Niemand kann sich dem Jahresende nähern, ohne einen Blick zurück zu werfen – was alles war dieses Jahr los! So lasen sich in dieser Woche auch die „Konjunkturausblicke“ für das kommende Jahr, sie waren zuallererst immer ein Blick zurück, staunend und erschrocken zugleich: um 11,5 Prozent brach die Wirtschaft in Deutschland ein im ersten Halbjahr, um 30 Prozent ging die Industrieproduktion allein von Februar bis April zurück.
Innerhalb weniger Wochen, ja Tage, mussten Millionen Arbeitnehmer realisieren, dass für die verbleibende Arbeit noch zehn oder 20 Stunden pro Woche reichen würden, statt bisher 40. Fast jeder fünfte Arbeitnehmer in Deutschland war im Mai „auf Kurzarbeit“.
Als die Temperaturen wieder stiegen und die Zahl der Corona-Infizierten sank, ging es jedoch genauso schnell auch wieder aufwärts, plus 8,5 Prozent von Juli bis September – auch so einen Aufschwung hat es vorher selten gegeben. Und nun, zum Jahresausklang? Erneute Unsicherheit ob des neuen Lockdowns, so kurz vor Weihnachten: banges Warten, aber ganz viel Hoffnung.
Dabei sind die Aussichten für das kommende Jahr so schlecht nicht: Zwar belastet der neue Lockdown ausgerechnet im umsatzstärksten Monat des Jahres. Doch weil viele Händler ihren Verkauf inzwischen stark über das Internet abwickeln können oder sich andere Bestellwege haben einfallen lassen, wird der Ausfall gar nicht so hoch sein. So schätzte das Münchner Ifo-Institut diese Woche, dass dem Einzelhandel in der zweiten Dezemberhälfte und in den ersten Tagen des Januars nur wenige Milliarden an Wertschöpfung wirklich entgehen werden, auch dank vieler Feiertage, an denen die Geschäfte ohnehin geschlossen wären. Das ist immer noch ärgerlich, auf die gesamte deutsche Wirtschaft bezogen aber entspricht dies einem Dämpfer von 0,1 bis 0,2 Prozentpunkten.
Die Ökonomen bleiben optimistisch
Man muss die Lage Ende dieses Jahres wohl so zusammenfassen: Es gibt die tristen Bilder leerer Einkaufszentren, Fußgängerzonen und Restaurants – aber sie beschreiben die Lage der meisten deutschen Unternehmen nicht. An vielen Orten in diesem Land laufen Bänder und Fabriken auf Hochtouren, werden kurz vor Jahresschluss noch Überstunden gemacht.
So bleiben die meisten Wirtschaftsforscher auch für das nächste Jahr bei ihrem Optimismus: Der harte Lockdown wird die Erholung im kommenden Jahr um einige Wochen, vielleicht sogar zwei Monate hinauszögern, – aber dann wird es umso kräftiger wieder bergauf gehen. Um 4,2 Prozent sagt das vergleichsweise vorsichtige Ifo-Institut, um 4,5 bis fünf Prozent, sagen die Forschungsinstitute in Berlin und Essen, DIW und RWI. Das ist der Blick nach vorne – nach diesem fürchterlichen Jahr 2020, aber darauf kommt es an: Wir wissen heute, wie wir dem Virus seine Ansteckungskraft entziehen können; es gibt Impfstoffe; wir sind vorbereitet.
Der Aufschwung im kommenden Jahr wird sich indes sehr ungleich verteilen. Es wird Branchen und Regionen geben, die im Frühjahr 2021 da wieder anfangen, wo sie zwölf Monate zuvor sehr abrupt und brutal gestoppt wurden: Die Hotels an der Nord- und Ostsee zählen dazu, die Kurorte in Bayern auch, überhaupt der Tourismus und alle Unternehmen in der Reisebranche; Restaurants und Kneipenwirte, Künstler, Theater, Kultur und Konzerte werden bald folgen – ja, wahrscheinlich werden sehr viele Menschen auch wieder in die Kinos strömen. All jene, für die 2020 besonders hart war, werden 2021 mit einer Rückkehr zur Normalität zumindest teilweise entschädigt werden.
Auch für andere Branchen wird 2021 ein gutes Jahr werden: Der Handel wird kräftig zulegen, viele Menschen haben in diesem Jahr auf größere Anschaffungen verzichtet und Geld gespart, nächstes Jahr werden sie ihre Einkäufe nachholen. Auch die Industrie wird profitieren von einer anziehenden Nachfrage weltweit nach großen und kleinen Maschinen. Dazu passt, dass das Geschäftsklima im Dezember gestiegen ist: Der Wert signalisiert zwar noch immer einen leichten Abschwung, steht aber auf seinem jetzigen Niveau kurz vor dem Sprung in den Boom .
In industriestarken Regionen drohen Probleme
Es wird daneben Branchen und Regionen geben, in denen die Krise erst 2021 so richtig ankommt – just dann, wenn es anderswo kräftig aufwärts geht. Und es wird interessanterweise jene Branchen und Regionen treffen, die 2020 vergleichsweise gut durch die Rezession gekommen sind – vor allem dank staatlicher Hilfsinstrumente wie der Kurzarbeit.
Eine Studie die Ifo-Instituts in Dresden stellte in dieser Woche fest, dass die Corona-Pandemie im Norden und Osten viele Jobs gekostet habe – während im industriestarken Süden und Westen die Arbeitslosigkeit auffallend wenig gestiegen sei, dafür aber die Kurzarbeit viel stärker genutzt wurde.
Wahrscheinlich werden wir nächstes Jahr folgende Entwicklung sehen: Dort, wo dieses Jahr viele Jobs weggefallen sind, werden nächstes Jahr auch viele neue entstehen. Wo aber dieses Jahr Arbeitsplätze durch Kurzarbeit erhalten blieben, gibt es trotz Aufschwung keine Garantie – gerade bei den vielen Zulieferern der Autoindustrie im Süden und Westen könnte 2021 schwieriger werden, als es dieses Jahr schon war.
Was können wir tun in den kommenden zwei, drei Wochen bis Anfang Januar? Wir können die Grundlage für ein gutes Jahr 2021 legen. Indem wir Ruhe bewahren, durchhalten, Disziplin üben – und die Zeit dafür nutzen, Pläne zu schmieden für die Monate nach der Pandemie: Für einen schönen Urlaub, eine Sommerparty mit Freunden, eine größere Anschaffung, die viele dieses Jahr wegen all der Unsicherheit doch gescheut haben.