Christian Kirchner ist Frankfurt-Korrespondent von Capital. Er schreibt an dieser Stelle regelmäßig über Geldanlagethemen
Was verdienen Vermieter in Deutschland wirklich mit ihren Wohnungen? Dieser Frage ist das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer Studie nachgegangen, die es in dieser Woche in fast alle großen Medien geschafft hat. „Drei Millionen Vermieter verdienen nichts“ schrieb Spiegel Online, „Jeder dritte Vermieter macht mit Immobilie Verlust“ die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, Dutzende andere übernahmen eine Agenturmeldung, laut der sich „Immobilien sich für Privatanleger in Deutschland einer Studie zufolge oft nicht lohnen.“
Nun mögen sich diese Zahlen mit der Vermutung decken, wonach dieses Land regelrecht überquillt von Mietern, die ihre Zahlungen schuldig bleiben, Wohnraum ruinieren und von Stadt zu Stadt vagabundieren. Um zu erfahren, wie hoch die Renditen von Vermietern in Deutschland tatsächlich sind, ist aber ein Blick in die Studie hilfreich – und nicht nur in die dazugehörige und nachgedruckte Pressemitteilung des Auftraggebers der Studie, die einen winzigen Ausschnitt des Datenmaterials präsentiert. Denn tatsächlich waren die Renditen konkurrenzfähig.
Der Reihe nach: In seiner Studie stützt sich das DIW auf zwei repräsentative Befragungen, in denen Menschen nach ihren privaten, beruflichen und wirtschaftlichen Verhältnissen befragt werden: Dem so genannten sozioökonomischen Panel (SOEP) des DIW selbst aus den Jahren 2002, 2007 und 2012 sowie der Studie Private Haushalte und ihre Finanzen (PHF) der Bundesbank aus den Jahren 2010/2011.
Nettorendite ist aussagekräftiger
Zudem unterscheidet die DIW-Studie – in der Eigennutzung völlig außen vor ist - zwischen den Bruttorenditen von vermietetem Wohnraum und den Nettorenditen: In der Bruttobetrachtung werden von den Einnahmen lediglich die Betriebs- und Instandhaltungskosten abgezogen und dieser Bruttoertrag ins Verhältnis gesetzt zum Vermögenswert vor Abzug von Schulden.
In der Nettobetrachtung werden die Betriebs- und Instandhaltungskosten und darüber hinaus die Zins- und Tilgungsleistungen von den Einnahmen abgezogen und diese wiederum ins Verhältnis gesetzt auf das Nettovermögen nach Abzug von Schulden.
Natürlich ist die Nettorendite die weit aussagekräftigere Kennziffer, liefert sie doch eine genaue Betrachtung, was mit dem Kapital passiert inklusive Zins, Tilgung und Nettoimmobilienvermögen, kurz: den Ertrags- und Anlageerfolg, um dessen Messung es auch im Vergleich zu anderen Anlagen letztlich geht. Eingeflossen in Pressemitteilung und Berichterstattung sind aber größtenteils die Bruttorenditen.
Betrachten wir dennoch die ausgewiesenen Bruttorenditen für das Jahr 2012 aus dem sozioökonomischen Panel des DIW. Denn auf diesen Zahlen fußt die These, ein Drittel erziele keine oder negative Renditen.
Null-Prozent-Rendite - merkwürdiger Wert
Demnach erzielten Vermieter 2012 eine durchschnittliche Bruttorendite von 1,67 Prozent. Der Wert ist der Median, der die Renditen darüber und darunter in gleich große Hälften teilt, also nicht von Extremwerten verzerrt. Im Einzelnen erzielten demnach
Unter 0 Prozent |
8,5 Prozent aller Vermieter |
0,0 Prozent: |
24,6 Prozent aller Vermieter |
0,0 bis 1,0 Prozent: |
7,8 Prozent aller Vermieter |
1,0 bis 2,0 Prozent: |
12,9 Prozent aller Vermieter |
2,0 bis 3,0 Prozent: |
9,3 Prozent aller Vermieter |
3,0 bis 4,0 Prozent: |
11,9 Prozent aller Vermieter |
4,0 bis 5,0 Prozent: |
3,9 Prozent aller Vermieter |
5,0 bis 6,0 Prozent: |
4,2 Prozent aller Vermieter |
6,0 bis 8,0 Prozent: |
12,0 Prozent aller Vermieter |
8 Prozent und mehr: |
4,8 Prozent aller Vermieter |
Dieser Teil der Studie floss in die Pressemitteilung ein und gründete die These, ein Drittel verdiene nichts mit der Immobilie oder mache gar Verluste. Allerdings ist eines auffällig: 24,6 Prozent der Befragten gaben an, sie würden mit ihrer Immobilie 0,0 Prozent erwirtschaften: Gewichtet man alle Befragten unabhängig von ihrem Vermögen gleich, ergab sich bei 35,6 Prozent der Befragten eine Null-Prozent-Rendite. Und zwar von jeweils exakt 0,0 Prozent, und nicht etwa minus 0,1 oder plus 0,1 Prozent.
