Wenn man zwei Branchen nennen müsste, die in den vergangenen zwanzig Jahren durch tiefe Täler gehen mussten, dann wären das wohl Banken und Immobilien. Zumindest bei Banken scheint der Optimismus für alle sichtbar zurückzukehren. Auf zwölf Monate steht die Deutsche Bank 65 Prozent im Plus, die Commerzbank bei 55 Prozent. Das ist auch nur logisch, profitieren sie schließlich von steigenden Zinsen.
Genau umgekehrt verhält es sich eigentlich bei Immobilienkonzernen. Steigen die Zinsen, sinkt der Wert der Immobilien, während zeitgleich Kreditaufnahmen teurer werden. Umso überraschender ist daher ihr heimlicher Wiederaufstieg in den vergangenen zwölf Monaten. Beispiel: Vonovia. Der Immobilienkonzern steht auf Jahressicht satte 62 Prozent im Plus – und das, obwohl es im selben Zeitraum nicht eine einzige Zinssenkung gab.
Der Grund dafür ist allerdings recht einfach: Investoren nehmen eine Erholung vorweg und sehen vor allem, dass die großen Hiobsbotschaften ausblieben. Hinzu kommt, dass die Inflation berücksichtigt werden muss. Dies bedeutet, dass die Immobilienpreise inflationsbereinigt deutschlandweit 15 Prozent extra nach unten korrigiert haben und sich selbst im Top-Markt Berlin seit zwei Jahren real nach unten entwickeln.
Immobilienaktien top dabei
„Die zweite Reihe zieht aber genauso mit. TAG Immobilien, LEG und Aroundtown belegen die Ränge zwei bis vier bei den besten Aktien der letzten 12 Monate im MDAX“, erklärt Vanyo Walter vom Broker RoboMarkets. In der Tat liegt nur Morphosys noch besser. Haben die Immobilienaktien also die Rally am Markt vorweggenommen? Fast scheint es so.
Das beste Beispiel ist Berlin. Negative Aspekte an der Bundeshauptstadt zu finden ist unglaublich einfach. Berlin bietet massenhaft Kritikpunkte und gefühlt werden es täglich mehr. Ob Silvesterausschreitungen in Neukölln und Kreuzberg, destruktive Wohnungspolitik oder dreckige Straßen wohin man schaut – die Liste ließe sich verlängern bis zu Behördenterminen auf die man mitunter Jahre warten muss. Die Kirsche auf der Torte war jüngst der Ankauf tausender Wohnungen durch die Stadt Berlin und somit der Verkauf seitens Vonovia. Für Vonovia war es ein gutes Geschäft, für die Stadt Berlin und ihre Bürger aber reine Symbolpolitik. Keine einzige Wohnung entstand neu, einzig haben viele Mieter nun einen anderen Vermieter.
Eigentum gesucht
Das völlige Versagen beim Neubau drängt immer mehr Menschen in Eigentum, hohe Zinsen hin oder her. So bietet Berlin 2024 eine zweite Chance am Immobilienmarkt. Denn Investoren wie Warren Buffett sind keine Anleger, die experimentell bei überteuerten Start-Ups investieren. Er interessierte sich früh für Haribo, erwarb einen deutschen Motorradhersteller und ist seit Ewigkeiten bei Firmen wie Apple, Coca-Cola oder IBM investiert. Seit einigen Jahren hat er den Berliner Immobilienmarkt für sich entdeckt und viele Investoren aus dem Ausland kehren auch zurück. Die Nachfrage zieht an – dies berichten Makler unisono.
„Die zweite Chance ergibt sich nun aber als Wette auf die Zinsentwicklung“, findet Franz-Georg Wenner von IndexRadar. Noch vor wenigen Monaten waren Zinsen für 10-jährige Finanzierungen von fünf Prozent befürchtet worden. Geht die EZB 2024 einen Weg wie ihn die FED plant, könnten Immo-Zinsen aber bis auf 2 oder 2,5 Prozent sinken. Dann sollte sich auch der schlechte vermietete Bestand erholen. Bei Neubauten haben die Preise in Berlin ohnehin kaum nachgegeben, denn dort sind die Mieten eben auf einem ganz anderen Niveau.
Große Investoren sehen das große Bild
Bekannte Investoren wie Buffett bekundeten ihr Interesse just zu einem Zeitpunkt, da die deutschen Medien verstärkt von einer Blase sprachen. Für Investoren wie Buffett sind Preise von 3.500 Euro den Quadratmeter für eine Wohnung in Köpenick oder Adlershof ein Witz gegen das, was in großen US-Städten aufgerufen wird und sie sehen die aktuelle Preislage wesentlich eher als Chance denn als Risiko. Genau dies reflektieren die Kurse großen Immo-Konzerne und die Kurse tun das, was am Markt eben üblich ist – sie laufen vorweg. „2024 könnte es mit der Fußball-EM noch einen Extra-Booster geben“, findet Stefan Riße von Acatis.
Denn 2006 fuhren viele ausländische Gäste mit dem unglaublichen Erlebnis der Fußball-WM in ihre Länder zurück und behielten diesen Eindruck im Hinterkopf. Die Fußball-EM findet 2024 in Deutschland statt und das Finale wird in Berlin gespielt. Gut möglich, dass sich speziell die Ausländer einmal mehr Berlin auf dem Einkaufszettel anstreichen.