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Geldanlage Die ausländischen Zinswunder

Es gibt noch – zumeist ausländische – Banken, die zwei Prozent Zinsen auf Sparkonten zahlen. Kann man ihnen trauen? Von Nadine Oberhuber
Die Deutschen sparen lieber, als ihr Geld in Aktien anzulegen
Die Deutschen sparen lieber, als ihr Geld in Aktien anzulegen

Nadine Oberhuber ist Wirtschafts- und Finanzjournalistin. Sie schreibt auf Capital.de über Geldanlagethemen

Oft kommt es einem ja nur so vor, als sei das Gras auf der anderen Seite des Zaunes viel grüner. Manchmal ist es das aber wirklich und es sprießt viel kräftiger als im eigenen Garten. Bei den Zinsanlagen ist das derzeit so. Während sich deutsche Sparer bei heimischen Banken mit mickrigen Zinsen für Spareinlagen begnügen müssen, die inzwischen mit gerade einmal 0,5 Prozent im Schnitt fürs Tages- und Festgeld geradezu verkümmern, schießen die Zinsen jenseits des deutschen Grenzzaunes noch regelrecht ins Kraut.

In fast allen europäischen Nachbarländern wird Kunden im Vergleich viel mehr gezahlt als bei uns: 1,34 Prozent können Sparer im Schnitt in Italien erwarten, wenn sie für ein Jahr Geld festlegen. 1,66 Prozent in Frankreich und sogar 1,86 Prozent in den Niederlanden. In Bulgarien sollen es sogar 2,1 Prozent sein, sagen die Zahlen der Europäischen Zentralbank. Schreit das nicht geradezu alles danach, das Tages- oder Festgeld bei einer ausländischen Bank zu parken?

Zumal Bankeinlagen immer noch die gefragteste Form der Geldanlage bei den Bundesbürgern sind – daran ändert es auch nichts, dass inzwischen etliche heimische Volksbanken und Sparkassen so gut wie überhaupt keine Zinsen mehr darauf zahlen. Vier von fünf Bundesbürgern haben ein Sparkonto und darauf horten sie unverdrossen insgesamt Billionen. Trotz viel guten Zuredens, dass sich mit anderen Anlageformen wie Aktien und Fonds das Geld viel rentierlicher anlegen lässt. Doch es sind vor allem die beiden Kriterien Sicherheit und Verfügbarkeit, die bei den Sparern ganz hoch im Kurs stehen. Das sagen zumindest mehr als neun von zehn Befragten in repräsentativen Umfragen selbst, weswegen sie einen Großteil des Geldes lieber auf Tages- und Festgeldkonten parken, als es an der Börse ordentlich für sich arbeiten zu lassen.

Risikoaufschlag für höhere Zinsen

Dabei allerdings geben sich die meisten Sparer große Mühe. Sie wollen wenigstens den höchsten Zinssatz unter all den niedrigen Zinssätzen abgreifen und suchen deshalb beständig das beste Angebot. Oft genug scheint das von ausländischen Banken zu kommen. Sie führen seit Jahren die Zinsstatistiken an. Doch wieso können ausgerechnet sie sich noch leisten, was deutsche Banken schon lange nicht mehr vermögen? Nämlich den Anlegern eine Rendite aufs Ersparte zu zahlen, die bei 1,6 bis über 2 Prozent liegt, obwohl der Zentralbank-Zinssatz mit 0,05 Prozent nur noch ganz knapp oberhalb der Grasnarbe notiert? Kann man solchen Angeboten überhaupt trauen oder ist dabei ein Reinfall zu befürchten, wie ihn die Anleger zuletzt bei der isländischen Hochzinsbank Kaupthing erleben mussten?

Generell lässt sich schon sagen, dass die Zinshöhe das jeweilige Risiko abbildet, das ein Sparer mit seiner Anlage eingeht. Wenn also gerade türkische, russische oder baltische Banken hierzulande mit hohen Tages- und Festgeldzinsen um zwei Prozent neue Spareinlagen anwerben, dann dürfen Sparer das getrost als Risikoaufschlag verstehen, den sie dafür gezahlt bekommen, dass sie in verhältnismäßig weniger stabilen Finanzmärkten anlegen. Oder bei vergleichsweise kleinen und jungen Banken, die oft viel weniger transparent ihre Zahlen offenlegen als heimische Institute es tun. Die Banken beschaffen sich auf diesem Weg dringend benötigtes Kapital, mit dem sie auf der Gegenseite margenstärkere Kreditgeschäfte refinanzieren.