Das ist ein mehr als merkwürdiger Wert, der natürlich den Durchschnitt dramatisch nach unten zieht. Eine denkbare, aber reichlich unwissenschaftliche Erklärung: Selbstnutzer tendieren dazu, sich reich zu rechnen, Vermieter indes, um die es ja hier ausschließlich geht, tendieren aus gesellschaftlichen wie auch steuerlichen Gründen häufig dazu, sich arm zu rechnen. Denn laut der Studie ist auch – dem laut anderen Daten dokumentierten bundesweiten Anstieg der Immobilienpreise zum Trotz – der Wert des vermieteten und sonstigen Immobilienvermögens im Jahr 2012 im Vergleich zu 2007 zurückgegangen.
Nicht viel, aber auch keine Katastrophe
Auch den Autoren der Studie kommt die Häufung der Null-Prozent-Renditen seltsam vor. Sie vermuten Zuordnungsprobleme der Einkünfte und geben darüber hinaus an, auch der hohe Leerstand bei vermieteten Immobilien führe zu Einkünften bzw. Renditen von Null – und verweisen auf eine Studie des Bundesministeriums für Verkehr, Städtebau und Verkehrsentwicklung aus dem Jahr 2007. Doch liest man in der Studie nach, betrug der Leerstand bei vermietbarem Wohnraum seinerzeit auch lediglich 6,8 Prozent deutschlandweit, das erklärt die vielen „Nullprozenter“ also nur zu einem geringen Teil.
Nun haben die Forscher daher die Bruttorenditen unter Ausklammerung dieser Null-Prozenter errechnet – und schon beträgt die Bruttorendite für 2012 durchschnittlich 2,9 Prozent pro Jahr. Die entsprechende Nettorendite liegt für 2012 bei durchschnittlich 2,1 Prozent pro Jahr – nicht viel, zugegeben, aber auch keine Katastrophe. Immerhin ein gutes Fünftel macht dann netto Verluste.
Die DIW-Forscher stützen sich aber nicht nur auf das eigene Panel, sondern haben auch einen Blick in die Daten der Bundesbank geworfen, die ebenfalls regelmäßig, zuletzt 2010/2011, private Haushalte nach ihren Finanzen befragt. Auf Basis der Bundesbank-Daten lässt sich verlässlich lediglich die Nettorendite ermitteln – doch dies ist ja ohnehin die aussagekräftigere Ziffer als die Bruttorendite.
Demnach betrug die Nettorendite von Vermietern zuletzt 3,7 Prozent – und zwar einschließlich aller Fälle auch mit einer Rendite von null Prozent. Gerade mal ein Zehntel der Vermieter verdient laut Bundesbank-Daten nichts mit Immobilien. Errechnet man das nicht um Extremwerte bereinigte arithmetische Mittel, beträgt die Durchschnittsrendite gar 4,3 Prozent.
Aus der Studie kann man herauslesen, was man will
Dabei sind diese Durchschnittswerte vermögensgewichtet, das heißt: Hat eine Einzelperson 2 Mio. Euro in Immobilien investiert, geht sie entsprechend höher in die Gewichtung ein als jemand, der lediglich 100.000 Euro in vermietete Immobilien investiert hat.
Gewichtet man hingegen die Durchschnittsbildung individuell – also geht ein Multimillionär mit vielen Zinshäusern mit dem gleichen Gewicht ein wie der Vermieter eines Einzimmerapartments – errechnet die Bundesbank gar eine Nettorendite von 4,9 Prozent (Median) bzw. 6,2 Prozent (arithmetisches Mittel).
Von diesen Erkenntnissen der Forscher ist in der Pressemitteilung zur Studie des Auftraggebers nichts zu lesen – das verwundert nicht, schließlich handelt es sich dabei um eine Immobilienanlagegesellschaft, deren Geschäftszweck es ist, mit dem Geld von Privatanlegern gebündelt Immobilien zu erwerben. Zweck der Mitteilung war es offenbar, den Privatanlegern die Risiken und mangelnde Rentabilität ihrer vermieteten Immobilien nachzuweisen. Derzeit läuft übrigens auch eine Kapitalerhöhung der Gesellschaft.
Natürlich ist die Studie des DIW letztlich auch nur eine Näherung. Unterstellt man indes – wie übrigens auch die Forscher selbst in ihren Schlussfolgerungen – dass sich die tatsächlich erzielten Nettorenditen der Vermieter irgendwo auf halber Strecke zwischen den Daten des SOEP-Panels von netto rund zwei Prozent und der Bundesbank-Daten mit netto rund vier Prozent bewegen, müssen vorerst die wenigsten Vermieter einen Termin bei ihrer örtlichen Sozialbehörde vereinbaren, wie die Dramatik der ausschnittsweise publizierten Erkenntnisse nahe legt. Das gilt umso mehr in Zeiten, in denen der risikolose Zins bei gerade einmal noch nominal einem Prozent liegt. Aus der Studie kann man schlicht herauslesen, was man will - man muss sich nur auf jenen Teil der Zahlen stützen, der zu eigenen These passt.