Ist es nicht frustrierend in europäische Aktien zu investieren, wenn die US-Kollegen immer besser abschneiden, einfach weil ihr Markt seit Jahren viel besser läuft?
FRANCIS ELLISON: Ja, das ist teilweise enttäuschend, aber ich bin Optimist. Das war ich zwar auch in den vergangenen zwei, drei Jahren – und lag nicht richtig wegen der Dominanz der Magnificent 7-Aktien. Die wird aber wahrscheinlich langsam verschwinden, dann wird der Markt gesünder und mehr diversifiziert sein. Das bietet Chancen, denn Europa ist viel günstiger bewertet als die USA.
Nun hat Europa aber so seine eigenen Probleme.
Natürlich hat es die, denken sie an die politische Lage in Frankreich. Aber sie werden vom Markt etwas übertrieben und haben nur begrenzte Auswirkungen auf börsennotierte Unternehmen.
Gilt das auch für die Nervosität vor der Bundestagswahl bei uns in Deutschland?
Wir haben im vergangenen Jahr bei uns im Vereinigten Königreich erstmals seit langer Zeit wieder Sozialisten an die Regierung gewählt. Was hat das am Aktienmarkt zur Folge gehabt? Es gab kaum nennenswerte Folgen. Genauso dürfte es die Börse kaum beeinflussen, was für eine Lösung sie bei der Wahl in Deutschland finden.
Was treibt den Markt dann an?
Präsident Donald Trump. Die amerikanische Politik ist momentan sehr wichtig für die Kapitalmärkte. Ich höre eigentlich von jedem Investor, dass Amerika stark ist. Aber Europa ist auch voll mit guten und schlechten Unternehmen, wir müssen eben die guten für unsere Kunden finden.
Sollte es zu US-Zöllen gegen Europa kommen, würden dann nicht auch die guten Unternehmen darunter leiden?
Das stimmt schon, aber die besten Unternehmen in Europa sind globale Unternehmen. Klar, sie haben eine Abhängigkeit von Amerika, aber sie machen eben auch Geschäfte in Asien und der ganzen Welt. Wenn Luxushersteller Probleme in New York bekommen, können sie mehr in Singapur oder Hongkong verkaufen. Diese Flexibilität ist ein großer Vorteil.
Welche Anlagestrategie verfolgen Sie in Ihrem europäischen Aktienfonds?
Innerhalb einer Branche versuchen wir in die Unternehmen zu investieren, bei denen wir die besten Renditen erwarten. Ein Beispiel: Wir investieren normalerweise nicht in Fluggesellschaften wie Ryanair oder Flugzeugbauer wie Airbus, sondern in die Motorenhersteller wie Safran oder Rolls Royce, weil sie ein besseres Geschäftsmodell haben. Dienstleistungen wie die Wartung von Motoren bringen stabilere Umsätze und Gewinne als die Herstellung von Produkten. Ein anderes Beispiel sind Rückversicherer, die ja in Deutschland stark sind. Die katastrophalen Brände in Kalifornien ermöglichen es ihnen nun, die Preise zu erhöhen.
Wir sprechen in Mannheim, in der Nähe in Walldorf ist die Konzernzentrale von SAP, dem wertvollsten börsennotierten Unternehmen in Deutschland, das mit wiederkehrenden Lizenzgebühren viel Geld verdient. Das müsste ihnen doch gefallen?
Wir mögen SAP, aber nicht weil es billig ist, was es auch nicht ist. Wir mögen SAP, weil es ein fantastisches Geschäftsmodell hat. Sie verkaufen einmal die Lizenz und haben dann über lange Zeit einen regelmäßigen Cashflow. SAP-Aktien finden sich nicht nur in unseren europäischen Fonds, sondern auch in unseren globalen Aktienfonds.
Gibt es weitere Beispiele?
Wir investieren gern in Gesellschaften, die sich verändern. Wenn jemand ein bestehendes Geschäft besser macht, dann bekommen wir eine höhere Bewertung. Das gilt zum Beispiel für Börsenbetreiber, wobei das eigentliche Börsengeschäft gar nicht so interessant ist. Es ist ein Monopolgeschäft, ist stabil und wirft einen regelmäßigen Umsatz ab. Interessant sind aber die Investitionen in andere Geschäfte, die besseres Wachstum garantieren und trotzdem hochrentabel sind. Das gilt zum Beispiel im Vertrieb von Daten, so wie die früheren Reuters-Kapitalmarktdaten jetzt eine Tochtergesellschaft der LSEG – der London Stock Exchange - sind.
Die margenstarke Deutsche Börse würde sich offiziell wohl nicht als Tech-Unternehmen bezeichnen, würde sich aber freuen so genannt zu werden.
Ja klar. Als Tech-Unternehmen kann man eine höhere Bewertung rechtfertigen.
Bleiben wir bei uns in Deutschland. Wie blicken sie auf die traditionelle Industrie, auf Autos, auf die Chemiebranche?
Normalerweise vermeiden wir solche Industrien, weil sie sehr kapitalhungrig sind. Die deutsche Industrie ist nach China gegangen- und hat dort jetzt immer mehr Konkurrenz von chinesischen Firmen. Das sind Herausforderungen, die es vor zehn Jahren noch nicht gab.
Ist Mercedes mit einem KGV für die kommenden zwölf Monate von 6,4 inzwischen billig genug geworden?
Das problematische KGV von Mercedes, aber auch von Volkswagen oder anderen Herstellern, ist zu rechtfertigen. Die Marke ist stark, aber es ist immer schon schwierig gewesen das zu monetarisieren.
Mercedes will das jetzt über eine reine Premiumstrategie schaffen.
Bei Ferrari haben sie es geschafft. Aber es gibt einen großen Unterschied zwischen den beiden: Ferrari ist eine Marke, die zufälligerweise auch Autos herstellt. Mercedes ist ein Autohersteller mit einer Marke.
Sind Sie denn in Ferrari investiert?
Das waren wir, doch die Aktie war uns ein bisschen zu teuer geworden. Außerdem hat Ferrari ein bisschen unter dem Druck gelitten, der auf dem ganzen Luxussegmente lastet wegen der Drohung mit US-Zöllen. Es genügt nicht einfach in Luxus zu investieren, man muss in die richtigen Unternehmen zur richtigen Zeit anlegen.
Kommen wir noch mal zum großen Ganzen. Wie stark lastet der Krieg gegen die Ukraine auf europäischen Aktien, werden sie mit einem Risikoabschlag gehandelt?
Das Risiko besteht, vor allem wegen der höheren Energiekosten. Was wäre aber die Folge einer Lösung für den Krieg? Das hängt davon ab, ob wir höhere Verteidigungskosten stemmen müssen. Wir investieren inzwischen wieder in Rüstungsaktien wie Rheinmetall.
Warum steigen sie wieder ein?
Weil es wirtschaftlich sinnvoll ist. Bislang hatte ein Unternehmen wie Rheinmetall nur einen Kunden, den deutschen Staat. Wobei: Wir wissen noch nicht, wer der nächste Chef des deutschen Staates wird.