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USA Das sind die Szenarien und Lösungswege im Schulden-Showdown

US-Präsident Joe Biden ist auf Stimmen von Republikanern im Repräsentantenhaus angewiesen, um die Schuldenobergrenze erneut anzuheben
US-Präsident Joe Biden ist auf Stimmen von Republikanern im Repräsentantenhaus angewiesen, um die Schuldenobergrenze erneut anzuheben
© IMAGO / USA TODAY Network
In den USA muss mal wieder die Schuldengrenze angehoben werden. Doch dieses Mal ist es besonders zäh. Ein Zahlungsausfall hätte dramatische Folgen

Alle Jahre wieder stoßen die USA mit ihren Schulden an die Grenze. Was folgt, sind stets langwierige Verhandlungen um eine Erhöhung der Schuldenobergrenze. Insofern ist die aktuelle Diskussion um eine mögliche Staatspleite der USA nichts Neues.

Demokraten und Republikaner einigen sich häufig erst in letzter Minute. Dieses Mal aber neu ist die Dringlichkeit. Wenn keine Einigung gefunden wird, droht der USA am 1. Juni die Zahlungsunfähigkeit, wie Finanzministerin Janet Yellen errechnen ließ.

Käme es wirklich zu einem Zahlungsausfall, würde dieser die Weltwirtschaft wohl in schwere Turbulenzen stürzen. Beide Seiten, Republikaner und Demokraten, hatten mehrmals betont, dass sie das katastrophale Szenario vermeiden wollen – auch, weil das Szenario laut Umfragen keiner Partei zugutekommen würde.

Bidens Regierung geht das Geld aus, weil in den Vereinigten Staaten das Parlament darüber entscheidet, wie viel sich der Staat von Gläubigern leihen darf. Damit funktioniert das System grundsätzlich anders als in Deutschland, wo die im Grundgesetz festgelegte Schuldenbremse Vorgaben macht. Die Obergrenze beträgt in den USA aktuell 31,4 Billionen Dollar. Weil dieser Deckel aber bereits erreicht ist, können sich die Vereinigten Staaten nur noch mit einigen finanzpolitischen Kniffen über Wasser halten – im Fachjargon „außerordentliche Maßnahmen“ genannt.

Märkte spekulieren auf Einigung

Besonders verfahren ist die Situation, weil die Republikaner im Repräsentantenhaus nur eine sehr knappe Mehrheit haben. In der Fraktion sitzen auch besonders radikale Abgeordnete, die kein Interesse an einem realistischen Kompromiss zeigen. Die meisten Abgeordneten wollen Biden im Gegenzug für einen Kompromiss zu Einsparungen etwa im sozialen Bereich drängen. Der republikanische Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, will einige der Radikalen hinter einer möglichen Einigung mit den Demokraten versammeln, um bei einer Abstimmung eine Mehrheit zu haben. Andernfalls müsste er auf die Unterstützung der Demokraten setzen, was seine Position als Verhandlungsführer schwächt.

In den vergangenen Tagen trafen sich Biden und McCarthy mehrfach zu Verhandlungen. Zwar betonten anschließend beide, wie „produktiv“ (McCarthy) und „gut“ (Biden) diese verlaufen seien – ein konkretes Ergebnis verkündeten sie bislang aber nicht.

Historisch betrachtet ist eine Lösung dennoch wahrscheinlich. Seit 1960 wurde die Schuldengrenze bereits 78-mal angehoben. Und genau darauf spekulieren die Märkte bislang noch. In den Kursen spiegelt sich die potenzielle Bedrohung jedenfalls kaum wider.

Dabei ist das Risikopotenzial beachtlich, wenngleich schwer kalkulierbar. Sehr wahrscheinlich würde aber das Vertrauen in die Vereinigten Staaten als solventer Schuldner erschüttert werden. Die US-Bank JP Morgan sieht die Gefahr, dass in den USA zunächst wichtige Staatsausgaben wie Rentenzahlungen zumindest zeitweise ausfallen würden. An den Aktienmärkten dürfte es zu erheblichen Kursverlusten kommen. Das „Council of Economic Advisers“ (CEA), ein Beratungsorgan des US-Präsidenten, geht in diesem Fall sogar von einem Einbruch um 45 Prozent im dritten Quartal aus.

