Sie sind der VIP-Bereich der Investmentwelt, zu dem vor allem sehr reiche Profi-Anleger Zutritt haben: sogenannte Privatmärkte. Dabei geht es um Direkt-Investments abseits des Börsenparketts, Bereiche wie Private Equity, Private Debt und Infrastruktur gehören dazu, aber auch immaterielle Vermögenswerte wie Bildung, Forschung und Entwicklung. Die Beteiligungen ermöglichen hohe Renditen, setzen aber oft sechsstellige Mindestanlagen voraus.
Eine Möglichkeit, auch als weniger betuchter Anleger einen Fuß in die Welt der Profi-Privatmarkt-Strategien zu bekommen, bieten European Long-Term Investment Funds, kurz ELTIFs. Auf Deutsch übersetzt heißen sie so viel wie: europäische Langfristfonds. Die Fondskategorie wurde erst 2015 von der EU initiiert mit dem Ziel, zukunftsträchtige Projekte der Realwirtschaft zu finanzieren – vor allem in den Bereichen Infrastruktur und Energie. Auch die Finanzierung sozialer Gebäude wie Schulen, Krankenhäuser, Pflegeheimen und Gefängnissen sowie Investments in andere Sachwerte stehen bei ELTIF-Produkten im Fokus.
ELTIFs als alternative Investmentsfonds
Investitionen in einen ELTIF sind ab 10.000 Euro möglich, investierte Gelder bleiben allerdings lange gebunden. „ELTIFs bieten einen Einstieg in eine attraktive Assetklasse, die etlichen interessierten Investoren andernfalls nicht zugänglich wäre. Sie sind sinnvoll, um das Portfolio zu diversifizieren“, sagt Markus Pimpl, Managing Director Client Solutions und Co-Head Europa im Bereich Private Wealth bei der Partners Group in Zug (Schweiz). Anbieter sind unter anderem Amundi, Azimut, BlackRock, Commerz Real, GeneraliInvestments, Eurazeo, Muzinich, Neuberger Berman und die Partners Group.
ELTIFs werden als alternative Investmentfonds (AIF) aufgelegt – einem Rechtsmantel für Sachwerteinvestments. Damit sind sie rechtlich gesehen ein Wertpapier mit einer ISIN-Nummer und unterliegen bestimmten regulatorischen Vorgaben, die von den nationalen Aufsichtsbehörden innerhalb der EU überwacht werden und Anlegern einen gewissen Schutz bieten. So müssen die Produkte mindestens 70 Prozent ihrer Investments in illiquide Anlagen tätigen und mindestens zehn unterschiedliche Beteiligungen halten.
Dachfonds-Konstrukte sind bisher untersagt – was sich allerdings bald ändern wird. Denn zum 10. Januar 2024 trat eine Reform in Kraft, im Zuge derer einige der bis dato geltenden Restriktionen und Auflagen entfallen. Dadurch soll die Nachfrage nach ELTIFs angekurbelt werden – genauso wie das Produktangebot, das hierzulande recht überschaubar ist. So gab es im Jahr 2021 EU-weit erst 54 zugelassene ELTIFs. Ende 2022 waren es 77, aktuell sind rund 100 Angebote auf dem Markt.
Reform: gut für Banken, schlecht für Privatanleger
Mit der Reform fällt auch die vorgeschriebene Mindestinvestition von 10.000 Euro für Anleger, ebenso wie die bis dato geltende Auflage, dass bis zu einem Nettovermögen von einer halben Million Euro höchstens zehn Prozent in ELTIFs investiert werden dürfen. Auch das Anlage-Universum wird größer: Die Anbieter dürfen in Zukunft bis zu 45 Prozent ihrer Assets in liquide Anlagen investieren statt wie bisher maximal 30 Prozent. Aus Vertriebssicht ist all das positiv, denn die Änderungen führen auch dazu, dass für ELTIFs im Verkauf bald ganz ähnliche Regeln gelten wie für gewöhnliche Publikumsfonds.
All das dürfte den Vertrieb für Banken und andere Finanzdienstleister erleichtern und die Produktgruppe auch für Fondsgesellschaften interessanter machen. Allerdings wird parallel dazu der Anlegerschutz verwässert, weil künftig eben auch Dachfonds-Konstrukte erlaubt sind, was die Tür für höhere Gebühren öffnet und diese insgesamt intransparenter macht.
