Wochenlang hat die offizielle Corona-Warn-App auf sich warten lassen, seit Dienstag ist sie offiziell auf dem Markt. Einen Tag nach ihrer Vorstellung, spricht Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bereits von einem „starken Start“ . Knapp 6,5 Millionen Downloads zählte sein Ministerium bis Mittwochmorgen.
Über Bluetooth misst die App, ob sich mehrere Smartphone-Nutzer über einen längeren Zeitraum näher als etwa zwei Meter kommen. Die Daten speichert die App auf dem Handy. Infiziert sich einer der Nutzer mit dem Coronavirus und teilt das über die App, informiert sie alle Kontaktpersonen, die sich in der Nähe des Erkrankten aufhalten.
International gehört Deutschland damit auch offiziell zum Club der Länder mit eigener Tracing-App. Weltweit setzen rund 40 Staaten auf die digitale Anwendung, um Infektionsketten nachzuverfolgen. Deutschland zählt mit dem Starttermin Mitte Juni zu den Spätzündern – und ist damit nicht allein. Auch in Großbritannien und in der Schweiz steckt die offizielle Tracing-App noch in der Testphase. In der Schweiz könnte die Corona-Warn-App Ende Juni an den Start gehen. Die dafür nötige Gesetzesänderung wurde bereits Anfang Juni beschlossen .
Die norwegische App „Smittestopp“ liegt dagegen vorerst auf Eis . Grund sind Datenschutz-Bedenken. Das nationale Gesundheitsinstitut kündigte am Dienstag an, „Smittestopp“ solle keine Daten mehr einsammeln. Neben Norwegen ernteten auch die Emirate Bahrain und Kuwait zuletzt Kritik für den Datenschutz ihrer Apps. In einem Vergleich verschiedener Tracing-Apps kritisierte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International die drei Länder für die Verletzung der Privatsphäre und des Datenschutzes der App-Nutzer.
Auch andere Länder ziehen mittlerweile erste Bilanzen über den Erfolg ihrer eigenen Tracing-Apps. Capital zeigt eine Auswahl.
Diese Länder haben die Corona-Warn-App schon
Diese Länder haben schon Corona-Apps

Singapur galt mit seiner Tracing-App lange als Vorbild für viele andere Länder – und auch für Deutschland. Nach knapp drei Monaten ist die Bilanz für „Trace Together“ allerdings bescheiden: Rund 1,8 Millionen Menschen haben die App mittlerweile heruntergeladen, das entspricht etwa einem Drittel der Einwohner. Rund 75 Prozent der Bevölkerung hätten laut der Regierung für ein erfolgreiches Tracking von Infizierten teilnehmen sollen. Mittlerweile ist Singapur deshalb auf einen Corona-Token umgeschwenkt. Ähnlich wie die App soll er mittels Bluetooth-Signal andere Token und Tracing-Apps registrieren. Entpuppt sich einer der Kontakte später als Covid-19-Fall, können die Token-Daten heruntergeladen und über mehrere Tage zurückverfolgt werden.

Spanien zählt insgesamt neun verschiedene Corona-Warn-Apps, die vor allem von den verschiedenen Regionen ins Leben gerufen wurden. Die erste dieser Apps ging in Madrid an den Start. Basierend auf ihr entwickelte zuletzt auch die spanische Regierung eine Anwendung namens Asistencia Covid-19. Viele Apps setzen vor allem auf Tests zur Selbsteinschätzung von Symptomen und bieten Informationen und Hinweise auf entsprechende Kontaktstellen. Einige der Apps verfolgen den Standort der Nutzer oder fragen personalisierte Daten ab. Kritiker sehen darin eine Verletzung des Datenschutzes der Nutzer.

Seit Anfang Juni ist in vier Regionen Italiens die App „Immuni“ aktiv. Noch befindet sich die Anwendung in der Testphase. Kurz nach dem Test-Start wurde sie aber bereits von zwei Millionen Nutzern in den Regionen Apulien, Ligurien Abbruzen und Marken heruntergeladen. Italien war von der Corona-Pandemie in den vergangenen Monaten besonders stark betroffen. Seit Februar sind mehr als 34.000 Menschen an dem Virus gestorben (Stand: Mitte Juni). Schwerpunkt der Pandemie war die norditalienische Lombardei.

Etwa zwei Millionen Israelis nutzen seit Ende März die Tracing-App „Ha-Magen“. Das entspricht etwas weniger als einem Viertel der Bevölkerung. Dennoch mache sich die App positiv bemerkbar. Laut Angaben des israelischen Gesundheitsministeriums habe man bislang einige Tausend Personen ermittelt, die in der Nähe eines Infizierten waren. Immer wieder kam es in der App aber auch zu Fehlalarmen, weil die GPS-Daten nicht durchgängig genau waren.„Ha-Magen“ setzt auf GPS, der Entwickler Globe Keeper arbeitet auch an einer Variante auf Bluetooth-Basis. Die neue App namens „Safe“ könnte in einigen US-Bundesstaaten zum Einsatz kommen, mit denen sich Globe Keeper aktuell in Gesprächen befindet.

