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Insolvenz Wirecard ist pleite

Wirecard hat am Donnerstag Insolvenz angemeldet
Wirecard hat am Donnerstag Insolvenz angemeldet
© Lackovic / IMAGO
Vom Dax in die Insolvenz innerhalb von sieben Tagen: Dem Münchner Zahlungsdienstleister Wirecard droht die Zahlungsunfähigkeit

Der von einem Bilanzskandal erschütterte Münchner Zahlungsdienstleister Wirecard ist pleite. Per Ad-Hoc-Mitteilung teilte das Unternehmen am Donnerstagmorgen um 10.27 Uhr mit : „Der Vorstand der Wirecard AG hat heute entschieden, für die Wirecard AG beim zuständigen Amtsgericht München einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung zu stellen.“ Der Handel mit Wirecard-Aktien wurde daraufhin ausgesetzt – nach einer knapp einstündigen Pause stehen die Aktien am Donnerstagmittag bei etwa 3 Euro. Am Mittwoch vor einer Woche hatten Aktien des Konzerns noch mehr als 100 Euro gekostet.


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Der jähe Absturz des Konzerns ist einmalig in der deutschen Wirtschaftsgeschichte: Trotz einer Serie schlechter Nachrichten und anhaltender Spekulationen über die Solidität der Wirecard-Bilanz zählte das Unternehmen bis vor einer Woche noch zu den wertvollsten deutschen Börsenkonzernen. Erst im Herbst 2018 war Wirecard in die Liga der Dax-30-Unternehmen aufgerückt und hatte dabei die Commerzbank verdrängt – für viele Beobachter damals auch ein Symbol für den Aufstieg neuer Zahlungs- und Bankdienstleister und damit für den Umbruch in der Finanzbranche. Der jetzige Absturz ist daher auch eine dramatische Blamage für die deutsche Finanzaufsicht Bafin und die Wirtschaftsprüfer von EY.

Mit der Abwicklung von Zahlungen im Internet hatte das Unternehmen in den vergangenen 15 Jahren zunächst eine spektakuläre Erfolgsgeschichte geliefert. Wirecard gehörte zu den wenigen deutschen IT-Unternehmen, die weltweit in ihrer Domäne zu den Vorreitern zählen. Seit dem Jahr 2002 stand der Österreicher Markus Braun an der Spitze des Unternehmens, ein ehemaliger KPMG-Berater, der als CEO und Technologiechef selbst zum größten Einzelaktionär des Unternehmens und zum Milliardär aufstieg – bis vergangenen Freitag.

Berichte über Bilanzmanipulationen

Allerdings hatten sich auch viele Jahre hartnäckig Gerüchte und Zweifel rund um das Unternehmen gehalten – auf die Spitze getrieben durch erste Berichte der britischen Wirtschaftszeitung „Financial Times“ Ende 2018 über Bilanzmanipulationen im wichtigen Asiengeschäft des Konzerns. So sollten große Teile der Umsätze und Gewinne des Unternehmens in Asien fingiert sein, berichtete die FT immer wieder unter Berufung auf ehemalige Mitarbeiter des Konzerns. Die Bilanzen des Konzerns hatte seit vielen Jahren die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY geprüft und testiert.

Unter dem Druck von Investoren und Aufsehern wurde schließlich der Wirtschaftsprüfer KPMG beauftragt, per Sondergutachten die Geschäftsberichte für die Jahre 2016 bis 2018 zu überprüfen. Der Bericht, der Ende April vorgelegt wurde, lieferte zwar keine Beweise für Bilanzmanipulationen, konnte aber auch die Zweifel nicht entkräften und bestätigte im Gegenteil die Intransparenz der Wirecard-Geschäfte. Im Kern ging es in der Prüfung um weit mehr als 1 Mrd. Euro auf Treuhänderkonten bei zwei philippinischen Banken, die Wirecard in seinen Bilanzen als Guthaben verbucht hatte.

Da anschließend auch EY die Belege für diese Konten nicht auftreiben konnte, verweigerte am vergangenen Donnerstag schließlich auch der langjährige Wirtschaftsprüfer das Testat für den schon überfälligen Geschäftsbericht 2019 – und löste damit den aktuellen Absturz erst aus. Am vergangenen Freitag wurde CEO Braun abgelöst, am Wochenende räumte Wirecard schließlich ein, „dass die bisher zugunsten von Wirecard ausgewiesenen Bankguthaben auf Treuhandkonten in Höhe von insgesamt 1,9 Mrd. Euro mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht bestehen“. Das entspricht etwa einem Viertel der Bilanzsumme.

Wirecard verhandelte über Kreditlinien

Gegen Braun und seinen früheren Vorstandskollegen Jan Marsalek, auch er seit letzter Woche entlassen, laufen inzwischen diverse Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München. Marsalek ist bislang untergetaucht, soll sich aber laut Medienberichten in den kommenden Tagen stellen wollen; Braun befindet sich nach Zahlung einer Kaution über 5 Mio. Euro wieder auf freiem Fuß, muss sich aber jede Woche bei der Polizei melden. Anwaltskanzleien auf der ganzen Welt bereiten inzwischen Klagen vor, um Aktionäre und Gläubiger des Unternehmens noch zu entschädigen.

Bis zuletzt hatte Wirecard mit einem Konsortium aus etlichen Banken versucht, die Finanzierung des Konzerns zu sichern. Dabei ging es um Kreditlinien über insgesamt 2 Mrd. Euro, die die Banken mit der Nicht-Vorlage des Geschäftsberichts vergangene Woche sofort hätten kündigen können. Nach Informationen von Capital verliefen die Gespräche auch zunächst konstruktiv – denn auch die Kreditinstitute dürften kaum ein Interesse an einer schnellen Pleite des Unternehmens gehabt haben.

Allerdings mehrten sich in den vergangenen Tagen auch Meldungen, dass wichtige Geschäftspartner wie der asiatische Uber-Konkurrent Grab seine Transaktionen künftig nicht mehr über Wirecard abwickeln wollte. Auch wenn das Unternehmen heute zunächst keine konkreten Gründe für die drohende Zahlungsunfähigkeit nannte, so dürften doch solche Meldungen die Zweifel am langfristigen Geschäftserfolg von Wirecard vergrößert haben.

Nach Informationen von Capital hatte zudem die Bafin in dieser Woche den Druck auf das Unternehmen massiv erhöht. So war seit gestern ein Sonderbeauftragter der Finanzaufsicht in der Konzernzentrale in Aschheim, um mit einem Team von insgesamt sechs Kontrolleuren zu verhindern, dass die Bank-Tochter der Wirecard AG noch Geld an die AG überweist.

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