Eigentlich sollte man meinen, dass Manager es im Alter besser haben als beispielsweise Reinigungskräfte. Schließlich können Angestellte in Führungspositionen von ihrem hohen Gehalt mehr beiseitelegen, sich dadurch im Ruhestand Luxus und Annehmlichkeiten leisten und gegebenenfalls teure medizinische Behandlungen. Geringverdiener wie Bau- oder Lagerarbeiter schuften hingegen ihr Leben lang in der Hoffnung, später von der Rente leben zu können. Und haben dann im Ruhestand oft doch sehr wenig Geld.
Offenbar ist die Höhe des Vermögens aber nicht entscheidend für das Wohlbefinden von Rentnern – eher im Gegenteil. Eine Studie des RWI Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Essen hat untersucht, wie sich der Renteneintritt auf das Sterberisiko auswirkt und dazu die Daten der Deutschen Rentenversicherung von knapp 800.000 Rentnern der Geburtsjahrgänge 1934 bis 1936 ausgewertet. Das Ergebnis: Bei Gutverdienern steigt das Sterberisiko mit dem Renteneintritt um zwei bis drei Prozent. Geringverdiener hingegen profitieren. Bei ihnen sinkt mit der Rente das Sterberisiko um rund ein Prozent. Der Ruhestand ist für Wohlhabende demnach gefährlicher als das vorherige Arbeitsleben, bei armen Rentnern ist es umgekehrt.
Gutverdiener verlieren im Ruhestand ihr Berufsprestige
Dass Geringverdiener im Ruhestand oft sogar zusätzliche Lebensenergie entwickeln, liegt laut RWI daran, dass sie zuvor tendenziell einen anstrengenden Job mit vielen Routinetätigkeiten ausgeübt haben. Handwerker und Bauarbeiter beispielsweise müssen nicht nur körperlich viel leisten, sondern sind zusätzlich einem höheren Risiko ausgesetzt, ihren Job zu verlieren. „Weniger Stress und Gefahren sowie ein relativ hoher Freizeitwert senken bei dieser Gruppe nach dem Renteneintritt die Sterblichkeit“, fasst Studienautor Giesecke zusammen.
Eigentlich sollte der Stress mit dem Renteneintritt nachlassen. Bei Gutverdienern tut er das aber nicht. Matthias Giesecke, RWI-Wissenschaftler und Autor der Studie, hat eine Erklärung: „Bei ihnen steht wahrscheinlich die soziale Isolation im Rentenalter im Vordergrund, weil sie mit der Berufstätigkeit auch Berufsprestige und soziale Netzwerke verlieren.“ Gutverdiener arbeiten meist in gehobener Position mit Verantwortung und verschaffen sich so Anerkennung und berufliche Kontakte. Im Ruhestand geht all das verloren, was sich besonders auf die mentale Gesundheit auswirken kann. Nur auf der faulen Haut zu liegen reicht vielen Gutverdienern offenbar nicht. Ein möglicher Grund: Gesellschaftlich gelten vor allem Menschen als kompetent, die beschäftigt und gefragt sind. Das zeigt eine Studie der US-amerikanischen Forscher Silvia Belezza, Neeru Paharia und Anat Keinan.
In Teilzeit weiter arbeiten?
Gutverdiener, die sich zur Ruhe setzen, sollten also nicht ganz auf Beschäftigung verzichten, wenn sie diese Anerkennung nicht beim Renteneintritt aufgeben möchten. Ein Ehrenamt wirkt sich zum Beispiel positiv auf die Gesundheit und die Lebensqualität aus, hat eine Studie der Technischen Universität Dortmund herausgefunden. Die Ergebnisse decken sich mit der Untersuchung des RWI. Denn auch die Dortmunder sehen als Grund für das Mehr an Lebensfreude die Anerkennung und Wertschätzung, die ein Ehrenamt mit sich bringt. Wem hingegen der Abschied von den Kollegen besonders schwer fällt, kann zum Beispiel in Teilzeit weiter arbeiten.
Reichen Rentnern fehlt es also an Freizeitqualität und Kontakten im Alter, weniger wohlhabende Ruheständler hingegen blühen im Alter erst richtig auf und können die neu gewonnene Freizeit besser genießen. Am meisten profitieren übrigens Arbeitslose vom Renteneintritt. Sie sind dann nämlich von dem Vorurteil befreit, nur auf der faulen Haut zu liegen, haben die RWI-Forscher ermittelt.
In diesen Ländern beziehen Menschen am längsten Rente
Fast ein Drittel des Lebens im Ruhestand? Das ist in einigen dieser Länder Realität. Hier kommen die Pensionäre am längsten in den Genuss ihrer Rente
In diesen Ländern bekommen Menschen am längsten Rente
Kanadier können sich auf einen langen Ruhestand freuen. Frauen kommen auf durchschnittlich 23,9 Jahre Rente. Das bedeutet im OECD-Ländervergleich Platz zehn. Bei den Männern reicht es mit 18,9 Jahren nur für Platz 16. Die Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung stammen aus dem Jahr 2016.
Lebensabend? In Italien wird aus der Rente eher das Abschlussdrittel des Lebens. 25,6 Jahre sind Frauen durchschnittlich in Rente (Platz drei). Unter den Italienern reicht es mit 21,8 Jahren für Platz zwei. Nur ein Land kann Italien bei der Rentendauer schlagen. Auch das ist – Zufall oder nicht – eine Nation, die sich auf Dolce Vita beziehungsweise Savoir Vivre versteht.
In keinem Land der OECD dauert das Dasein als Rentner länger als in Frankreich. Unser Nachbar liegt bei beiden Geschlechtern auf Platz eins der Statistik. Frauen beziehen durchschnittlich eindrucksvolle 27,6 Jahre Rente. Das sind anderthalb Jahre länger als beim Frauen-Zweitplatzierten Belgien und fast vier Jahre mehr als in Kanada auf Platz zehn. Männliche Franzosen freuen sich über 23,6 Jahre Rente. Deutsche Männer liegen in dem Ranking auf Platz elf (19,6 Jahre). Bei Frauen reicht es nur für Platz 18 (22,6 Jahre). Die Bilanz der USA fällt mit 17,2 beziehungsweise 20,6 Jahren unterdurchschnittlich aus.