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Interview Online-Reisebüro Tourlane: „Wir haben uns in der Krise bewährt“

Tourlane-Gründer Julian Weselek musste sein Start-up durch ein schwieriges Jahr navigieren
Tourlane-Gründer Julian Weselek musste sein Start-up durch ein schwieriges Jahr navigieren
© PR
Das Online-Reisebüro Tourlane hat wie viele Start-ups aus der Branche massiv unter der Coronapandemie gelitten. Wie geht es der Firma heute, ein Jahr nach dem Beginn der Krise? Gründer Julian Weselek antwortet im Interview

Vom Überflieger zum Problemkind: Das Online-Reisebüro Tourlane wurde wie viele andere Start-ups aus dem Reisesektor von der Coronakrise massiv getroffen. Dabei gehörte es vor der Pandemie zu den größten Hoffnungsträgern der deutschen Gründerszene, konnte etwa den legendären US-Geldgeber Sequoia von einem Investment überzeugen.

Schon im vergangenen Sommer erzählten die Grüner Julian Stiefel und Julian Weselek im Capital-Podcast „Die Stunde Null“ , wie ihre Buchungen zu Beginn der Krise einbrachen. Im Sommer sah das Start-up dann einen kleinen Aufwärtstrend, bevor der zweite Lockdown die Firma wieder zurück in eine Art „Winterschlaf" schickte.

Wie übersteht man so ein Jahr? Wie kann sich ein junges Start-up das leisten? Und wann könnte das Geschäft wieder in normale Bahnen zurückkehren? Julian Weselek stellt sich im Interview diesen Fragen.

Herr Weselek, wie geht es Tourlane heute, ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie?

Die Lage ist derzeit unverändert. Wir haben im letzten Sommer einen leichten Aufwärtstrend gesehen, aber ansonsten hat sich das Buchungsvolumen auf etwa zehn Prozent des Vor-Corona-Niveaus normalisiert. Wir erwarten, dass es noch drei bis sechs Monate dauern wird, bis das Infektionsgeschehen so stabil ist, dass Konsumenten Klarheit haben – und die Nachfrage wieder anzieht. Denn dass die Kunden reisen wollen, sehen wir weiterhin. Gestern kam gerade eine Buchung rein – für Neuseeland im Jahr 2023.

Noch drei bis sechs Monate bis zu einer Normalisierung – das ist vermutlich deutlich später als Sie es sich im vergangenen Jahr erhofft haben, oder?

Wir haben immer in verschiedenen Szenarien gedacht und gerechnet. Wir sind gerade bei einem mittleren Szenario angelangt. Wir hatten die Hoffnung, dass sich die Lage schon im Januar stabilisieren würde, und die Leute anfangen würden zu buchen. Dem ist aktuell leider noch nicht so. Mit unserer Firma planen wir aber sehr konservativ, wir sind weiterhin gut aufgestellt und unsere Investoren vertrauen uns. Im November haben sie noch einmal eine Finanzierungsrunde erweitert – das ist das klare Signal, dass sie unserer Strategie folgen.

Wie haben Sie vor einem Jahr auf den Ausbruch der Pandemie reagiert?

Wir haben zunächst das Marketing komplett heruntergefahren, dann operative und umsatzabhängige Teams in Kurzarbeit geschickt. Und dann auch vereinzelt Stellen abgebaut, primär für Themen, die keine strategische Relevanz über die nächsten zwei, drei Jahre haben – so haben wir die internationale Expansion gestoppt. Aber es gab auch Bereiche, bei denen wir ganz bewusst nichts angepasst haben – Technologie zum Beispiel. Wir nutzen die Zeit in der Krise, um bei dem Thema weiterzukommen.

Womit zum Beispiel?

Da geht es zum einen um ein verbessertes Kundenerlebnis und darum, die Visualisierung von Trips mit Beschreibungen und Bildern zu optimieren. Das zweite ist, auf der Supply-Seite mehr Partner an unsere Systeme anzubinden, damit sie direkt buchbar werden. Und drittens haben wir die Zeit genutzt, um Themen anzugehen, die im laufenden Betrieb schwer zu verbessern sind. Operative Prozesse sind schwer zu verändern, wenn man mit 220 Stundenkilometern unterwegs ist. Am Anfang der Krise waren wir zum Beispiel erschlagen von den ganzen Stornierungen und Umbuchungen. Jetzt haben wir Lösungen gebaut, mit denen wir das automatisierbar und skalierbar auch bei Reisen mit 30 Komponenten umsetzen können.

Im Sommer gab es dann den temporären Aufwärtstrend. Wie stark war der bei Ihnen?

Das ging zwei bis drei Monate, immer entsprechend der Lockerungen. Wir haben in diesem Zeitraum etwa 40 Prozent des Umsatzvolumens aus der Vor-Corona-Zeit erreicht. Aber wir haben auch gesehen, dass nur ganz wenige Länder als Reiseziele in Frage kamen. Das lag nicht an den Kunden, sondern daran, dass Reisen extrem volatil war: Flüge wurden von einem auf den anderen Tag storniert, jedes Land hatte ein anderes Vorgehen. Das macht es für Unternehmen extrem schwierig, durch die Lage zu navigieren.

Die Investoren haben uns noch einmal neu kennen gelernt, in einer Krisensituation
Julian Weselek

Was ist, wenn es nicht drei oder sechs, sondern neun oder zwölf Monate dauert, bis sich die Situation normalisiert?

Das ist in unseren Szenarien mit eingeplant. Wir sind sehr langfristig finanziert. Wir wissen nicht, wie schnell der Umsatz zurückkommen wird – und deshalb haben wir unsere Szenarienplanung so umsatzunabhängig wie möglich aufgestellt. Wir haben jetzt zwei Mal versucht, bestmögliche Annahmen zu treffen, aber es kam immer anders. Wir müssen die Firma jetzt einfach weiter flexibel steuern. Ich glaube fest daran, dass wir gestärkt aus der Krise kommen – weil wir ein Start-up sind. Wir sind es als Start-up gewohnt, dass nicht alles immer in geordneten Bahnen verläuft. Das Auf und Ab ist Teil unserer DNA. Wir sind innovativ und probieren neue Sachen aus.

Bei Ihnen klingt es so, als hätten die Investoren grenzenloses Vertrauen in diese Firma. Ist das wirklich so?

Ja. Der Glaube unserer Gesellschafter an Tourlane wurde durch Corona nur noch mehr verstärkt. Wir haben uns in dieser Krise bewährt. Jeder Unternehmer kennt Auf und Abs. Doch eine derartige Megakrise gab es vorher noch nicht und hoffentlich werden wir in unserem Unternehmerleben nicht noch einmal eine solche erleben. Die Investoren haben uns nochmal neu kennen gelernt, in einer Krisensituation.

Wie ist das mit dem Geschäftsmodell von Tourlane, ist da das Vertrauen ungebrochen?

Ja, wir sehen uns in unserem Geschäftsmodell nur bestätigt. Der Trend wird noch mehr zu Individualreisen gehen. Man will nicht mehr mit 200 Leuten in einem Flieger sitzen, um dann den gesamten Urlaub einfach nur im Hotel zu verbringen. Und die Digitalisierung beschleunigt sich – auch in unserem Markt, der sehr stark noch an klassischen Reiseveranstaltern und Reisebüros hängt. Das spielt uns in die Karten.

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