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Geldanlage Was man bei Marktlaunen beachten sollte

Die Stimmung an den Börsen wird wegen Krisen und Fehden immer schlechter. Zu Recht?
Autobahnbaustelle in NRW
Autobahnbaustelle in NRW
© Getty Images

Würde der Mensch die Welt in allen ihren Einzelheiten wahrnehmen, er würde gewiss verrückt werden. Oder zumindest völlig orientierungslos. Denn das Leben ist viel zu komplex und wird auch ständig unübersichtlicher: Amerika, das ehemalige Land der Freiheit schottet sich zunehmend ab – auf allerlei Ebenen. In Korea droht Krieg. In Frankreich eine Wahl mit ungewissem Ausgang. In England entscheidet das Volk bald neu über seine Regierung und vielleicht doch noch einmal über den Brexit. Europas Zerfall wäre vielleicht noch aufzuhalten, oder auch nicht, wer weiß. Kurzum: Irgendwie ist die Welt derzeit voller Unwägbarkeiten und Überraschungen und niemand weiß, welches die nächste sein wird. Genau deshalb verfügt der Mensch über einen psychologischen Mechanismus, der ihm das Verständnis der Welt dennoch ganz einfach macht: Er beherrscht die selektive Wahrnehmung.

Sie bewirkt, dass wir uns in Zeiten, in denen die Informationen nur noch so auf uns hineinprasseln, auf wenige Dinge konzentrieren, die wir für aussagekräftig halten – und in denen wir Muster erkennen. Daraus leiten wir dann unsere Weltsicht ab. Auf den jetzigen Augenblick übersetzt heißt das: Wir nehmen all diese Ereignisse vor allem als eines wahr, als Bedrohung der Stabilität und des derzeitigen Weltgefüges. Und als etwas, dessen Ausgang wir nicht einschätzen können. Das schürt natürlich die Unsicherheit, deshalb warten wir erst einmal ängstlich ab. Das mag pessimistisch klingen und das ist es auch. Vor allem aber kennzeichnet es sehr gut die Situation an den Börsen. Da geht nämlich seit einer Weile nichts mehr voran. Die Pessimisten haben die Oberhand gewonnen.

Der Dow-Jones-Index befindet sich auf Talfahrt und hat innerhalb einer Woche rund 100 Punkte abgegeben, auf Ein-Monatssicht sind es sogar gut 300 Punkte. Das ist ein Minus von zwei Prozent. Auch der Dax taucht von Tag zu Tag ein Stückchen ab und verlor im vergangenen Monat in der Spitze gut 350 Punkte, von 12.365 auf gut 12.000 Punkte, bevor der Ausgang der Frankreich-Wahl für einen Umschwung sorgte. Der EuroStoxx gab ebenfalls rund ein Prozent nach, in Asien lief es nicht besser: Der chinesische Hang-Seng-Index büßte eineinhalb Prozent ein, der japanische Nikkei sogar satte 5,5 Prozent. Er ist damit auf einem Mehrmonatstief angelangt. Grund für die Flucht von Japans Börse sind vor allem die Spannungen zwischen den Nachbarländern Nord- und Südkorea, die sich immer mehr zur Krisenregion entwickeln, zumal die Regierung Nordkoreas nun vernehmlich mit dem Einsatz von Nuklearwaffen droht. Verständlich, dass da wahrlich kein Optimismus bei den übrigen Beteiligten aufkommen will.

Keine große Flucht aus den Märkten

Die Stimmung unter den Anlegern hat sich derzeit merklich eingetrübt und ist mehrheitlich zurückhaltend bis schlecht: Die Pessimistenquote unter den Börsianern liegt aktuell bei rund 70 Prozent. Der Euwax-Sentiment-Index, der angibt, wie viele Privatanleger zurzeit positiv auf die Märkte setzen, steht bei minus 24, das ist schon beachtlich tief. Der Dax-Stimmungsindex hatte sich zuletzt gerade erst über die Nullschwelle gehievt, aber auch er ist wieder merklich abgesackt. Die Volatilitätsindizes steigen dafür merklich und sie sind vor allem eines, mahnen Marktexperten: ein Zeichen für Angst. Verheißt das alles nun nichts Gutes? Oder kommt gar die Trendwende, vor der Auguren seit geraumer Zeit warnen?

Das muss beileibe nicht so sein, beruhigen Marktbeobachter und Ökonomen. Eine große Flucht aus den Märkten erkennen sie nicht – vor allem nicht bei den professionellen Investoren. Viele nähmen jetzt ein paar Gewinne mit, die ihnen die vergangenen Monate beschert haben, um dann an der Seitenlinie auf neue Einstiegssignale zu warten. Die Anlagebereitschaft sei nach wie vor zu spüren, so lautet die gute Nachricht. Die gesamtwirtschaftlichen Daten sind ohnehin nach wie vor gut: Weiteres Wachstum und gute Gewinne vermelden zurzeit viele Unternehmen, führende Wirtschaftsforschungsinstitute sowie die Weltbank sagen außerdem: So gehe es auch weiter in der nächsten Zeit.

