Anzeige

Bankruns „Regulierer sollten die Menschen nicht immer für dumm verkaufen“

Die Credit Suisse war eine der Banken, die von den Bankenturbulenzen im März mit runtergerissen wurden
Die Credit Suisse war eine der Banken, die von den Bankenturbulenzen im März mit runtergerissen wurden
© IMAGO/Zuma Wire
Soziale Medien könnten Schuld an den Bankruns im März gewesen sein. Bundesbankpräsident Nagel bringt deshalb eine Regulierung ins Spiel. LPA-Partner Hans-Joachim Lefeld hält das für wenig sinnvoll

Herr Lefeld, dass Fakenews ganze Wahlen beeinflusst haben, ist mittlerweile bekannt. Jetzt sollen sie aber auch noch für den Bankrun im März entscheidend gewesen sein. So ähnlich sieht es jedenfalls Bundesbankpräsident Joachim Nagel, der die Plattformen deswegen regulieren will. Würden Sie zustimmen?
HANS-JOACHIM LEFELD: Die Regulierung von Plattformen wie Facebook oder Twitter im Finanzbereich ist absurd, wenn ich bedenke, dass die Plattformen es schon bei simplen Beleidigungen oder Rassismus nicht im Griff haben. Wie soll das dann in einem so komplexen Umfeld wie bei Finanzen funktionieren? Für mich ist das ein Sommerlochthema.

Sie sprechen sich gegen eine Regulierung aus?
Ja. Informationen auf Sozialen Medien können die Transparenz im Markt erhöhen, wenn sie seriös und kostenlos sind. Ich muss sie allerdings als Rohdaten interpretieren und nicht als Fakten. Sind die Daten gut – und das muss ich selbst prüfen – dann können Privatanleger einen Wettbewerbsnachteil reduzieren, den Profianleger durch ihre Bloomberg- und Refinitiv-Zugänge haben. Ich finde, das sollte man positiv sehen.

Wenn Privatanleger auf Fakenews reinfallen, ist das also ihr eigener Fehler und kein Marktversagen?
Das ist natürlich sehr zugespitzt, aber am Ende läuft es darauf hinaus. Wer 100 Prozent Social Media-Daten hat, sollte zumindest in der Lage sein, die richtigen von den falschen News zu trennen – oder es halt sein lassen. Ich appelliere dort an die Eigenverantwortung der Menschen. Auch ein Bankberater, oder ein Freund, der mir Tipps gibt, kann falsch liegen.

Hans-Joachim Lefeld ist Partner bei dem Frankfurter Anbieter von Software und Beratung Lucht Probst Associates (LPA). Dort fokussiert er sich vor allem auf die Digitalisierung der Finanzindustrie. Zuvor arbeitete Lefeld unter anderem für Accenture, Capco und Exxeta

Die Eigenverantwortung hat zu gewissen Auswüchsen geführt. Reddit-Nutzer haben sich beispielsweise zum Kauf bestimmter Aktien wie Gamestop oder Tupperware verabredet, deren Wirtschaftsmodell eigentlich erodiert ist. Muss man als Regulator auch tolerieren, wenn Anleger bewusst irrational handeln?
Es gibt gute Argumente, die hier für eine Regulierung sprechen. Andererseits: Alkohol und Messer sind ebenfalls frei verkäuflich. Der überwältigende Anteil kann mit Informationen eigenverantwortlich umgehen. Man muss die Menschen nicht immer für dumm verkaufen, auch nicht als Regulierungsbehörde. Natürlich sind Memestocks pure Zockerei und die Leute könnten genauso gut ins Casino gehen. Aber das wird ihnen ja ebenfalls erlaubt.

Kann ich mir als Anleger nicht auch die Stimmung zunutze machen, indem ich zum Beispiel ein Unternehmen in den Negativschlagzeilen shorte?
Da wäre ich sehr vorsichtig. Da muss ich schon sehr viel mehr wissen als der breite Markt. Ansonsten ist das pure Zockerei, womit wir wieder beim Casino wären.

Wurden die Bankruns bei der Silicon Valley Bank oder der Credit Suisse denn überhaupt durch die Sozialen Medien ausgelöst?
Das lässt sich so genau nicht sagen, weil viele Aspekte eine Rolle gespielt haben. Es gibt mindestens zwei Gründe: Social Media zum einen. Und zum anderen, wahrscheinlich noch wichtiger: klassische Mund-zu-Mund-Propaganda. Es wurden ja auch ein paar Superreiche zuerst informiert. Das ist dann keine Frage von Facebook oder Twitter, und ob man sie regulieren müsste, sondern eine Frage, warum sie diese Informationsvorteile besitzen. Abgesehen davon wären die Institute wahrscheinlich früher oder später eh gefallen. Dafür braucht es dann keine Sozialen Medien mehr. Die Plattformen können ein bestehendes Problem allenfalls anheizen.

Müsste Regulierung aus Ihrer Sicht noch stärker bei den Banken ansetzen?
Ich finde es jedenfalls sinnvoller, bei den Banken anzusetzen als bei den Sozialen Netzwerken. Welche Maßnahme sinnvoll ist, sei erst einmal dahingestellt. Aber sicher wäre das Thema Fristentransformation eines, wo sie ansetzen könnte – also wie sich Banken mit kurzen und langlaufenden Anleihen eindecken dürfen.

Was können Anlegerinnen und Anleger tun, um sich gegen solche Szenarien und vor Fakenews zu schützen?
Da gibt es mindestens zwei Dimensionen: Zum einen sollten sie nie mehr als die gesetzliche Sicherungsgrenze von 100.000 Euro auf einem Konto liegen haben. Und zweitens sollten Anleger breit streuen und nicht alles auf eine Karte setzen. Das klingt zwar simpel, ist aber sehr effektiv.

Wie bereiten sich Banken ihrerseits auf die Risiken durch Fakenews vor?
Mir ist bislang kein Fall bekannt, in dem sich eine Bank groß mit dem Thema beschäftigt. Dabei könnte das definitiv sinnvoll sein für das Risikomanagement – zum Beispiel durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz, so dass Fakenews frühzeitig identifiziert werden.

Lässt sich das irrationale Verhalten bei Bankruns oder durch Fakenews überhaupt im Risikomanagement abbilden?
Natürlich hilft zum Beispiel eine höhere Einlagenquote, aber auch nur bis zu einem gewissen Punkt. Der Regulator könnte dann noch ein Moratorium durchführen, wie damals in Griechenland. Aber klar ist: Wenn alle an ihr Geld wollen, haut es die stabilste Bank der Welt um. 

Läuft der effektivere Konter auf Fakenews über die Bilanz oder die Kommunikation?
Das kommt tendenziell auf den Kunden an: Institutionelle schauen eher auf die Bilanz, Privatkunden eher auf die Kommunikation. Von daher ist beides wichtig.

Mehr zum Thema

Neueste Artikel

VG-Wort Pixel