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Thema Özil und die C-Klasse

Mercedes-Benz wird als Hauptsponsor des DFB abgelöst. Dem Autokonzern bricht eine Säule in seiner Marketingstrategie weg
Immer auf Ballhöhe: Mercedes-Werbung bei einem Länderspiel
Immer auf Ballhöhe: Mercedes-Werbung bei einem Länderspiel
© Werner Amann

Die wichtigste Phase in der langjährigen Ehe zwischen dem DFB und Mercedes-Benz, die nun 2018 endet, begann als Geheimaktion. An einem Tag im Jahr 1990 habe sich eine DFB-Delegation unerkannt in die Mercedes-Zentrale hereingeschlichen, hat der ehemalige DFB-Präsident Wolfgang Niersbach einmal erzählt. Niersbach war damals Medienchef des Verbands, und bei dem geheimen Termin in Stuttgart ging es darum, einen neuen Vertrag vorzubereiten, mit dem der Automobilkonzern zum Hauptsponsor des DFB aufsteigt. Schon bei der Weltmeisterschaft in Italien liefen die Nationalspieler im Sommer mit dem Mercedes-Stern auf – obwohl der Vertrag erst später unterschrieben wurde. Auf der Weihnachtsfeier des DFB im Dezember.

Heute ist Mercedes-Benz bei der Nationalmannschaft allgegenwärtig – als einer der „Generäle“, der beiden wichtigsten Sponsoren des DFB. Als „Generalsponsor“ überweist der Autobauer dem Verband jedes Jahr einen sehr hohen einstelligen Millionenbetrag – mindestens. Die genaue Summe wird von beiden Seiten gehütet wie ein Staatsgeheimnis. Dafür darf Mercedes exklusiv sein Logo auf die Trainingskleidung des Teams drucken, darf Spieler und Trainer regelmäßig vor blank geputzten Autos fotografieren lassen, auf Presseterminen minutenlange Werbefilmchen zeigen und als einer von nur vier DFB-Partnern mit bewegten Bildern der Nationalmannschaft werben. Als Mercedes seine Kampagne zur WM 2014 in einer schicken Hamburger Location mit Blick über den Hafen präsentierte, kam auch Nationalteammanager Oliver Bierhoff und schwärmte von dem Spot. Natürlich trug er einen kleinen silbernen Stern am Jackett.

„Eine der wichtigsten Säulen im Marketing“

Aufwendige PR-Aktionen, für die Mercedes den DFB und die Nationalspieler einspannt, gibt es allerdings erst seit einigen Jahren. Lange Zeit hat sich Mercedes-Benz damit begnügt, dass sein Logo bei Spielen und Pressekonferenzen gut zu sehen ist, hat ein Auto ins Stadion gestellt oder bei DFB-Veranstaltungen einen Shuttleservice angeboten. Erst zur Europameisterschaft 2008 produzierte Mercedes die erste Imagekampagne mit der Nationalmannschaft. Seitdem nutzt das Unternehmen das Schaufenster Nationalmannschaft viel aggressiver - ein Schaufenster, das ab 2019 Wettbewerber VW bestücken darf. Die Wolfsburger haben den bisherigen Rechteinhaber ausgestochen, indem sie dem DFB künftig angeblich 25 bis 30 Mio. Euro pro Jahr überweisen. Vor allem bei dem Bemühen, jüngere Zielgruppen zu erschließen, hat das DFB-Team für Mercedes in den vergangenen Jahren eine immer wichtigere Rolle eingenommen.

„Die Partnerschaft mit dem DFB ist eine der wichtigsten Säulen im Marketing von Mercedes-Benz“, sagte Jens Thiemer, der Chef der Globalen Markenkommunikation des Autobauers, in einem Capital-Interview im Jahr 2014. „Die emotionale Plattform Fußball funktioniert mehr denn je für die Aktivierung unserer Zielgruppen.“ Vor der Europameisterschaft 2012 ließ der Konzern erstmals auch die Markteinführung eines neuen Modells hauptsächlich über das Nationalteam laufen. Damals warben Philipp Lahm, Lukas Podolski und die anderen DFB-Stars für die neue A-Klasse.