Einschneidender für die Weltwirtschaft wäre jedoch, dass das ohnehin bestehende Risiko eines wirtschaftlichen Abschwungs in den Vereinigten Staaten größer würde. Mittelfristig könnte sogar der Status des Dollars als globale Reservewährung in Frage gestellt werden, wenn die USA ihre Auslandsschulden nicht mehr bedienen können.

Zahlungsausfall würde Euro wohl stärken

Welche Auswirkungen sich für Deutschland und Europa ergeben, sei „eine Frage mit viel Wenn und Aber“, sagt Ralf Umlauf, Experte der Landesbank Hessen-Thüringen. Sollte es tatsächlich zu einem Zahlungsausfall der USA kommen, könnte der Dollar stark an Wert verlieren. Im Gegenzug dürfte der Euro erheblich aufwerten. „Der deutschen Exportwirtschaft käme das in der ohnehin schwierigen Wirtschaftslage sehr ungelegen, da der stärkere Euro ihre Waren international verteuern würde“, warnt Umlauf.

Auch sei denkbar, dass es über die Kapitalmärkte zu einem zusätzlichen globalen Zinsschub komme – was ebenfalls eine Belastung für die deutsche wie europäische Wirtschaft wäre. „Entscheidend für die konkreten Auswirkungen dürfte aber sein, wie lange sich der Schuldenstreit tatsächlich hinzieht“, erwartet Umlauf.

Die meisten Experten rechnen zwar mit einer Einigung. Diese könnte aber erst in letzter Sekunde erfolgen, um maximalen Druck auf die Gegenseite zu erzeugen. Michael Krautzberger, Head of Fundamental Fixed Income beim Vermögensverwalter Blackrock, sagte am Mittwoch: „Meine US-Kollegen sind sehr besorgt. Die Anreize sind so, dass man keinen schnellen Kompromiss finden wird. Wir erwarten einen Deal in letzter Minute.“

Allein diese Situation und die Unsicherheit, die sich daraus ergibt, könnte beispielsweise zu einem Abverkauf von US-Risikoanlagen führen. Wenn aber diesen Unternehmen das Geld fehlt, könnte das die Rezession in den USA beschleunigen.

Diese Optionen hat Biden noch

Doch selbst wenn sich Republikaner und Demokraten nicht einigen, hätte Präsident Joe Biden noch Optionen. Zum einen gibt es in den USA schon seit längerer Zeit die verfassungsrechtliche Diskussion, ob sich die Schuldenobergrenze nicht aus dem 14. Zusatzartikel heraus erhöhen ließe. Dieser besagt, dass die „Gültigkeit“ der staatlichen Schulden, „nicht hinterfragt werden sollte“. Die US-Regierung könnte sich darauf berufen – und die Fed zur Zahlung anweisen. Joe Biden sagte bereits, dass er darüber nachdenke.

Eine andere und möglicherweise sogar die pragmatischste Option, ist eine kurzfristige Anhebung der Schuldengrenze – beispielsweise bis zum Ende des Fiskaljahres am 30. September. Auch das sei eine der Ideen, bestätigte Biden. Man könnte zum Beispiel ungenutzte Corona-Hilfen hierfür umwidmen. Allerdings würde dies zu weiteren politischen Verstimmungen mit den Republikanern führen, weshalb Bidens Sprecherin Karine Jean-Pierre konkrete Pläne vorerst zurückwies.

Deutlich kreativer klingt der Plan für eine „Billion-Dollar-Münze“, der bereits in der Schuldenkrise 2011 aufkam. Hierfür könnte die US-Regierung eine physische Münze schaffen, die bei der Notenbank „Fed“ hinterlegt ist. Im Gegenzug würde sie sich frisches Geld in entsprechendem Umfang besorgen. Obwohl die Idee von Ökonomen wie Paul Krugman unterstützt wird, hat sie realpolitisch wohl kaum eine Chance. Sowohl Biden als auch Finanzministerin Yellen halten sie derzeit für den falschen Weg.

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