Überleben. „Der Markt lässt sich Zeit mit Investitionen in die Dekarbonisierung, auch wegen der überbordenden Regulatorik in Deutschland.“
Für Renk sind die beiden Trends mit der Aussicht auf weiter steigende Umsätze verbunden. Konkret: „Wir wollen unseren Umsatz mittelfristig um jährlich zehn Prozent steigern“, sagt Wiegand. Die Planung ist recht sicher, denn das Unternehmen sitzt auf einem Auftragsbestand von rund 4,5 Mrd. Euro. Die Herausforderung für das Management liegt darin, dies auch abzuarbeiten. „Für uns geht es vor allem um die Lieferkette, wir müssen Teile und Mitarbeiter bekommen“, sagt Wiegand. Im Jahr 2022 erzielte Renk einen Umsatz von 849 Mio. Euro.
Ebit-Marge bis zu 20 Prozent
Hält das Unternehmen seine Marge konstant, können Aktionäre also mit steigenden Gewinnen rechnen. Laut Finanzchef Christian Schulz wird die operative Marge (Ebit-Marge) in diesem Jahr bei 16 bis 18 Prozent liegen. Für die kommenden Jahre stellt er dann eine Ebit-Marge, also einen Gewinn vor Steuern und Zinszahlungen, von 19 bis 20 Prozent in Aussicht. „Zwischen 40 und 50 Prozent des Gewinns sollen künftig als Dividende ausgeschüttet werden“, verspricht Wiegand.
Investoren hören es gern. Um 9.18 Uhr brandete am Mittwoch auf dem Frankfurter Börsenparkett Applaus auf. Die „Renkler“, wie sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens selbst nennen, jubeln und johlten mit Bankern, Anwälten und Beratern um die Wette, als Oliver Herrmann von der Baader Bank seine Stimme erhebt und den ersten Börsenkurs der Renk Group AG ausruft: 17,50 Euro. Das ist ein Aufschlag von 17 Prozent auf den Ausgabepreis von 15 Euro, womit das Unternehmen mit 1,75 Mrd. Euro bewertet wird. Am Morgen stieg der Aktienkurs dann sogar bis auf 18,99 Euro. Ein erfolgreicher und rundum gelungener Börsengang, war man sich am Fuß der ikonischen Dax-Kurstafel einig.
Antrieb für den Leopard-Panzer
Renk wurde 1873 in Augsburg als Zahnradwerkstatt gegründet, heute zählt es mit 3300 Mitarbeitern zu den weltweit führenden Herstellern von Antriebstechnik. Zugleich ist das Unternehmen einer der wichtigsten Rüstungsbetriebe des Landes. Ob deutscher Leopard, britischer Ajax oder französischer Leclerc – in all diesen Kampfpanzern stecken Getriebe von Renk, genau wie in Marineschiffen. Renk beliefert 30 Landstreitkräfte auf der ganzen Welt, dazu 40 Marinen. Und auch in indischen Zementmühlen, deutschen Windrädern und amerikanischen Wasserstoffanlagen wird Renk-Technologie eingesetzt.
2020 hat der deutsch-schwedische Private-Equity-Fonds Triton das Unternehmen vom MAN-Konzern übernommen und im Folgejahr Wiegand als neue Chefin geholt. Triton kaufte Renk seinerzeit für knapp 700 Mio. Euro.
Der Börsengang in Frankfurt war eine Notierungsaufnahme und kein klassischer IPO, denn das breite Investorenpublikum konnte keine neuen Aktien zeichnen. Stattdessen platzierte der Finanzinvestor Triton aus seinem Bestand in der Summe 33,3 Millionen Renk-Aktien für 500 Mio. Euro bei institutionellen Investoren. Allein Aktien für 100 Mio. Euro zeichnete der Leopard-2-Panzerhersteller KNDS (KMW+Nexter Defense Systems). Der Großkunde hält nun 6,7 Prozent an Renk und hat den Angaben zufolge die Option bis auf eine Sperrminorität von 25 Prozent an seinem wichtigen Zulieferer „Wir wollen dafür sorgen, dass Renk unabhängig bleibt", begründete ein KNDS-Sprecher den Einstieg.
Die IG Metall hatte schon vor dem ersten, im Oktober überraschend gescheiterten Anlauf an die Börse einen Staatseinstieg ins Gespräch gebracht, ähnlich wie beim Börsengang des Rüstungselektronik-Spezialisten Hensoldt. An diesem ist der Bund laut LSEG-Daten mit 22,82 Prozent beteiligt. „Wir reden miteinander, aber ein Staatseinstieg war nie ein Thema“, sagt Wiegand. „Das brauchen wir auch nicht, wir haben hochqualitative Investoren.“ Neben KNDS wurde bislang der US-Vermögensverwalter Wellington Management als Investor bekannt. Er zeichnete Renk-Aktien für 50 Mio. Euro. Auf Anfrage von Capital wollte sich die Fondsgesellschaft nicht zur Renk-Aktie und ihrem Einstieg äußern.
Ob die Aktie künftig in den deutschen Nebenwerte-Index MDax einzieht, wird davon abhängen in welchem Umfang sich Triton von weiteren Anteilen trennt bzw. ob institutionelle Investoren ihre Aktien auf den Markt werfen. Zwar ist Renk vom aktuellen Firmenwert etwas wertvoller als die drei kleinsten MDax-Werte SMA Solar, Stabilus und Jenoptik, die jeweils mit 1,6 bis 1,7 Mrd. Euro bewertet werden. Für die Zugehörigkeit zu einem der Auswahlindizes der Dax-Familie ist jedoch die Marktkapitalisierung des Streubesitzes entscheidend. Renk schätzt den künftigen Streubesitz auf rund 27 Prozent der Marktkapitalisierung, ohne Berücksichtigung der Aktien im Besitz von KNDS.
Weitere Börsengänge in Sicht
Der erfolgreiche Börsenstart – wenige Tage nach dem des Flughafen Athen und der Sodexo-Abspaltung Pluxee in Paris – macht Investmentbankern Hoffnungen auf weitere IPO in Europa. Rückenwind könnte zudem von sinkenden Zinsen kommen, sagt Peter Beske Nielsen, Partner beim Finanzinvestor EQT, der in Deutschland nach eigenen Angaben unter anderem an Ottobock und Deutsche Glasfaser beteiligt ist.
Zinsen sind ein wichtiger Faktor für die Bewertung von Unternehmen. Diese ergibt sich aus einem Vielfachen der abdiskontierten erwarteten Gewinne, dem sogenannten Multiplier. Je niedriger die Zinsen sind, desto höher ist der Gegenwartswert künftiger Gewinne und desto höher – bei gleichem Multiplier – der Firmenwert.
Als Kandidaten für einen Börsengang in Deutschland gelten derzeit die Parfümerie-Kette Douglas, die sich im Besitz des Finanzinvestors CVC befindet. Der Tankkarten-Anbieter DKV Mobility und der Fernbusbetreiber Flix warten auf eine Gelegenheit, um ihre Börsenpläne umzusetzen. Auch der Dermatologiekonzern Galderma und die Bank OLB gelten als Kandidaten. Der Konzertveranstalter DEAG hat dagegen seine Pläne für eine Rückkehr an die Börse vergangene Woche wieder auf die lange Bank geschoben. In den Niederlanden buhlt derzeit mit dem Hersteller von Nachtsichtgeräten, Theon, ein weiterer Rüstungskonzern um das Geld der Investoren.