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Katar und Co. Die fatale Abhängigkeit der Golfstaaten von Öl und Immobilien

Skyline von Doha, der Hauptstadt Katars
Skyline von Doha, der Hauptstadt Katars
© picture alliance / NurPhoto | Jose Breton
Hohe Öl- und Immobilienpreise haben der Golfregion in den letzten Jahren – mal wieder – einen Boom beschert. Doch der dürfte kaum von Dauer sein

Wer in diesen weltweit düsteren Zeiten etwas Glanz sehen will, muss nur in den Flieger zu einer der Metropolen der Golfregion steigen, der einzigen Region der Welt, in der die Prognosen für das Wirtschaftswachstum steigen. Als Gastgeber der Fußballweltmeisterschaft profitiert Doha in besonderem Maße, aber auch Katars Nachbarn freuen sich über die überlaufenden katarischen Hotels. Dubai erlebt gerade (mal wieder) einen Immobilienboom. Regionale Rivalen wie Riad wetteifern darum, das nächste Dubai zu werden, indem sie die Öleinnahmen in Immobilienmegaprojekte stecken.

Viele führende Politiker der Region haben erkannt, dass ein auf hohen Öl- und Immobilienpreisen basierender Boom wahrscheinlich nicht von Dauer sein wird, aber ihr Ansatz ist: Das Problem kann warten. Die Party findet jetzt statt – trotz aller westlichen Bedenken hinsichtlich der Menschenrechtssituation in der Region.

Mit 28 Gebäuden, die mehr als 300 Meter hoch sind und von denen die meisten in den letzten zehn Jahren gebaut wurden, ist Dubai mit Abstand die vertikalste Stadt der Welt und lässt selbst Manhattan und das chinesische Shenzhen im Vergleich dazu flach aussehen. Dubai erlebt derzeit seinen dritten und stärksten Immobilienboom der letzten zehn Jahre und stellt Rekorde bei der Anzahl und dem Wert der verkauften Gebäude auf, wobei die Verkaufspreise am oberen Ende des Marktes am schnellsten steigen. Die Gespräche beim Abendessen in Dubais Restaurants drehen sich um die Frage, welcher Milliardär wie viel für die neueste Luxusvilla bezahlt hat.

Am Golf geht die IPO-Party weiter

Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, zu denen auch Dubai und Abu Dhabi gehören, machen fast 75 Prozent der Wirtschaftsleistung der Region aus und beherbergen die Finanzzentren. Erlöse aus Börsengängen sind in diesem Jahr in weiten Teilen der Welt auf einen Bruchteil gesunken – in New York brachen sie um 95 Prozent auf knapp über 7 Mrd. Dollar ein –, dagegen haben sie sich in Riad mehr als verdreifacht, in Abu Dhabi verfünffacht und in Dubai sind sie von 0 auf 7 Mrd. Dollar gestiegen.

Der Boom in der Golfregion begann langsam, als Folge der krisenbedingten Reformen des letzten Jahrzehnts, und nahm dann Fahrt auf, als die Ölpreise Anfang 2020 zu steigen begannen. Nach dem weltweiten Einbruch des Ölpreises im Jahr 2014, der einen Kollaps der Immobilienpreise in Dubai auslöste, erleichterte das Emirat den steuerfreien Umzug in die Stadt noch weiter. Jetzt zieht Dubai immer mehr ausländische Käufer an, von großen Hedgefonds bis hin zu russischen Oligarchen, die einen Zufluchtsort vor westlichen Sanktionen suchen.

Die Saudis reagierten auf den Ölpreisschock von 2014 mit noch weitreichenderen Reformen, indem sie den Staat verschlankten, religiöse Beschränkungen lockerten, es Frauen erleichterten zu arbeiten und Ausländern ermöglichten zu investieren. Lohnkürzungen im öffentlichen Sektor haben Saudi-Arabien geholfen, seinen Haushalt bei Ölpreisen von unter 70 Dollar pro Barrel zu decken. 2015 waren dazu noch knapp 100 Dollar pro Barrel notwendig.

Der Anteil der saudischen Frauen, die einen Arbeitsplatz haben, hat sich in nur fünf Jahren auf 35 Prozent verdoppelt. Langjährige Besucher des Landes sind nun erstaunt, wenn sie von weiblichen Grenzbeamten begrüßt werden. Raves, Coffee-Shop-Dating und Halloween-Partys sind mittlerweile in einem Land üblich, das noch vor einem Jahrzehnt jegliche öffentliche Vermischung der Geschlechter verboten hatte.

Die alten Sitten sind jedoch nicht völlig verschwunden. Die Religionspolizei setzt den Hidschab nicht mehr durch, aber die meisten Frauen tragen ihn immer noch. Ausländische Besucher werden gebeten, ihre Knie nicht zu zeigen. Dennoch bewegen sich die Saudis in einer Zeit, in der sich viele Länder abschotten, in Richtung Offenheit. Riad will offenbar ernsthaft Dubai den Rang als kommerzieller Hub des Golfs streitig machen.

Schlüsselfaktor Technologie

Um Dubais Burj Khalifa, das mit Abstand höchste Gebäude der Welt, auszustechen, begannen die Saudis letzten Monat mit den Arbeiten an The Line, einer 105 Meilen langen „linearen Stadt“, die aus zwei parallelen Wolkenkratzern bestehen soll, die mit Abstand die längsten und größten Gebäude der Welt wären, sollte das Projekt tatsächlich fertiggestellt werden. Die Idee stammt direkt aus Dubai: Wer spektakulär und riesig baut, lockt globale Berühmtheiten und Finanziers an. Auch Tech-Unternehmer würden die Offiziellen am Golf gerne zur Party locken.

Technologie ist ein wichtiger Motor für das Produktivitätswachstum. Doch keine Region hat in dieser Hinsicht eine schlechtere Bilanz als die Golfstaaten. Laut Citi Research ist die Kernproduktivität in den sechs Golfstaaten seit Beginn der Datenerfassung im Jahr 1980 im Durchschnitt um mehr als zwei Prozent pro Jahr geschrumpft, was laut Citi an ineffektiven Regierungen zurückzuführen ist. Schwierigkeiten gab es vor allem mit solider Regulierung und dem Zugang zu Krediten. Das negative Produktivitätswachstum erklärt, warum in einem Ölstaat wie Saudi-Arabien das Pro-Kopf-Einkommen nur dann auf das Niveau der Industrieländer steigt, wenn die Ölpreise steigen – und dann wieder zurückgeht, wenn sie sinken.

Die Lenker der Golfstaaten sind sich der Aufgabe bewusst, die vor ihnen liegt: Sie müssen mehr Investitionen in Technologie und Produktion tätigen, um ihre Volkswirtschaften von den Boom-Bust-Zyklen des Öls und der Immobilien zu befreien. Ohne solche Veränderungen wird ihr Schicksal in periodischen Partys und nicht in dauerhaftem Fortschritt bestehen.

Der Autor ist Chairman von Rockefeller International. 

Copyright The Financial Times Limited 2022

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