Es gilt erhöhte Vorsicht, wenn es ausländische Direktbanken sind, die derart um Einlagen buhlen und die keine Niederlassung in Deutschland haben oder zumindest in einem europäischen Land. Denn dann greift keine deutsche Einlagensicherung (die in den meisten Fällen fast unbegrenzten Kapitalerhalt zusichert), eventuell nicht einmal die europäische Sicherung, die jedem Anleger - über Staatsgarantien - zumindest den Erhalt von 100.000 Euro zusagt. Freilich sind Banken, die nicht einmal unter die europäische Einlagensicherung fallen, die große Ausnahme am hiesigen Markt. Denn viele der Institute, die hierzulande regelmäßig in den Zinsstatistiken vorne liegen wie die russische VTB oder Sberbank oder die ehemals türkische Denizbank, die inzwischen zur Sberbank gehört, sind zwar Tochtergesellschaften nicht-europäischer Bankkonzerne, dennoch sind sie in der Regel in einem EU-Land angemeldet. Die drei Letztgenannten etwa in Österreich, somit unterliegen sie der österreichischen Einlagensicherung.

Niederländer buhlen um deutsche Kunden

Doch ein Freibrief zum unbedenklichen Anlegen sollte das nicht sein. Denn mal ganz abgesehen davon, dass es in der täglichen Praxis umständlich sein kann, sein Geld bei einem Auslandsinstitut zu parken, weil das Geld immer erst zwischen einem Konto im Ausland und einem Referenzkonto in Deutschland hin und her transferiert werden muss – was üblicherweise dauert. Der viel wichtigere Punkt aber ist: Ein Risiko für Anleger besteht bei solchen Banken durchaus. Denn nur, weil sie auch in der EU gemeldet sind, sollte man nicht ihre Herkunft verleugnen. Bei russischen Mutterkonzernen etwa ist Vorsicht angebracht, weil die politische Lage zwischen Russland, der Ukraine und der EU Verwerfungen auslösen könnte. Von den bereits verhängten EU-Sanktionen gegen russische Finanzkonzerne wurden die europäischen Banktöchter zwar ausdrücklich ausgenommen, doch bleibt das auch so? Und könnten nicht die Muttergesellschaften dennoch in Schwierigkeiten geraten, die sich auch auf die europäischen Töchter auswirken würden? Natürlich ist das denkbar. Und trotz aller Einlagensicherung: Für Anleger war es im Ernstfall bisher stets mühsam und langwierig, das Geld zurückzubekommen, wenn eine Bank dem Wettbewerb nicht standhielt.

Vordere Plätze in der Zinsstatistik belegen aber auch immer wieder die niederländischen Banken, die nur unwesentlich hinter den Topzinszahlern aus dem Osten rangieren: Mit Festgeldzinsen von immerhin 1,8 Prozent für 36 Monate buhlen sie derzeit ebenfalls um Kunden. Die Rabobank zahlte vor nicht allzu langer Zeit sogar noch 2,4 Prozent. Sind das auch Risikoaufschläge? Das sind eher Kampfzinsen. Zumindest gilt der niederländische Bankenmarkt als stabil. Den Stresstest der EZB überstanden zuletzt alle niederländischen Banken gut. Dass viele holländische Institute dennoch hierzulande seit Jahren mit Kampfkonditionen bei Tages- und Festgeld antreten und ihren Anlegern neuerdings nicht nur ein Säckchen Tulpen als Dankeschön überreichen, sondern auch hohen Zinsen, das liegt weniger daran, dass die Konzerne sich dringend benötigte Liquidität zu beschaffen versuchen, sondern dass sie auch hierzulande den Bankenmarkt kräftig mit beackern wollen.

Denn es sind oft ebenso alte wie große Unternehmen wie ABN Amro, die genossenschaftliche Rabobank, ING Diba oder NIBC, die in ihrer Heimat schon das Kundenpotenzial ausgeschöpft haben. Von dort ist kein großes Wachstum bei Kunden und Einlagen mehr zu erwarten. Hierzulande schon, denn der deutsche Sparmarkt ist der größte Europas und deutsche Kunden gelten als wenig treu, was ihre Verbindung zu Banken betrifft, insbesondere zu denen, bei denen sie kurzfristig ihr Tages- und Festgeld parken. In ihrer Heimat müssen holländische Banken den Sparern jedenfalls noch höhere Zinssätze anbieten, um sie zum Kontowechsel zu bewegen. Auf dem umkämpften Bankenmarkt hierzulande reichen ein paar Prozent weniger, da gehören sie schon mit 1,5 bis 1,8 Prozent Zinsen zu den Top-Anbietern. Die Banken finden: Das Gras ist bei uns viel grüner aus als bei ihnen daheim. Deshalb lassen sie die Zinsen so ordentlich sprießen.

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