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Kolumne Warum sich die Politik gleich bleibt

Christoph Bruns
Christoph Bruns
© Lyndon French
Die Wähler haben die Große Koalition abgestraft. Unser Kolumnist Christoph Bruns sieht trotzdem keine großen Änderungen, obwohl wirtschaftspolitisch Reformen Not täten.

In der Volksherrschaft deutscher Prägung hat der Souverän, der Wähler, alle vier Jahre das Wort. Der bisherigen Regierung aus CDU/CSU und SPD wurde eine schallende Ohrfeige erteilt. Beide vormaligen Volksparteien mussten historische Einbußen hinnehmen. Die hohen Verluste der Regierungsparteien sind die Quittung für eine verunglückte Energiewende, die blamable Eurorettung und eine unkluge Flüchtlingspolitik nebst personeller Verbrauchtheit.

Während die CDU schon seit langem ein sozialdemokratisch ausgerichteter Angela-Merkel-Wahlverein ist, fehlt es der SPD an inhaltlichen und personellen Alternativen. Der überforderte Kanzlerkandidat Martin Schulz wusste lediglich ausgelutschte Gerechtigkeits-Kamelle zu werfen, während der frühere Parteivorsitzende Sigmar Gabriel das sinkende Schiff rechtzeitig verließ.

Mit der Hinzufügung zweier zusätzlicher Parteien zum neuen Bundestag hat der Wähler nunmehr die „Italienisierung“ der deutschen Politik gestärkt. Wie seit der Berlusconi-Ära ist nun auch im Bundestag das rechte Lager vertreten, nachdem linke Parteien bereits seit längerem dort einen festen Platz einnehmen. Bemerkenswert bleibt, dass die Linke und die AfD vornehmlich in den östlichen Bundesländern stark sind.

Große Reformen sind kaum möglich

Die wichtigste Erkenntnis der Wahl mag gleichwohl darin bestehen, dass die Wähler seit Jahrzehnten keine Partei mehr mit einer absoluten Regierungsmehrheit ausstatten. Große Reformen sind deshalb strukturell kaum noch möglich. Es sei denn, Deutschland wird von einer schweren Krise ergriffen, wie dies unter der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder der Fall war. Folglich ist von den kommenden vier Jahren kein besonderer Reformeifer zu erwarten, sondern ein Regieren auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Frau Merkel wird sich als Kanzlerin treu bleiben und ihre Rolle als gründliche Staatsverwalterin mit gelegentlichen impulsiven Aussetzern weiterspielen.

Für die Außenpolitik bedeutet dies eine im großen Ganzen gute Kontinuität, während innen- und vor allem wirtschaftspolitisch Reformen Not täten. Denn die überalternde Gesellschaft mit ihrer Kinderarmut läuft zunehmend Gefahr, Probleme für den Lebensstandard der Bevölkerung aufzuwerfen. Anders aber, als etwa im weitsichtig regierten Norwegen, ist die Bundesrepublik Deutschland nicht vorbereitet auf magere Zeiten. Die Steuer- und Abgabenlast ist heute bereits sehr hoch, ebenso wie die Staatsverschuldung. Rücklagen wurden nicht gebildet. Nicht geringe Teile der Bevölkerung sind heute bereits auf staatliche Unterstützung angewiesen und somit in staatliche Abhängigkeit geraten. Der rapide Ausbau des sogenannten Sozialstaates in den letzten Jahrzehnten bürdet den Haushalten hohe und weiter steigende Lasten auf.

Und zu einer Geldaufwertung (Deflation), wie es die Europäische Zentralbank (EZB) als Menetekel beschworen hatte, ist es nicht gekommen. Vielmehr sind stetige Anstiege der Verbraucherpreise zu konstatieren, sodass die Kaufkraft der Bürger – nicht nur durch magere Lohnzuwächse – sukzessive schwindet. Hinzu kommt noch, dass der weltweit bekannte Spareifer der Deutschen in Zinsinstrumenten angesichts der Nullzinspolitik der EZB absurd geworden ist.

Einzige Hoffnung ist die FDP

Die Deutschen, die gemäß Heinrich Heine die Freiheit so glühend lieben wie man eine alte Großmutter liebt, werden auch in den kommenden vier Jahren mehr Verstaatlichung erleben. So gehen neben der Mautgebühr auch höhere Steuern auf Aktienfondsanlagen und das Bürokratiemonster MifiD II Anfang 2018 an den Start. Je mehr die untergegangene DDR im historischen Rückspiegel verbleicht, desto leiser werden die Stimmen für Bürgerrechte, Marktwirtschaft und Eigenverantwortung. Ob die FDP hieran etwas zu ändern vermag, muss sich erst zeigen. Wer aber die Geschichte dieser Partei hierzu befragt, der mag daran zweifeln.

Sofern die Liberalen nicht das Finanz- und das Wirtschaftsministerium übernehmen, besteht keinerlei Hoffnung auf die Teilhabe weiter Teile der Bevölkerung als Miteigentümer am Produktivvermögen. Das Schattendasein, welches die Aktienanlage in Deutschland führt, wird wohl auch in der Zukunft seine Fortsetzung finden und weiterhin gewaltige negative Vermögensfolgen haben.

Eine ganz andere Teilhabe ist indessen viel wahrscheinlicher. Ante Portas stehen nämlich bereits die Ideen des jungen französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der beherzt Schritte zu einer Banken-, Schulden- und Fiskalunion gehen möchte.

Ihr

Dr. Christoph Bruns

Christoph Bruns ist Fondsmanager und Mit-Inhaber der Fondsgesellschaft Loys AG. Er schreibt alle 14 Tage auf capital.de über Geldanlage, Vorsorge und Politik

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