Können niedrige Preise schädlich sein? Ja, findet Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU). Sie hat eine Debatte über womöglich zu niedrige Preise für Lebensmittel in Deutschland angestoßen. In der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ warf sie Anfang des Jahres den Supermärkten „Dumpingpreise“, insbesondere beim Fleisch vor. Klöckner machte aber auch eine „Doppelmoral“ unter den Verbrauchern aus. Die seien häufig nicht bereit, für Lebensmittel faire Preise zu zahlen.
Tatsächlich wenden nur wenige EU-Bürger prozentual weniger ihrer Konsumausgaben für Essen auf als die Deutschen. Dabei muss man natürlich berücksichtigen, dass Europäer mit einem geringen Haushaltsbudget einen höheren Anteil für die Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse ausgeben müssen.
Deutsche zahlen (zu) wenig für Lebensmittel
Laut der Statistikbehörde Eurostat entfielen 2018 bei einem durchschnittlichen Haushalt 12,1 Prozent der privaten Konsumausgaben auf Lebensmittel und nicht-alkoholische Getränke. Das war der größte Posten nach Wohnen (24,0 Prozent) und Transport (13,2 Prozent). Die Spanne ist jedoch enorm. In einem Land müssen Bürger prozentual so viel für Essen ausgeben, wie andere Europäer für Miete aufwenden. Die Statistik zeigt aber auch, dass in manchen EU-Staaten noch weniger für Lebensmittel aufgewendet wird als in Deutschland.
Diese fünf EU-Länder geben jeweils am meisten und am wenigsten für Essen aus.
#5 Höchste Ausgaben für Lebensmittel: Kroatien
Privathaushalte in Kroatien haben 2018 rund 18,8 Prozent ihrer Konsumausgaben für Lebensmittel und nicht-alkoholische Getränke ausgeben. Das war laut Eurostat in der Europäischen Union der fünfthöchste Wert.
#4 Höchste Ausgaben für Lebensmittel: Bulgarien
Bulgarien weist das niedrigste Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in der EU auf. Auch in der Einkommensstatistik rangieren die Bulgaren ganz unten. 19,1 Prozent ihrer Konsumausgaben entfallen auf Lebensmittel.
#3 Höchste Ausgaben für Lebensmittel: Estland
Bei den Esten entfielen im Durchschnitt 19,6 Prozent der privaten Konsumausgaben auf Lebensmittel. Das bedeutete im EU-Ranking Platz drei.
#2 Höchste Ausgaben für Lebensmittel: Litauen
In Litauen musste mehr als ein Fünftel des Haushaltsbudgets (20,9 Prozent) für Essen ausgegeben werden. Das war der zweithöchste Wert in der EU.
#2 Höchste Ausgaben für Lebensmittel: Rumänine
Rumänien liegt mit weitem Abstand auf dem ersten Platz. 27,8 Prozent der privaten Konsumausgaben entfielen laut Eurostat 2018 allein auf Lebensmittel und nicht-alkoholische Getränke. Das war mehr als doppelt so viel wie der EU-Durchschnitt von 12,1 Prozent.
#5 Niedrigste Ausgaben für Lebensmittel: Deutschland
Am anderen Ende der Skala eröffnet Deutschland die Top 5 der Länder, die anteilsmäßig am wenigsten für Essen ausgeben. 10,8 Prozent waren es laut Eurostat 2018. Deutschland unterbot damit knapp die Werte in den Niederlanden und Dänemark (jeweils 11,4 Prozent) sowie in Finnland (11,6 Prozent). Das Statistische Bundesamt kam für 2017 auf Ausgaben von monatlich 348 Euro oder 13,8 Prozent. Allerdings waren hier alle Getränke sowie Tabakwaren eingerechnet.
#4 Niedrigste Ausgaben für Lebensmittel: Österreich
In vier Ländern der EU sinkt der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel unter die Marke von zehn Prozent. In Österreich haben private Haushalte 2018 rund 9,7 Prozent ihrer Konsumausgaben für Essen verwendet.
#3 Niedrigste Ausgaben für Lebensmittel: Luxemburg
Luxemburger zahlten 9,1 Prozent der Konsumausgaben für Lebensmittel. Das war rund ein Viertel weniger als der EU-Durchschnitt.
#2 Niedrigste Ausgaben für Lebensmittel: Irland
In nur einem anderen Land der EU wird so wenig Geld für Essen ausgegeben wie in Irland. Die Quote lag 2018 laut Eurostat bei 8,7 Prozent. Daran dürften auch deutsche Discounter ihren Anteil haben. 1999 sorgte Aldi unter irischen Verbrauchern für einen Kulturschock. Im Jahr darauf zog Lidl nach.
#1 Niedrigste Ausgaben für Essen: Großbritannien
Touristen sind womöglich verwirrt und fragen vorsichtshalber nach. Denn der Preiskampf unter britischen Supermärkten verleiht dem Begriff „Dumping“ eine ganz neue Dimension. Die Kette Tesco etwa bietet für umgerechnet 3,50 Euro eine Kombination aus Hauptgericht, Snack und Getränk an. Da bekommt der Kunde beispielsweise einen Nudelsalat mit getrockneten Tomaten, frische Ananas und einen grünen Smoothie im Paket für ein Drittel des Gesamtpreises. Angesichts solcher Angebote überrascht es nicht, dass das Vereinigte Königreich die Hitliste der billigsten Länder anführt. Gerade mal 7,8 Prozent der privaten Konsumausgaben entfielen 2018 auf Lebensmittel. Das war in etwa die Hälfte der Quote von Tschechien, Italien oder Portugal.