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Gastkommentar Warum Übernahmen häufig schief gehen

Nur jede dritte mittelständische Firma geht eine Übernahme standardisiert an. Dieses Versäumnis ist gefährlich - und unnötig dazu. Von Max Schaber
Max H.-H. Schaber, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Datagroup AG
Max H.-H. Schaber, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Datagroup AG

Investoren jubeln, die Belegschaft zittert – und die Boulevardpresse reibt sich in Erwartung eines neuen Desasters die Hände. Bei Fusionen und Übernahmen sind die Hoffnungen ebenso groß wie die Ängste. Letztere rühren aus den Schreckensmeldungen über misslungene M&A-Prozesse, die in regelmäßigen Abständen durch die Medien geistern.

Im Fokus solcher Debatten stehen dabei die großen, spektakulären Übernahmen à la DaimlerChrysler, Commerzbank oder ThyssenKrupp. Fernab des medialen Scheinwerferlichts jedoch kauft und verkauft auch der deutsche Mittelstand fleißig Firmen: Eine Deloitte-Studie zeigt, dass über zwei Drittel der mittelgroßen Unternehmen die Aktualität von M&A im Mittelstand als „hoch“ oder „sehr hoch“ einstufen. Gleichzeitig haben 87 Prozent bereits einmal eine solche Transaktion abgebrochen. Der Mittelstand kämpft sich durch seine Übernahmen – ein Kampf, der unnötig ist.

Die Probleme, die M&A-Prozesse schwierig gestalten oder gar zum Scheitern bringen, ähneln sich: Die Übernahme leidet unter einer unstrukturierten Vorgehensweise der beiden Firmen. Käufer zwingen ihr eigenes und das Zielunternehmen zur Verschmelzung der gesamten Organisation und Kulturen. Und sie vernachlässigen weiche Faktoren wie die interne Kommunikation.

Anstatt sich durch Fusionen zu kämpfen, sollte sich der Mittelständler nach alternativen Vorgehensweisen umsehen. „Hände weg vom klassischen Merger-Konzept“, lautet meine Devise! Das Überstülpen einer neuen Unternehmensidentität funktioniert nur im Glücksfall. Firmen müssen zusammenwachsen und sich aneinander gewöhnen dürfen. Die sukzessive Eingliederung des Zielunternehmens ist eine gute Alternative zur Fusionierung – und erfolgreich.

Aus 15 Unternehmenskäufen innerhalb von sieben Jahren, viele davon mit Turnaround-Kandidaten, ziehe ich drei Lehren:

1. Sanfte Eingliederung statt Hauruck-Attitüde

Mit teuren Einkäufen möchte man gern ein wenig angeben. Im Unternehmensalltag heißt das: Die neue Tochterfirma soll so schnell wie möglich deutlich sichtbar zum Käufer gehören. Das ist menschlich, aber unternehmerisch kurzsichtig. Man sollte den Mitarbeitern und Kunden des Zielunternehmens Zeit lassen, sich an die neue „Mutter“ zu gewöhnen. Eine Umfirmierung nach einem Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten ist genug.

Ebenso sollten die Abteilungen, die die Beziehung zu den Kunden pflegen, ruhig dezentral in der Tochterfirma organisiert bleiben: Bei einem Dienstleister Kundenservice und Vertrieb. Das verhindert Reibungsverluste und bringt viel Ruhe.

Das bedeutet nicht, dass nach dem Kauf keine Umstrukturierungen nötig sind. Im Gegenteil: Im Rahmen der Eingliederung lassen sich zum Beispiel zentrale administrative Prozesse zwischen Käufer und Zielunternehmen synchronisieren. Dazu gehören zum Beispiel die Personalverwaltung, Beschaffung, Rechnungswesen oder IT-Infrastruktur. Eine zeitnahe Integration dieser Prozesse ist sinnvoll – ebenso jedoch ihre strukturierte Planung vorab.

2. Eingliederungen sind industrialisierbar

M&A-Transaktionen sind für manche Mittelständler so abenteuerlich wie eine Arktisexpedition. Selbst wenn sie bereits einmal in eine Übernahme involviert waren, liegt der Prozess weit außerhalb ihres Alltagsgeschäfts. Das Risiko zu scheitern ist deshalb hoch. Dies zeigt auch die angesprochene Deloitte-Studie: Nur 35 Prozent der Mittelständler verfolgen einen formalisierten Standardprozess; die restlichen 65 Prozent der Transaktionen laufen individuell ab. Das ist ein Spiel mit dem ungebändigten Feuer.

Die gute Nachricht: Eingliederungen sind industrialisierbar. Dafür empfiehlt es sich, bereits vor der ersten Übernahme einen Eingliederungsleitfaden zu entwerfen. Dieser sollte emotional-psychologische sowie prozessuale Aspekte betrachten.

3. Kommunikation funktioniert nicht mit Schablone

Aber aufgepasst: Ein Leitfaden hilft nicht über alle Herausforderungen einer Eingliederung hinweg. Kommunikation und Führung sind entscheidend bei Übernahmen; sie machen 50 Prozent des Erfolgs aus! Doch anders als bei der Zentralisierung der organisatorischen Prozesse lässt sich hier nicht mit Schablonen arbeiten.

Umso wichtiger ist es für den Käufer, die Schulung der – eventuell sogar frisch aufgestiegenen – Führungsriege innerhalb des Zielunternehmens nicht zu vernachlässigen und sie beispielsweise mit Workshops über interne Kommunikation zu schulen. Bei mehreren Übernahmen macht auch ein Erfahrungsaustausch zwischen den Geschäftsführern der gekauften Unternehmen Sinn.

Durch die Kombination aus sanfter, aber industrialisierter Eingliederung sowie individueller Kommunikation und Führung im jeweiligen Zielunternehmen können Mittelständler ihr persönliches Erfolgsrezept für Übernahmen entwerfen. Und der negativen Deloitte-Statistik ein Schnippchen schlagen.

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