Für Fußball-Fans in Deutschland gibt es zwei Möglichkeiten, wenn man sich für einen Verein entscheidet. Man kann den seit Jahren zuverlässigen Weg gehen und Fan des FC Bayern München werden. Es ist dann klar, was einen erwartet. Die deutsche Meisterschaft wird jährlich eingetütet, den Pokal muss es normalerweise dazu geben und in der Champions-League ist das Mindestziel Halbfinale. Die Chance auf planbare Freude ist groß und das Überraschungspotenzial nach oben denkbar gering. Fällt aber einmal die Meisterschaft aus oder ein Finale wird dramatisch verloren, so ist die Enttäuschung umso größer.
Wer mehr Chancen auf wirkliche Freude und riesige Überraschungen und Leidenschaft haben will, der muss sich für Vereine wie Bremen, Kaiserslautern oder Union Berlin entscheiden. Planbar ist dort wenig, Abstiege denkbar und lange Jahre Schmerzensgeld für die große Sensation alle zehn oder zwanzig Jahre.
Am Aktienmarkt heißt das Motto Bayern München, dass man auf Aktien im Aufwärtstrend setzt, die oben notieren, deren Volatilität niedrig ist oder dass man gleich Dax, S&P 500 oder Nasdaq kauft, wenn Rekordlevels vorliegen und alles rosarot ist. Dann fühlt man sich gut, denn nichts Negatives stört die Wahrnehmung. Allerdings ist das Potenzial der Überraschung nach oben begrenzt, die Fallhöhe, wenn doch etwas schief geht, aber umso größer.
Aktien kaufen tut weh
Weitaus mehr Schmerzen muss der mitbringen, der in Krisen wie jetzt mit Ukraine oder den Zinsmärkten einkauft. „Die deutsche Wirtschaft hat aufgrund der Energieversorgung einen speziellen Anker Richtung Russland“, erläutert Gil Shapira von eToro die Schwäche speziell beim Dax. Allerdings nutzen amerikanische Investoren solche Tage auch, um über den Future-Markt schon am frühen Morgen Verkäufe zu steuern.
Sicher ist gerade also gar nichts und jeder Aktienkauf tut weh. „Ein Sprung des VDax-New um 40 Prozent, auch Angstbarometer an der Börse genannt, zum Wochenstart illustriert das sprichwörtliche Donnern der Kanonen am Markt“, findet auch Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege beim Broker Robomarkets.
Auf lange Sicht lohnt sich der Schmerz
Es fühlt sich an als hätte man sich für einen Abstiegskandidaten entschieden, bei dem gerade jedes Spiel verloren geht. Zalando, Netflix oder Nordex sind momentan genauso angeschlagen wie ein Abstiegskandidat. Auch der Dax fühlt sich unter 15.000 Punkten längst nicht so meisterlich an wie bei 16.300 vor wenigen Wochen. Die Nasdaq wirkt bei knapp über 14.000 eher wie Bremen denn Bayern München. Diese Turbulenzen und die Ungewissheit, wie das Spiel an der Börse wohl ausgehen wird, machen die Kurse aber attraktiver als zuvor.
Anleger sollten mehr Bremen oder Lautern riskieren, statt mit Indizes oder Aktien im Bayern-Modus auf Nummer Sicher zu gehen. Das tut weh, aber Börsengewinne sind und bleiben Schmerzensgeld. Erst kommen die Schmerzen, dann das Geld. Diese Weisheit ist so alt wie wahr an der Börse. Und wer in Krisenzeiten mutig einkauft, hat eben weitaus mehr Aufwärtspotenzial für die kommenden Jahre.