„Das war eine sehr erfolgreiche Kampagne mit starken Kaufzielgruppenwerten. Bei der Markensympathie haben wir um 20 Prozent zugelegt, bei der Produktbekanntheit um 60 Prozent“, sagte Mercedes-Manager Thiemer. Bei der WM 2014 wiederholte der Konzern die Strategie, die Nationalmannschaft als Bühne für ein neues Produkt zu nutzen, sogar noch aggressiver: diesmal mit der neuen C-Klasse.

Wenn Kampagnen mit der DFB-Auswahl geplant sind, muss Thiemer damit frühzeitig in den Konzernvorstand. Das Asset Nationalmannschaft hat im Daimler-Konzern „top management attention“, wie er es nennt. Schon lange, bevor die Spots gedreht werden, stimmt der Sponsor seine Pläne auch mit der Marketingabteilung des DFB und Teammanager Bierhoff ab. „Auch der DFB hat sich bei der Vermarktung geöffnet. Er ist genau wie wir bei Mercedes-Benz jünger und dynamischer geworden und gibt seinen Partnern mehr Raum“, sagte Thiemer.

Umgekehrt heißt es beim DFB, man habe Mercedes bis vor einigen Jahren ziemlich drängen müssen, mehr aus den Möglichkeiten zur gemeinsamen Vermarktung zu machen. Inzwischen nutzt der Autobauer sein Asset Nationalmannschaft aus eigenem Antrieb viel offensiver. Dazu gehören auch gemeinsame PR-Termine mit anderen Stars aus dem Mercedes-eigenen Sponsoringportfolio – so wie im WM-Trainingslager 2014, als DTM-Fahrer Pascal Wehrlein und Formel-1-Star Nico Rosberg eingeflogen wurden. Die PR-Aktion damals produzierte sogar mehr Schlagzeilen, als den Marketingstrategen lieb war, weil es bei einer Testfahrt mit den Mercedes-Piloten und einigen Nationalspielern zu einem Unfall mit verletzten Passanten kam. „Jede Partnerschaft im Sponsoring ist nichts wert, solange sie nicht richtig aktiviert wird“, sagte Thiemer. „Heute reicht es nicht mehr, ein Auto ins Stadion zu stellen oder einen Shuttle-Service anzubieten.“

Das größte Schaufenster für Sponsoren bleiben jedoch die großen Turniere. Die 360-Grad-WM-Kampagne über alle Kanäle, die mit einem eigenen Song garniert wird, ließ sich Mercedes noch einmal mehr kosten als die zur EM 2012. Der Aufwand für den von Werbeguru Jean-Remy von Matt inszenierten Spot war enorm: Damit Arsenal-Star Mesut Özil mit im Bild ist, gab es mit ihm einen gesonderten Nachdreh. Beim ursprünglichen Drehtermin war Özil verletzt und nicht bei der Mannschaft. Und im Hauptmotiv der Printkampagne, das sechs jubelnde Nationalspieler zeigt, wurde der damalige Dortmunder Ilkay Gündogan noch einmal durch seinen Vereinskollegen Mats Hummels ersetzt. Gündogan war zunächst groß im Mittelpunkt des Motivs zu sehen – fuhr aber wegen einer Rückenverletzung gar nicht mit nach Brasilien. Wenn es um die Nationalmannschaft geht, denken die Mercedes-Strategen an alles Mögliche. Ende 2018 ist dann Schluss - nach insgesamt mehr als 45 Jahren Partnerschaft.

Mehr zum Unternehmen Nationalmannschaft:Die Fußball AGDie Reportage über Oliver Bierhoff und das Unternehmen Nationalmannschaft lesen Sie in der neuen Capital. Hier geht es zum Abo-Shop, wenn Sie die Print-Ausgabe bestellen möchten.Foto: © Werner Amann

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