2020 feiert die Youtube-Revolution 15. Geburtstag. Wohl nicht einmal die Gründer konnten damals ahnen, dass ihr nichtssagendes Video von einem Elefantengehege im Zoo einmal Geschichte schreiben würde. Lange Zeit wurde die Videoplattform von Fernsehsendern belächelt. Filmstudios haben sich gar nicht erst mit dem kalifornischen Start-up beschäftigt. Dabei wurde aber übersehen, dass die Qualität der Inhalte nebensächlich war. Youtube will gar nicht Fernsehen sein. Denn die Seite ist viel mehr.
Sie verbindet ultimativ persönliche Inhalte mit direktem Austausch, ist soziales Netzwerk und Plattform mit sofortigem Zugang zu einem weltweiten Milliardenpublikum in einem. Die Kommentarspalten sind fast so wichtig wie die bewegten Inhalte. Auf Youtube findet jedes obskure Hobby ebenso Zuschauer wie das neue Musikvideo von Beyoncé.
Gaming, Schminktipps, Verschwörungstheorien, Fanvideos, Drohnenaufnahmen in 4k oder wackelige Handycam im Auto: Youtube kann alles, bietet alles und macht Nobodies womöglich zu Multimillionären. Da sitzt dann plötzlich eine Schülerin neben Hollywoodstars in der ersten Reihe bei Louis Vuitton oder Gamer verdienen nach einem Jahr mehr Geld als so manch ein Spitzenspieler aus der Bundesliga. Youtubes Geschichte ist aber auch reich an Skandalen.
Die Geschichte von Youtube in Bildern
Die Geschichte von Youtube

Die Domain Youtube.com wurde am Valentinstag 2005 freigeschaltet. Die Gründer waren Steve Chen (Bild), Chad Hurley und Jawed Karim, allesamt Mitarbeiter von Paypal. Chen und Karim waren Informatiker, Hurley Designer.

Faszinierend waren die Einblicke nicht gerade, die Mitbegründer Jawed Karim in „Me At the Zoo“ da teilte. Das 18 Sekunden lange Video besitzt dennoch nahezu historische Bedeutung. Es war am 23. April 2005 der erste Beitrag, der auf Youtube hochgeladen wurde. Der Clip wurde bislang mehr als 74 Millionen Mal aufgerufen. Er ist das einzige Video in Karims Kanal, trotzdem hat der Youtube-Gründungsvater knapp 600.000 Abonnenten.

Die Idee einer Video-Sharing-Plattform für jedermann füllte 2005 eine Marktlücke. Internetverbindungen waren mittlerweile stabil genug, um als Übertragungswege zu funktionieren. Zugleich wurde die Aufnahmetechnik (oft noch in Form von Camcordern) zunehmend erschwinglich. Youtube trieb binnen der ersten zwölf Monate Investorengelder in zweistelliger Millionenhöhe ein. Die Plattform wurde quasi über Nacht zu einer der am schnellsten wachsenden Seiten im Internet.

Im Juli 2006 meldete die US-Presse eine neue Rekordmarke. Die Videos auf Youtube wurden mittlerweile mehr als 100 Millionen Mal aufgerufen – pro Tag, versteht sich. Die Zeitung „USA Today“ beschrieb die Dienstleistung ihren Lesern damals noch als „Videos im Snack-Format“. Denn die Clips waren in der Anfangszeit meist unter zwei Minuten lang. Heute bevorzugen Youtuber längere Videos. Die werden vom Algorithmus mit höheren Werbeeinnahmen vergütet. „Nachdem es im letzten Jahr aus dem Nichts gekommen ist, hat Youtube die führende Position im Online-Video-Bereich mit 29 Prozent des Multimedia-Entertainment-Geschäfts eingenommen“, berichtete „USA Today“ 2006. Der damalige Platzhirsch MySpace kam auf lediglich 19 Prozent.

