Die Corona-Pandemie hat 2020 plötzlich Grenzen wieder hochgezogen. Diese neuen Hürden im globalisierten Miteinander führten nicht nur beim internationalen Personen- und Warenverkehr zu massiven Behinderungen. Auch Investitionen in anderen Ländern wurden zunächst häufig lieber abgesagt oder zumindest aufgeschoben. Die Zahl der ausländischen Investitionsprojekte in Europa sank laut einer Analyse der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY 2020 um 13 Prozent. „Einen derartigen Einbruch gab es selbst im Jahr 2009 nicht“, hieß es bei der Vorstellung der Zahlen im Juni 2021.
„Fast alle wichtigen Investoren fuhren 2020 ihr Engagement in Europa zurück“, stellten die Analysten fest. „Vor allem britische Unternehmer zeigten sich deutlich zurückhaltender als im Vorjahr.“ Nahezu alle der zehn größten Investorennationen verzeichneten demnach 2020 ein Minus, meist im zweistelligen Prozentbereich. Kanada hatte in dem Bericht für 2019 mit einem Plus von 26 Prozent Platz zehn erreicht. Dieses Mal reichte es nicht mehr für die Spitzengruppe. Dafür konnte ein europäisches Land nachrücken.
Größte ausländische Geldgeber in Europa
Ausländische Geldgeber übten sich also in Zurückhaltung und nahmen auch neue Geschäftsfelder in den Blick. Laut EY wurden 2020 europaweit 5578 Investitionsprojekte ausländischer Investoren angekündigt. Zum Rückgang um 13 Prozent haben demnach vor allem Unternehmen aus dem Maschinenbau und der Autoindustrie beigetragen. Dort wurden die Investitionen laut EY um 21 beziehungsweise um 35 Prozent heruntergefahren.
„Klassische Industrieunternehmen mussten im vergangenen Jahr bei den Investitionen massiv auf die Bremse treten. Im produzierenden Gewerbe waren die Unsicherheit und die Umsatzeinbrüche vorübergehend sehr groß“, hieß es. „Pharmaunternehmen hingegen bauten ihre Kapazitäten kräftig aus – die Investitionen stiegen europaweit um 62 Prozent. Dieser Boom dürfte sich im laufenden Jahr fortsetzen.“
Für die Untersuchung wurden den Angaben zufolge Investitionsprojekte berücksichtigt, die zur Schaffung neuer Standorte und neuer Arbeitsplätze führten. „Portfolio- und M&A-Investitionen werden hingegen nicht berücksichtigt“, teilte EY mit.
Dies waren laut der Analyse 2020 die größten Investoren in Europa:
Diese Länder investieren am meisten in Europa

Schweden ist im EY-Ranking der größten Investoren in Europa in die Top 10 aufgerückt. Es löste Kanada auf Platz zehn ab. Schwedische Investoren planten demnach 2020 im europäischen Ausland 173 Projekte. Das waren 19 Prozent mehr als im Vorjahr. Schweden verzeichnete damit als einziges Land der Top 10 während der Corona-Pandemie mehr ausländische Investitionen.

Italienische Investoren fuhren ihr Engagement in Europa 2020 vergleichsweise gering zurück. EY zählte 190 Projekte. Das waren fünf Prozent weniger als im Vorjahr. 2019 hatten italienische Geldgeber noch ein Plus von zehn Prozent vorweisen können.

Japan gehörte hingegen zu den Verlierern des EY-Rankings. Japanische Unternehmen planten demnach nur noch 207 Investitionsprojekte in Europa. Das entsprach einem Rückgang von 17 Prozent und war das drittgrößte Minus der Top 10. Japan fiel vom siebten auf den achten Rang der größten Investoren in Europa. Bereits 2019 war die Zahl der Projekte um acht Prozent zurückgegangen.

Die Niederlande schrumpften ebenfalls zweistellig – allerdings weniger stark als Japan, weshalb die Niederlande einen Rang auf Platz sieben steigen konnten. EY registrierte 225 Investitionsprojekte im europäischen Ausland, elf Prozent weniger als im Vorjahr.

Die Schweiz kam wie die folgenden Länder der Top 10 auf denselben Platz wie im Vorjahr. EY verzeichnete für die Alpenrepublik nur zwei europäische Investitionsprojekte weniger. Das Minus von einem Prozent auf 256 Projekte war der geringste Rückgang in der Spitzengruppe. 2019 war das Engagement der Schweizer Investoren auf dem Kontinent mit minus zwölf Prozent sehr viel deutlicher zurückgegangen.

Das Interesse chinesischer Geldgeber an Firmen in Europa hat hingegen während der Corona-Pandemie überdurchschnittlich stark abgenommen. Die Analysten meldeten 261 Projekte und damit einen Rückgang um 16 Prozent. 2019 hatte China die Investitionen noch um 23 Prozent gesteigert.

Französische Investoren fuhren ihr Engagement laut dem Bericht in Europa um 15 Prozent zurück (Vorjahr: plus sechs Prozent). Sie steckten ihr Geld in nur noch 307 Projekte. Allerdings verringerte sich der Abstand zum Drittplatzierten des Rankings.

Keiner der größten ausländischen Geldgeber hat sein Engagement in Europa 2020 so stark gedrosselt wie das Vereinigte Königreich. Aus dem leichten Zuwachs in Höhe von drei Prozent aus dem Vorjahr wurde laut EY ein Absturz um 24 Prozent. Die Zahl der Investitionen fiel von 493 auf 375. Damit wuchs der Vorsprung Deutschlands auf die britischen Investoren.

„Auch deutsche Konzerne – traditionell die zweitgrößte Investorengruppe in Europa – waren zurückhaltender als 2019 und reduzierten ihr Engagement um elf Prozent“, berichtete EY. Die Analysten registrierten 603 Projekte, 72 weniger als im Vorjahr. Die Krise bekamen demnach vor allem Unternehmen in Mittel- und Osteuropa zu spüren. In diesen Regionen sei die Zahl der angekündigten deutschen Projekte um ein Drittel zurückgegangen. Dafür nahmen deutsche Geldgeber verstärkt Westeuropa in den Blick (plus drei Prozent). „Die wichtigsten Investitionsziele deutscher Unternehmen in Europa waren: Frankreich (159 Projekte, plus elf Prozent), Großbritannien (64 Projekte, minus 15 Prozent) und Spanien (60 Projekte; minus zehn Prozent)“, hieß es in dem Bericht.

Die Vereinigten Staaten sind während der Pandemie der mit Abstand größte Investor in Europa geblieben. EY ermittelte allerdings einen Rückgang um 18 Prozent auf 1213 Projekte. Das waren weiterhin mehr als doppelt so viele wie bei Deutschland auf Platz zwei. Die transatlantische Zurückhaltung bekamen laut EY insbesondere die Investitionsstandorte Frankreich (minus 19 Prozent) und das Vereinigte Königreich (minus 18 Prozent) zu spüren. Weniger stark waren Unternehmen in Deutschland betroffen (minus sechs Prozent).