Sofern ELTIFs auch künftig seriös als Privatmarkt-Vehikel umgesetzt werden, besteht Pimpl zufolge kein Zweifel an ihrem Mehrwert – und auch nicht an den Erfolgsaussichten für die neue Anlageklasse: „Die Nachfrage ist theoretisch da“, sagt der Experte. Eine Studie, die das Analysehaus Scope im März 2023 publizierte, bestätigt den Aufwärtstrend: Darin bescheinigen die Experten dem europäischen Markt für ELTIFs im mittleren Szenario ein Volumen von bis zu 35 Mrd. Euro jährlich bis zum Jahr 2028. Beim sogenannten dynamischen Szenario könnten es sogar 50 Mrd. Euro sein. Das ist ein klares Plus auf den aktuellen Status Quo von rund zwölf Mrd. Euro. Im Jahr 2021 lagen die investierten Gelder bei nicht einmal acht Mrd. Euro.
In den vergangenen Monaten sind bereits einige neue Anbieter und Produkte auf den Markt gekommen, darunter Offerten von Neuberger Berman, BlackRock Schroders Capital und Aquila Capital. Etliche ELTIF-Novizen befinden sich in der Pipeline oder sind für die nähere Zukunft geplant. So bietet seit Kurzem unter anderem Union Investment einen Infrastruktur-ELTIF an. Auch der digitale Investmentberater Moonfare trommelt für die Fondsprodukte.
Rückenwind für Immobilien-Beteiligungen
Immobilieninvestments dürften nach der Reform ebenfalls beflügelt werden, vermutet der Zentrale Immobilien Ausschluss (ZIA) in Berlin. Das liegt zum einen daran, dass die Bandbreite der möglichen Sachinvestments steigt. ELTIFs dürfen künftig in ein größeres Immobilienuniversum investieren und breiter streuen als zuvor. Zum anderen dürfen sie im Zuge der Reform mehr Fremdkapital aufnehmen, was sie auf der Investmentseite flexibler macht. Statt 30 Prozent sind dann bis zu 50 Prozent Kreditaufnahme erlaubt.
Die anstehenden Änderungen machen ELTIFs zu ernsthaften Konkurrenten Offener Immobilienfonds, die in einigen Punkten striktere Auflagen haben. So dürfen sie tendenziell in weniger Assets investieren, da sie auf den Anlagekatalog des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) beschränkt sind. Und sie dürfen auch nur maximal 40 Prozent Fremdkapital einsetzen. Zudem besitzen sie – anders als ELTIFs – keinen EU-Pass, der einen einfachen grenzüberschreitenden Vertrieb ermöglicht. Stattdessen muss die Zulassung Offener Immobilienfonds für den Vertrieb an Privatanleger in jedem Land individuell beantragt werden.
Auf der anderen Seite punkten offene Immobilienfonds mit besseren Rücknahmeregelungen für Anlager. Anbieter der ELTIFs sind nicht verpflichtet, vor Ende der Laufzeit Gelder zurückzugeben. Die Rückgabe von Anteilsscheinen bei offenen Immobilien-Publikumsfonds ist dagegen im Regelfall nach einer Mindesthaltdauer von zwei Jahren möglich, sofern der Fonds ausreichend liquide ist. Ist das nicht der Fall, muss der Fonds im Worst-Case-Szenario sogar abgewickelt werden, um Zahlungen an Anleger zu leisten.
Fazit: höhere Risiken, höhere Erträge
Die neuen ELTIFs bieten Privatanlegern die Möglichkeit, auch mit geringen Anlagesummen in nicht börsennotierte Unternehmen zu investieren, die den größten Teil der Realwirtschaft ausmachen und oft attraktive Renditen versprechen. Zudem erleichtern sie das sogenannte Impact Investing, weil eingenommene Gelder direkt in entsprechende Bereiche investiert werden können, also in Nachhaltigkeit, Energiewende oder Innovationen. Das ist auch mit Blick auf die Immobilien-Branche ein wichtiger Punkt: Hier spielt die Energiewende eine entscheidende Rolle, weil Gebäude für einen Großteil der CO2-Emissionen verantwortlich sind.
Allerdings gehen ELTIF-Investments auch mit erhöhten Risiken einher, weil Informationen weniger gut zugänglich und verfügbar sind und einmal investiertes Kapital zudem langfristig gebunden ist – im Schnitt zwischen acht und zehn Jahren. Ein frühzeitiger Ausstieg ist oft allenfalls über Zweitmärkte mit Abschlägen möglich, da die Anbieter nicht zur Rücknahme verpflichtet sind und ELTIFs nicht an klassischen Börsenplätzen gehandelt werden.