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Reiseveranstalter FTI-Insolvenz: Reisekonzern entlässt hunderte Mitarbeiter

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600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von FTI sind bereits freigestellt
© Steinsiek.ch / IMAGO
Drei Monate nach Anmeldung der Insolvenz von FTI wird der Reiseveranstalter nun abgewickelt. Hunderte Mitarbeiter in Deutschland verlieren ihren Job und viele Gläubiger werden wohl leer ausgehen

Gegen die Kerngesellschaften FTI Touristik und Big Xtra Touristik des Münchener Reisekonzerns FTI wurde am Sonntag das Insolvenzverfahren eröffnet. Der drittgrößte europäische Reiseveranstalter, der auf Schulden von 1 Mrd. Euro sitzt, wird nun abgewickelt.

Damit steht auch fest, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Job verlieren werden. Als FTI Anfang Juni Insolvenz anmeldete, beschäftigte die gesamte Gruppe rund 11.000 Menschen, davon mehr als 1000 in Deutschland. Rund 700 Angestellte von FTI Touristik und Big Xtra hierzulande sollen nun in diesen Tagen ihre Kündigung erhalten. 

600 Mitarbeitende von FTI und Big Xtra bereits freigestellt

Knapp 600 Beschäftigte wurden bereits mit Wirkung zum 1. September freigestellt, 130 werden noch bis zum Jahresende in einem „Abwicklungsteam“ weiterbeschäftigt, teilte die Insolvenzverwaltung Müller-Heydenreich Bierbach und Kollegen mit. Ende des Jahres werde der Betrieb dann endgültig stillgelegt. Mit 320 Mitarbeitenden hätte außerdem etwa ein Drittel der Belegschaft bereits neue Stellen gefunden – auch dank Bewerbertagen mit Kunden und Konkurrenten wie Tui, DER, der Deutschen Bahn oder Jochen Schweizer in der FTI-Zentrale in München.

Mit 7500 Personen sind die meisten Angestellten jedoch noch in Hotels vor Ort beschäftigt, deren Betrieb bisher uneingeschränkt weiterläuft. Hart treffen, wird die Kündigungswelle wohl vor allem die Mitarbeitenden unter der Dachmarke „Meeting Point International“, zu der Zielgebietsagenturen in 17 Ländern gehören mit insgesamt rund 1500 Beschäftigten. Nach Einschätzung des Insolvenzverwalters Axel Bierbach kann nur ein Teil dieser Agenturen fortgeführt werden.

Bierbach stellte klar, dass für den Betrieb des Gesamtkonzerns „keine Fortführungsaussichten“ bestehen. Das Reisegeschäft als Kern von FTI musste mit dem Insolvenzantrag eingestellt werden. „Weder war ausreichend Liquidität vorhanden, noch konnten Sicherungsscheine für Reisende ausgegeben werden. Die Durchführung und der weitere Verkauf von Reisen, insbesondere von Pauschalreisen, waren damit unmöglich“, erklärte Bierbach.

Gläubiger können Ansprüche stellen – mit geringen Erfolgsaussichten

Die schätzungsweise 350.000 Gläubiger können nun Ansprüche anmelden. Die meisten von ihnen sind Pauschaltouristen, die ihr Geld vom Deutschen Reisesicherungsfonds (DRSF) zurückbekommen sollen. Diesen wird die FTI-Insolvenz wahrscheinlich einen dreistelligen Millionenbetrag kosten. Betroffen sind außerdem viele Reisebüros, die ihre Provision erst nach Abreise der Kunden erhalten sollten. In einem Pressegepräch soll Bierbach die Frage in den Raum gestellt haben, inwiefern Reisebüros überhaupt einen Anspruch geltend machen dürfen.

Für alle anderen sind die Aussichten, ihr Geld zurückzubekommen, jedoch gering. Der Insolvenzverwalter kündigte bereits an, dass am Ende des Insolvenzverfahrens voraussichtlich nur eine geringe Quote herauskommen und sich das gesamte Verfahren voraussichtlich über mehrere Jahre hinziehen werde.

Auch der Bund ist einer der Gläubiger. Er hatte das Unternehmen während der Coronapandemie mit 595 Mio. Euro an Hilfsmitteln aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) gestützt. Aus Regierungskreisen war nach Bekanntwerden der Insolvenz zu hören, dass sich der Ausfall durch die Pleite unter Berücksichtigung der bereits erfolgten Rückflüsse voraussichtlich auf rund 84 Prozent beläuft. Das würde 500 Mio. Euro entsprechen. Für eine konkrete Schlussrechnung sei das weitere Verfahren abzuwarten, hieß es.

Fraglich ist weiterhin, warum für die FTI-Übernahme durch den Finanzinvestor Certares kein Kartellverfahren angemeldet war. Eigentlich hatte FTI im April verkündet, mit dem US-Unternehmen Certares einen Investor gefunden zu haben, der frisches Kapital ins Unternehmen stecken wollte. Doch wie Capital als erstes berichtete, war vor der Insolvenz im Juni gar kein kartellrechtliches Prüfverfahren angemeldet worden. 

Das Fachmagazin „Touristik Aktuell“ zitiert außerdem aus einem Pressegespräch, dass Bierbach der Frage nachgehen werde, ob bei FTI eine Insolvenzverschleppung vorliegt, der Antrag also zu spät gestellt wurde. Derzeit gebe es dafür keinen Anhaltspunkt. „Ja, FTI war in finanziellen Schwierigkeiten“, sagte der Insolvenzverwalter. Dies bedeute jedoch nicht automatisch, dass die Geschäftsführung antragspflichtig sei. 

Mit dpa

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