Es ist derzeit nicht leicht, positive Urteile über den Zustand der deutschen Volkswirtschaft zu finden. Erst am Montag sorgte ein Standortranking des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) für Aufsehen, das die Bundesrepublik auf einem desolaten 18. Rang unter 21 Industrieländern verortete. Auch andere Studien, etwa vom Institut der Deutschen Wirtschaft oder der privaten Business School IMD in Lausanne, zeichneten zuletzt ein ähnliches Bild. Umso überraschender erscheint daher eine neue Untersuchung der Schweizer Investmentboutique TSG, die Deutschland in puncto Innovationskraft ein ziemlich gutes Zeugnis ausstellt.
Laut TSG erzielt kein Land in Europa höhere Innovationsumsätze als Deutschland – und gemessen an den Gesamteinnahmen stehen nur drei Länder vor der Bundesrepublik: Belgien, Schweiz und die Niederlande. Deutschland sei demnach auch deutlich innovativer als der Weltdurchschnitt: Der sogenannte SI-Score der Welt liegt bei 4,0, derjenige von Deutschland bei 6,0. Vor allem in den drei Bereichen Advanced Materials, Robotik und Automatisierung sei die Bundesrepublik extrem erfolgreich.
Die Studienautoren setzen einen deutlich anderen Schwerpunkt als das ZEW, das seine Studie im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen durchführte und sechs Politikfelder untersuchte – darunter Steuern, Arbeit und Regulierung. Die TSG fokussierte sich auf die Innovationskraft von 28 europäischen Ländern. Die Autoren ermittelten für alle Staaten den sogenannten Innovations-Output, das heißt je Land wurden die ausgewiesenen Innovationsumsätze der jeweiligen börsennotierten Unternehmen betrachtet. „Anlegerinnen und Anleger können so erkennen, wo Innovation bereits messbare und greifbare Ergebnisse in Form von Geldzuflüssen für Unternehmen bringt“, schreiben die Autoren.
Belgien liegt ganz vorne
Anschließend wurde die Summe aller Innovations-Outputs eines Landes durch die Gesamteinnahmen geteilt – so ergibt sich (als Prozentzahl) der SI-Score, für Deutschland sind das die erwähnten 6,0. Spitzenreiter ist hier Belgien mit einem Score von 11,5. Der sei allerdings maßgeblich auf das Unternehmen Umicore zurückzuführen, erklärt TSG. Der Weltmarktführer für Werkstoffe und Batterie-Recycling hat allein einen SI-Score von 85. Auf Platz zwei liegt die Schweiz mit 9,8 Punkten, die besonders stark in den Bereichen Robotik und Bioninformatik sei. Und nur knapp vor Deutschland liegen die Niederländer mit einem Score von 6,1 – vor allem getrieben durch hohe Umsätze in den Bereichen Rechenleistung und Advanced Materials.
Die Ergebnisse wollen die Autoren allerdings maximal als Ergänzung zu bestehenden Rankings verstanden wissen – etwa dem European Innovation Scoreboard (EIS) der Europäischen Kommission. „Während das EIS vor allem Einblick in den Aufwand der Länder gibt, welcher in Innovation fließt, konzentriert sich unsere Analyse darauf, wo tatsächlich bereits Innovationseinnahmen erwirtschaftet werden“, erklärt Shiko Ben-Menahem, Research Director bei TSG. „Sie bietet speziell Anlegern also eine gute Grundlage und Orientierung.“ Übrigens: Im EIS steht Deutschland nur auf Rang neun.