Anleger nehmen nur das Schlechte wahr

Verhaltensökonomen bringen es daher auf diesen Punkt: Selektive Wahrnehmung kann hilfreich sein – solange man sich nicht auf die falschen Muster konzentriert und das Wesentliche dabei übersieht. Die Anleger konzentrierten sich zurzeit auf die schlechten Nachrichten. Sie übersehen aber, welche Fortschritte die Märkte und viele Firmen tatsächlich machen. Der japanische Aktienmarkt ist dafür ein sehr gutes Beispiel: Er gab innerhalb eines Monats um gut 5,5 Prozent nach – und schon ist in vielen Köpfen die lang gehegte Vorstellung vom schwächelnden Japan und seinem anhaltenden Kampf gegen die Deflation wieder präsent. Von den großen Industrienationen lief der japanische Aktienmarkt seit Jahresbeginn am schlechtesten. Dass er davor auf Dreijahressicht 27 Prozent zulegte, auf fünf Jahre sogar satte 92 Prozent, das vergessen darüber die meisten.

Große Fondsgesellschaften finden deshalb: Japans Aktien seien derzeit überverkauft und unterbewertet – und böten gerade deshalb eine gute Einstiegsgelegenheit. Entweder in Form eines Indexfonds auf den Nikkei, oder auch mit aktiv gemanagten Papieren. Fonds, die sich in den vergangenen Jahren auf den japanischen Markt konzentrierten und darin nach aussichtsreichen Unternehmen Ausschau hielten wie der GAM Star Japan Equity, schafften immerhin auf 25-Jahressicht eine Rendite von knapp fünf Prozent – pro Jahr. So war eine Gesamtrendite von 235 Prozent für die Anleger drin, ausgerechnet mit Japanaktien.

Fragt man die Fondsmanager, wie sie das geschafft haben, so sagen sie: Indem sie Papiere von wachstumsstarken Firmen kauften. Das seien vornehmlich die, die sich auf dem Weltmarkt einen größeren Platz erkämpften und mit ihm wuchsen. Nun haben viele japanische Unternehmen in den vergangenen 20 Jahren ihre Auslandsumsätze stark ausgeweitet von 10 Prozent im Schnitt auf rund 40 Prozent. Die ausgewählten Unternehmen des Japanfonds jedoch brachten es sogar auf rund 80 Prozent Auslandsumsatz – und dadurch auf die hohen Renditen, die den japanischen Leitindex Topix (mit immerhin 1600 Unternehmen) um gut das Doppelte überflügelten. Je internationaler die Firmen wirtschafteten, desto mehr Wachstum brachte ihnen das also ein. An dieser Stelle sei ein herzlicher Gruß an den amerikanischen Präsidenten gerichtet, der mit seiner America-First-Politik genau am gegenteiligen Konzept arbeitet.

Es gibt auch gute Nachrichten

Wer weitere gute Nachrichten braucht, um an der Börse wieder aktiv zu werden oder investiert zu bleiben, für den taugt vielleicht diese Prognose hier: Aus den derzeitigen Daten sowie den Fakten der Vergangenheit hat die Anlagegesellschaft Schroders mögliche Renditen ermittelt, die verschiedene Anlageformen in Zukunft einbringen werden. Und zwar haben die Analysten das mutig auf 30 Jahre hochgerechnet, also bis zum Jahr 2047. Nun kann man natürlich darüber streiten, wie aussagekräftig solche Langzeitprognosen sind – und ob man nicht mit einer Glaskugel zu ähnlich soliden Ergebnisse käme.

Die Grundaussagen jedenfalls sind gar nicht so aus der Luft gegriffen, sondern eher eine Fortschreibung dessen, was die Vergangenheit bereits gebracht hat: Staatsanleihen sollten Anleger demnach wegen ihrer anhaltend mauen Renditen um ein Prozent eher meiden. Unternehmensanleihen rentierten im Schnitt nur einen Prozentpunkt höher. Aktien aber seien die großen Gewinner, vor allem kleinere und mittlere Unternehmen seien interessant. Für US-Papiere setzen die Fondsanalysten eine Langfristrendite von rund 4,4 Prozent an. Für die großen europäischen Indizes im Schnitt 4,6 Prozent und für japanische Aktien immerhin 3,8 Prozent. Fast das Doppelte könnten die Schwellenländer einbringen, nämlich rund 9 Prozent. Wobei hier allerdings Währungsschwankungen nicht eingerechnet sind.

Es gibt also auch gute Nachrichten, die man dieser Tage genauso aufnehmen kann. Man kann die Welt daher als großes, komplexes System wahrnehmen, das einem Angst bereitet – und sich raushalten. Man kann Selektion aber genauso gut in die andere Richtung betreiben und die positiven Zahlen herausgreifen. Und einfach daran glauben, dass es trotz aller Krisen und Unwägbarkeiten doch mit dem Weltwachstum weitergeht.

Geldanlage: Was man bei Marktlaunen beachten sollte

Nadine Oberhuber ist Wirtschafts- und Finanzjournalistin. Sie schreibt auf Capital.de über Geldanlagethemen

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