In den 90er Jahren hatte die MTV-Serie „The Real World“ noch für Skandale gesorgt, weil ihre Protagonisten rund um die Uhr gefilmt wurden. Auf Youtube aber teilten plötzlich normale Menschen aus aller Welt freiwillig ihr Privatleben. Vlogs (Videotagebücher) avancierten schnell zum Youtube-eigenen Genre, das mit zum Erfolg der Plattform beitrug. Kritiker sprachen von einer Verflachung. Fans feierten die Plattform als ultimative Demokratisierung des bis dato von Fernsehmachern kontrollierten Mediums.

Der frühe Erfolg machte schnell die Konkurrenz aufmerksam. Google zögerte nicht lange. Am 9. Oktober 2006, anderthalb Jahre nach der Gründung, wurde die Übernahme des Start-ups durch den Suchmaschinen-Konzern publik. Der ließ sich den Kauf 1,65 Milliarden US-Dollar in Aktien kosten. Damals war nicht für jeden Experten klar, ob das eine so kluge Entscheidung war. Google-CEO Eric Schmidt wurde gefragt, ob Youtube womöglich eine Dot-com-Blase sein könnte. „Warum überlegen Sie nicht erst, ob es ein Trend ist, ehe Sie von einer Blase sprechen?“, riet Schmidt.

Mitbegründer Chen und Hurley hatten den Kauf durch Google in einem Youtube-Beitrag noch als tolle Gelegenheit angepriesen. Der neue Besitzer war aber für viele Nutzer noch Jahre später ein Fremdkörper in ihrer Community. Google leistete sich dabei einige Fehltritte. 2013 waren plötzlich Kommentare auf Youtube nur noch möglich, wenn der User ein Google-Plus-Konto unter seinem richtigen Namen hatte. Dabei gehörte die Option auf Anonymität und ausgefallene Nutzernamen seit den Anfangstagen zur Youtube-Kultur. Sogar Co-Gründer Karim war derart erzürnt, dass er in der Beschreibung zu seinem Zoo-Video gegen Google austeilte. Der Mutterkonzern lenkte ein, Google Plus ist mittlerweile Geschichte.

Youtube ist ein fragiles Wirtschaftssystem. Teenager können damit schnell mehr verdienen als ihre Eltern. Im Gegenzug ist der Algorithmus, mit dem Youtube Zuschauern Videos vorschlägt oder Videos vergütet, selbst für Experten ein ewiges Rätsel. Immer wieder regt sich Widerstand. Im Sommer 2017 gab es eine Schwemme von Videos, in denen Content Creators offen gegen Änderungen im Youtube-Code wetterten. Schlagartig hatten sogar Stars wie Casey Neistat (links im Bild, elf Millionen Abonnenten) mit einbrechenden Klick-Zahlen zu kämpfen. Youtube schickte Robert Kyncl, Chief Business Officer, auf Neistats Kanal, um die Wogen zu glätten.

Apropos MTV: Youtubes enormes Wachstum war kein reiner Eigenverdienst. Gestohlene Inhalte, insbesondere Musikvideos und TV-Serien, trieben die Klickzahlen in die Höhe. Die Rechteinhaber holten nach einer Schrecksekunde zum Gegenschlag aus. Die Gema-Filter in Deutschland sind zwar Geschichte. Aber das Thema bleibt bis heute aktuell. Längst geht es dabei nicht nur um Tantiemen. Die Werbeeinnahmen auf Youtube sind ein riesiges Geschäft. Ein gestohlenes Video mit pikantem Inhalt kann mit der richtigen Überschrift und einem Neugierde weckenden Vorschaubild äußerst lukrativ sein.

Skandale gehören so sehr zu Youtube, dass etliche Kanäle („Drama Channels“ genannt) sich ausschließlich mit diesen Geschichten beschäftigen. Manche scheinen die hohle Welt junger Youtube-Stars zu entblößen – etwa, als Logan Paul sich in einem japanischen Wald mit einem Suizidopfer filmen ließ und das Video veröffentlichte. Andere spielen sich nur im Youtube-Universum ab. Doch das ist mittlerweile längst Mainstream, weshalb sogar „Washington Post“ und „New York Times“ ausführlich berichten. So kürzlich geschehen, als die Beauty-Youtuber Tati Westbrook, James Charles und Jeffree Star (Bild) einen Kleinkrieg begannen, der sogar die Twitter-Charts stürmte.