Techaktien sind der große Verlierer des ersten Halbjahres an der Börse. Was ist da passiert?
JONATHAN CURTIS: Der Kursrückgang seit November kann fast ausschließlich auf die Inflation zurückgeführt werden. Darauf musste die Federal Reserve reagieren, der risikofreie Zinssatz ist seither um fast 150 Basispunkte gestiegen. Wenn wir weiter eine hohe Inflation sehen, dann muss die Fed noch aggressiver vorgehen, und die Aktienkurse werden weiter fallen – die der Techaktien sogar noch stärker, weil ihre Kapitalkosten dann noch mehr steigen. Wenn die Inflation aber unter Kontrolle gebracht wird, ist es ein guter Zeitpunkt, wieder in dem Sektor aktiv zu sein.
Und wie wirkt das Ende der Pandemie, wenn niemand mehr Netflix schaut?
Richtig, wir haben alle unsere Masken abgenommen und aufgehört, so viel online zu shoppen oder zu spielen. Das führte zu einer weiteren Schwäche bei einigen der eher verbrauchernahen Technologieunternehmen. Diese Unternehmen haben von Covid-19 profitiert und stehen nun vor schwierigen Vergleichszahlen für das nächste Jahr, weil sich die Welt wieder öffnet.
Sind die Techaktien jetzt also viel riskanter geworden?
Nein, ganz im Gegenteil. Sie haben zuletzt zwar eine schreckliche Performance hingelegt, aber die meisten Aktien bieten eine gute Qualität und vernünftige bis attraktive Bewertungen. Das sagt mir, dass der Sektor ziemlich gut aussieht. Von allen Sektoren haben Technologie und Kommunikationsdienste – zu Letzteren gehören etwa Alphabet und Meta – die höchsten Barmittelbestände. Viele Techkonzerne müssen also keine Schulden refinanzieren. Aus einer Sicherheitsperspektive betrachtet hat die Technologiebranche also starke Bilanzen.
Was passiert bei einer Rezession?
Softwareunternehmen mit wiederkehrenden Umsätzen werden in einer Rezession sehr widerstandsfähig sein, weil die Lizenzgebühren einfach weiter fließen. Solange Unternehmen nicht pleitegehen, zahlen sie weiter für Software etwa für Videokonferenzen. Die Branche hat in den vergangenen zehn bis zwölf Jahren ihre Gewinnmargen in etwa verdoppelt, das macht sie widerstandsfähig.
Bei niedrigen Zinsen hat fast jedes Geschäftsmodell funktioniert. Ändert sich das jetzt?
Auch im Umfeld niedriger Zinsen hat nicht jedes Modell funktioniert. Aber es war genug Kapital vorhanden, und man konnte so lange experimentieren, bis man sein Modell zum Laufen brachte. Jetzt werden es Unternehmen schwer haben, deren Modell nicht richtig funktioniert. Gut funktionierende Geschäftsmodelle aber werden weiter erhalten.
Spielt Rentabilität also nun eine größere Rolle?
Nun, das ist sicherlich ein Kriterium, das die Investoren im Moment verwenden. Entscheidend ist, ob ein Unternehmen in seinem Markt führend ist, ob es gut kapitalisiert ist, ob es über mehrere Jahre hinweg liquide Mittel in der Bilanz hat und ob die Wirtschaftlichkeit seiner Einheiten gut ist. Diese Faktoren sind viel wichtiger als die Frage, ob ein Unternehmen heute profitabel ist. Unternehmen, die sich in dieser Position befinden, können das derzeitige Umfeld nutzen, um ihren Marktanteil zu konsolidieren und sich von der Konkurrenz abzusetzen.
Investieren Sie eigentlich in Krypto-Anlagen wie Bitcoin?
Ich mag keine Kryptos, also diese sogenannten Münzen und Währungen. Die hohe Bewertung einiger dieser Coins ergibt für mich keinen Sinn. Aber ich bin sehr daran interessiert, welche Möglichkeiten dezentralisierte Blockchains der Finanzbranche für Kostensenkungen bieten. Sie ermöglichen es, mit Dritten auf vertrauensvolle Weise zu interagieren, und darin liegt ein echter Wert.