Netflix hat das Streamen von Videos zur digitalen Normalität gemacht. Dabei begann diese Erfolgsgeschichte ausgerechnet mit einem sterbenden Medium. Denn anfangs hatte der Konzern noch per Post DVDs verliehen.
Netflix ist dabei weit mehr als ein Dienstleister, der Filmstudios und TV-Sendern die Zuschauer abjagt. Der Konzern produziert eigene Serien und Filme und will in diesem Jahr 15 Mrd. Dollar in Inhalte stecken – drei Milliarden mehr als das Jahr zuvor.
Dahinter steckt aber auch eine Überlebensstrategie. Denn der eigene Erfolg könnte dem Streaming-Giganten zum Verhängnis werden: Er muss nicht nur gegen alte Konkurrenten wie Amazon und neue Wettbewerber wie Apple bestehen. Sender und Studios, allen voran Disney, ziehen Inhalte ab und steigen nun mit eigenen Plattformen ins lukrative Streaminggeschäft ein.
So wurde Netflix zum Online-Giganten
So wurde Netflix zum Online-Giganten
Netflix wurde 1997 im kalifornischen Scotts Valley vom Softwareunternehmer Reed Hastings (Bild) und dem Marketingdirektor Marc Randolph gegründet. Der Mathematiker Hastings hatte im selben Jahr seine Softwarefirma Pure Atria für 700 Millionen Dollar verkauft. Er steckte 2,5 Millionen Dollar in sein neues Start-up. Das bot ab 1998 online DVDs zum Verleih und Verkauf an.
1999 begrüßte Netflix seine ersten Abonnenten. Sie konnten für einen monatlichen Pauschalbetrag so viele DVDs ausleihen, wie sie wollten. Damit Kunden auch fündig wurden, führte das Unternehmen im Jahr 2000 ein personalisiertes Empfehlungssystem ein, das Mitgliedern anhand von Bewertungen Titel vorschlug.
Netflix ging fünf Jahre nach der Gründung an die Börse. Damals, im Jahr 2002, konnte das Unternehmen in den USA rund 600 000 Abonnenten vorweisen. Ihre Zahl stieg anschließend sprunghaft an. 2005 waren es laut der offiziellen Unternehmenshistorie bereits 4,2 Millionen Kunden.
Anfangs guckten Netflix-Kunden Filme und Serien auf ihren Computern. Der Konzern bemühte sich aber früh darum, seine Inhalte auch auf den Fernseher zu bekommen. Fernseher mit Internetzugang gab es damals zwar nicht. Also arbeitete Netflix mit Microsoft und Sony zusammen, um seine digitalen Inhalte per Xbox oder Playstation auf TV-Geräte übertragen zu lassen. 2010 war der Streamingdienst auch auf iPhone und iPad verfügbar.
Der Streamingdienst hatte sich anfangs auf den US-Markt konzentriert. 2010 startete das Unternehmen seinen Dienst in Kanada. 2012 folgte das Vereinigte Königreich. Zwei Jahre später kam Deutschland hinzu und die weltweite Abonnentenzahl stieg auf mehr als 50 Millionen. 2016 konnte das Unternehmen verkünden: Netflix ist weltweit verfügbar.
Netflix produziert immer mehr eigene Inhalte beziehungsweise kauft exklusiv die Rechte an neuen Produktionen. Damit trat der Streamingdienst auch bei Preisverleihungen schnell in direkte Konkurrenz mit den alteingesessenen Sendern. 2013 wurde Netflix als erster Online-Anbieter beim TV-Preis Emmy nominiert. Die Erfolgsserie „House of Cards“ konnte drei Preise abräumen. 2018 gewann Netflix bereits 23 Primetime-Emmys und zog mit dem „Game of Thrones“-Sender HBO gleich. Auch für „The Crown“ gab es Preise.
Netflix setzte nach Serien schnell auch auf Spielfilme. 2015 feierte das erste Netflix-Original „Beasts of No Nation“ Premiere. Dann wurde das einst Undenkbare wahr. Der Streamingdienst führte nicht nur dazu, dass immer mehr Menschen den Kinos fernblieben. Der Online-Riese wagte es, den traditionsreichen Filmstudios in ihrem eigenen Revier entgegenzutreten – mit Erfolg. 2018 gewann das von Netflix- Drama „Roma“ von Alfonso Cuarón drei Oscars, darunter für die beste Regie.
Netflix' Hits machen das Abo für viele Menschen zur Pflicht, um bei neuen popkulturellen Phänomenen mitreden zu können. 2019 half die dritte Staffel von „Stranger Hits“ dabei, die Kundenzahlen nach oben zu treiben. Im Jahr zuvor hatte der Horrorthriller „Birdbox“ mit Oscar-Preisträgerin Sandra Bullock einen Hype samt Augenbinden-Challenges ausgelöst. Und Aufräumexpertin Marie Kondo sorgte dafür, dass plötzlich überall auf der Welt Netflix-Kunden ihre Kleiderschränke ausmisteten.