50 Millionen Nutzer zählte die indische Tracing-App „Aarogya Setu“ schon in den ersten zwei Wochen, wie die Behörden berichteten. Bis Mitte Mai waren es 100 Millionen Menschen – gemessen an der Gesamtbevölkerung entspricht das einem Zehntel. „Aarogya Setu“ ist dabei breiter aufgestellt als andere Apps. Sie registriert über Bluetooth nicht nur Smartphones in ihrer Nähe, sondern wertet mittels GPS auch den Standort der Nutzer aus. Laut Angaben der Behörden von Mitte Mai, haben seit Einsatz der App Ende März 140.000 App-Nutzer eine Warnung nach Kontakt mit möglichen Infizierten erhalten.

Anfang Mai ging die App „Covid Safe“ an den Start, rund 6,2 Millionen Australier – und damit knapp jeder Vierte – haben sie seitdem heruntergeladen. Die Ergebnisse sind bislang aber überschaubar. Genau einen Infizierten hat „Covid Safe“ bis Anfang Juni registriert. Allerdings ist auch die Zahl der Neuinfizierten in diesem Zeitraum mit unter zwei am Tag gering. Hinzu kommen Probleme beim Austausch zwischen dem Apple- und Android-Betriebssystem – und auch die Bluetooth-Technik ist nicht immer präzise genug.

Eine einheitliche Tracing-App gibt es in China nicht, je nach Stadt oder Provinz kommen verschiedene Plattformen zum Einsatz. Zentral ist für Nutzer dabei ein QR-Code, der an Kontrollpunkten wie vor Einrichtungen und Bahnhöfen gescannt werden muss. Der Code enthält dabei entweder die Farbe Rot, Gelb oder Grün für das Infektionsrisiko – basierend auf den Angaben der Nutzer. Bei Grün können sich Nutzer frei bewegen, bei Gelb ist eine Woche, bei rot zwei Wochen Selbstquarantäne nötig. Erstellt wird der Code unter anderem bei einigen Bezahldiensten wie Alipay, die Namen, Adresse und Ausweisnummer abfragen. Dazu greift die App auch auf weitere Daten darunter kürzlich unternommene Reisen oder das soziale Umfeld zurück, heißt es laut staatlichen Angaben.

Schon Ende März ging Österreich mit seiner Corona-Warn-App an den Start. „Stopp Corona“ stammt vom Österreichischen Roten Kreuz und wurde zusammen mit der Beratungsfirma Accenture entwickelt. Rund 300.000 Österreicher nutzen die App mittlerweile. Bislang reicht das aber nicht, damit die App ihren Zweck erfüllt – nötig wären etwa 5,4 Millionen Menschen. Vorschläge, die Nutzung von „Stopp Corona“ verpflichtend zu machen, stießen allerdings schnell auf Kritik. Bisher ist die Nutzung der App freiwillig.

In kaum einem Land funktioniert der Download der Corona-Warn-App so gut wie in Island. Rund 40 Prozent aller Isländer nutzen die App bereits. Anstatt Bluetooth setzt die „Rakning C-19“ dabei auf GPS. Die Zahl der Neuinfektionen war in Island in den vergangenen Wochen verschwindend gering. Der App wird dieser Erfolg aber nur bedingt zugeschrieben. In einigen Fällen sei sie hilfreich gewesen, heißt es vom Leiter der Corona-Tracing-Einheit der isländischen Polizei gegenüber der „MIT Review“. Eine Wende habe die App für die Eindämmung des Virus aber nicht bedeutet. Island hat bisher vor allem auf flächendeckende Test, strenge Isolation und die analoge Nachverfolgung von Kontakten gesetzt.

Im Emirat Katar ist die Corona-Warn-App seit dem 22. Mai Pflicht. Wer sie nicht auf dem Handy installiert hat und bei einer Kontrolle erwischt wird, muss mit Geldstrafen bis zu umgerechnet 50.000 Euro oder sogar mit Haftstrafen bis zu drei Jahren rechnen. Kurz nach ihrem Start wurden allerdings Sicherheitslücken bei „Ehteraz“ bekannt. Der Menschenrechtsorganisation Amnesty International zufolge sollen zwischenzeitlich bis zu eine Million persönlicher und gesundheitlicher Daten für Dritte zugänglich gewesen sein. Mittlerweile ist das Sicherheitsleck behoben.

Schon vor zwei Wochen ging „StopCovid“ in Frankreich an den Start. Mittlerweile haben 1,5 Millionen Menschen die App heruntergeladen. Laut Angaben der französischen Regierung müssten es aber vier- bis fünfmal so viele – also in etwa ein Zehntel der französischen Bevölkerung – sein, damit die Corona-Warn-App ihre Wirkung entfaltet. Noch lässt der Erfolg von „StopCovid“ also auf sich warten.