
20.093 Unternehmensinsolvenzen wurden 2017 von den deutschen Amtsgerichten gemeldet. Das bedeutet einen Rückgang von 6,6 Prozent gegenüber zum Vorjahr und zugleich den niedrigsten Wert seit der Einführung der Insolvenzordnung. Den letzten Anstieg hat es im Zuge der Finanzkrise gegeben – 2009 stiegen die Insolvenzen im Vergleich zum Vorjahr um 11,6 Prozent.
Dieses Jahr hat es mit Air Berlin ein großes Unternehmen der Flugbranche erwischt. Die Unternehmensführung gab zu, seit 2006 Monat für Monat 25 Millionen Euro Verlust gemacht. Zusätzlich einiger weiterer Forderungen kam so die Gesamtsumme von 5 Milliarden Schulden zusammen. Doch nicht nur Air Berlin musste dieses Jahr Insolvenz anmelden. Hier die größten Pleiten deutscher Unternehmen im Jahr 2017:
Matratzen Direct
Die Kölner Matratzen direct AG eröffnet die Top Ten der von der Wirtschaftsauskunftei Creditreform zusammengetragenen Pleiteriege. Das 1929 gegründete Traditionsunternehmen mit rund 420 Filialen in Deutschland und in der Schweiz meldete im Februar 2017 Insolvenz an. Das Verfahren wurde zwei Monate später eröffnet. Nach der erfolgreichen Sanierung behielten Medienberichten zufolge 400 der Beschäftigten ihren Job, die Zahl der Filialen halbierte sich in etwa. Die Firma heißt mittlerweile MFO Matratzen.
Gebr. Sanders
Der Markt der angenehmen Nachtruhe ist hart umkämpft. 2017 traf es neben der Matratzen direct AG ein weiteres Traditionsunternehmen aus Deutschland. Der 1885 gegründete Bettwarenhersteller Gebr. Sanders musste Ende 2016 die Zahlungsunfähigkeit anmelden. Der Familienbetrieb wurde seit 1. Januar 2017 im Rahmen der Insolvenz in Eigenverwaltung geführt. Betroffen waren laut Medienberichten 170 Mitarbeiter am Stammsitz in Bramsche sowie 570 Beschäftigten in Werken in der Ukraine. Die österreichische Grosso Holding kaufte Sanders.
Schneider Versandhandel
Im April 2017 übernahm ein vorläufiger Insolvenzverwalter die Geschäfte des Schneider Versands und der Muttergesellschaft Creatrade Holding. Eine Refinanzierung der Gruppe habe „überraschend nicht finalisiert werden“ können, teilte damals die Schneider-Geschäftsführung mit. Die beiden Wedeler Firmen beschäftigten rund 640 Mitarbeiter. Im Juni wurde bekannt, dass die Klingel-Gruppe, „wesentliche Vermögenswerte“ der Creatrade-Gruppe übernehmen will, darunter auch die solventen Creatrade-Tochtergesellschaften Conleys, Impressionen und MiaVilla.
Butlers
„Butlers gut aufgestellt für die Zukunft“, konnte die Einzelhandelskette im September 2017 nach dem erfolgreich abgeschlossenen Insolvenzverfahren verkünden. Möglich wurde die Sanierung unter anderem durch Filialschließungen. Die Zahl der Geschäfte sank in Deutschland von 102 auf 74, in Österreich und in der Schweiz auf acht. Aus Großbritannien zog sich das Unternehmen komplett zurück. Außerdem will sich die Firma künftig auf moderne Geschenk- und Dekoideen konzentrieren. Rund 200 der ursprünglich 1000 Mitarbeiter mussten gehen.
REGE Motorenteile
Der 1987 gegründete Automobilzulieferer REGE hatte bereits mehrere Verkäufe hinter sich, als am 26. Januar 2017 das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Im internationalen Bieterverfahren um die Firma aus Eisenach setzte sich der Automobilzulieferer JD Norman Industries Inc. aus Addison bei Chicago durch. Das US-Unternehmen, das General Motors und Ford zu seinen Kunden zählt, versprach sich von dem Schritt einen besseren Zugang zu deutschen Herstellern, allen voran Volkswagen. Die rund 1000 Arbeitsplätze an den Standorten in Thüringen, Hessen und Rumänien sollten erhalten bleiben.
Solarworld
Die bewegte Geschichte des deutschen Solarunternehmens erhielt 2017 ein neues Kapitel. Im Mai wurde beim Amtsgericht Bonn der Insolvenzantrag eingereicht. Drei Monate später übernahm der frühere SolarWorld-Chef Frank Asbeck mit seiner neugegründeten SolarWorld Industries GmbH die Werke im sächsischen Freiberg und im thüringischen Arnstadt. Als Investor trat erneut die Qartar-Foundation auf. Sie hatte Asbeck bereits 2013 bei der Rettung seines Unternehmens unterstützt. 475 der rund 1700 Arbeitsplätze in Deutschland sollten erhalten bleiben.
Rickmers Holding
Die 1982 gegründete Hamburger Reederei-Gruppe stellte im Juni 2017 Insolvenzantrag auf Eigenverwaltung. Die HSH Nordbank habe die Pläne zur finanziellen Umstrukturierung des Unternehmens überraschend abgelehnt, erklärte die Reederei mit weltweit über 2000 Mitarbeitern den Schritt. Ihre Schulden wurden in Medienberichten auf rund 1,5 Milliarden Euro beziffert. Im September übernahm ein Konsortium um den Bremer Unternehmer Kurt Zech das Kerngeschäft der Gruppe.
Alno
Der Küchenhersteller Alno musste im Juli 2017 – 90 Jahre nach der Gründung – Sanierung in Eigenverwaltung beantragen. Betroffen waren auch die Tochtergesellschaften Wellmann GmbH & Co. KG sowie die Logistik & Service GmbH. Das Unternehmen beschäftigte zu dem Zeitpunkt nach eigenen Angaben an vier internationalen Produktionsstandorten insgesamt rund 1900 Mitarbeiter. Ende 2017 übernahm die britische Riverrock-Gesellschaft große Teile der Alno AG.
Tempton Personaldienstleistungen
Auch beim Essener Personaldienstleister Tempton kam die Pleite zum runden Firmenjubiläum. Zehn Jahre nach der Zusammenlegung mehrerer Zeitarbeitsunternehmen zu Tempton wurde im Juni 2017 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Sanierung gelang. Der nach eigener Darstellung führende Anbieter für Personallösungen für den Mittelstand erzielte 2017 einen Umsatz von rund 200 Millionen Euro und beschäftigt weiterhin etwa 6000 Mitarbeiter.
Air Berlin
2017 endete ein Stück deutscher Luftfahrtgeschichte. Am 25. Oktober landete der letzte eigenwirtschaftlich durchgeführte Flug von Air Berlin in Berlin-Tegel. Im August hatte Großaktionär Ethihad Airways die finanzielle Unterstützung für die 1978 gegründete Fluggesellschaft mit rund 8000 Beschäftigten aufgekündigt. Vier Tage später folgte der Insolvenzantrag. Der Flugbetrieb wurde zunächst dank einer Bundesbürgschaft in Höhe von 150 Millionen Euro fortgeführt. Insgesamt könnte die Pleite den Staat rund 200 Millionen Euro kosten. Große Teile der Air Berlin gingen an die Konkurrenten Lufthansa und Easyjet.