Erbrecht
In gewissem Sinne möchte Victoria Riedel das Unmögliche möglich machen: „Schöner erben“, diesen Slogan hat sie ihrer Kanzlei verpasst. Obwohl Erben natürlich nie ein schöner Vorgang ist. Seit rund 24 Jahren ist die Düsseldorferin im Geschäft, und sie kämpft mit Elan für ihre Mandanten – aber vor Gericht zu ziehen überlässt sie lieber anderen. Bei ihr finden unzufriedene Erben, verstoßene Kinder und selbst zerstrittene Patchworkfamilien eher auf friedlichem Wege zueinander, über außergerichtliche Einigungen. „Ich lande höchstens alle drei bis vier Jahre mal mit einem Mandanten vor Gericht“, und darauf ist sie stolz.
Mit diesem Anspruch hat es Riedel auch in diesem Jahr in die Liste der besten Kanzleien für Privatmandanten geschafft. Für die diesjährige Auswertung durch das Marktforschungsinstitut Statista beteiligten sich mehr als 4500 Anwälte.
Victoria Riedels großes Ziel ist es, „dass meine Mandanten nachher selber noch in den Spiegel gucken können und sagen: Ich bin mit mir im Reinen.“ Weil sie am Ende eben eine Lösung gefunden haben, bei der sie eben nicht erbittert um jeden Euro feilschen. „Es kochen immer Emotionen hoch“, sagt die Anwältin, in der Trauer seien Gefühle von Sachfragen nur schwer zu trennen: „Da werden dann Lebensthemen aufgearbeitet wie: Du warst schon immer Mamis Liebling.“ Und ganz egal, ob es um große Vermögen oder kleine Erbschaften geht: Wenn die Beteiligten streiten wollen, dann tun sie es.

Wie die Düsseldorferin in solchen Situationen vermittelt? Sie holt Legosteine raus. Mit deren Hilfe hat sie schon Hunderten Mandanten die Erbreihenfolge erklärt oder den Unterschied zwischen Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung und Testament veranschaulicht. „Erbrecht ist hoch systemisch“, sagt sie, „wenn ich einen Stein aus dem Gefüge herausnehme, entsteht eine Lücke. Dann puzzelt sich das ganze System neu zusammen.“ Und genau das macht das Geschäft unglaublich komplex, denn niemand ahnt – selbst wenn er ein gutes Testament gemacht hat –, wie die Welt nach seinem Tod wirklich aussieht. „Es gibt im Grunde keine optimale Lösung, und ich hatte auch noch nie zwei identische Fälle. Nicht einmal bei einer Klassikkonstellation: Vater, Mutter, zwei Kinder und ein Einfamilienhaus.“ Meist hätten zwar die Eltern den Wunsch, der jeweils andere möge bist zum Tod versorgt sein und das Haus weiter bewohnen. Doch selbst dann spielen viele Fragen mit hinein: Woher stammt der Grundstock fürs Vermögen? War einer der Partner – oder seine Eltern – stärker beteiligt? Verzichten die Kinder vorerst auf sämtliche Ansprüche?
So etwas sieht keiner vorher. Deshalb findet Victoria Riedel vor allem eines befremdlich: dass immer noch so viele Paare ein Berliner Testament machen. „Das ist ein verbreiteter Klassiker, der sehr stark der Denkweise der Nachkriegszeit entspricht. Aber es ist ein Knebelvertrag. Damit verfallen auch die Steuerfreibeträge der Erben erst mal völlig ungenutzt.“ Um solche Dinge zu erklären, holt sie dann die Legosteine raus. Und gerne dürfen ihre Mandanten alle mitbringen, die es später betrifft.
Privates Baurecht
„Betonnägel sind nicht lieferbar, vielleicht in zwei Wochen“, erzählt der Bauunternehmer am Telefon. Es stocke am Rohbau eines Mehrfamilienhauses im Norden Freiburgs, daher werde er seine Kolonne demnächst abziehen. Vom Anwalt will er wissen, wer die Kosten übernehme und wie er eine Vertragsstrafe abwehren könne.
Mit solchen Fragen wird der Baurechtsanwalt Werner Amelsberg dieser Tage überrannt. „Knappe Baustoffe, komplette Lieferausfälle und galoppierende Baustoffpreise, der Krieg in der Ukraine wirft die Planungen vieler Bauherren und Unternehmen über den Haufen“, so Amelsberg. Er ist Partner der Kanzlei Steiger, Schill und Kollegen, die es in die Capital-Liste geschafft hat. Die Kanzlei mit zehn Fachanwälten in Staufen bei Freiburg hat sich auf Bau- und Architektenrecht spezialisiert.
Das Beschaffungsrisiko trage in der Regel der Bauunternehmer, vorausgesetzt, es ist ein Festpreis vereinbart. Doch in dieser Krise sollten Bauherren abwägen, ob sie einen Bauunternehmer mit den Preissteigerungen allein lassen. „Noch kein Bauherr hat von einer Insolvenz seines Baupartners profitiert“, so Amelsberg. Er rät, die Mehrkosten „fair auf alle Rücken zu verteilen“. Das funktioniere, wenn alle ihre Kosten und Margen offenlegen. Der Bund empfiehlt, in neuen Bauverträgen und teils auch nachträglich eine „Stoffpreisgleitklausel“ zu vereinbaren, die Preissprünge bei Baustoffen auffängt. Das rette vielen Unternehmern die Existenz, so Amelsberg.
Insolvenzrecht
„Ich kann mein Unternehmen nicht weiterführen, ich finde keine Leute.“ Diese Klage hört Rechtsanwalt Andreas Wähnert immer häufiger. „Zu uns kommen verstärkt Betriebsinhaber, die haben volle Auftragsbücher, gute Renditen, aber zu wenig Mitarbeiter, die den Job machen könnten“, so Wähnert. Der Mann ist Insolvenzrechtsanwalt und Gründer der darauf spezialisierten Kanzlei WHP in Berlin. Die kleine Kanzlei mit fünf Anwälten gehört zu den meistgenannten Empfehlungen des Capital-Rankings für Privatmandanten.
Statt einer Insolvenz aus finanzieller Not überwiegen nun strukturelle Probleme, beobachtet er. Entweder der Inhaber finde nicht genügend Mitarbeiter oder keinen Nachfolger. Den Unternehmern rät er, sich zu verkleinern oder auch mal beim Wettbewerber Mitarbeiter abzuwerben. Allerdings haben Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe oft das Nachsehen, erlebt Wähnert. Die öffentliche Verwaltung ziehe derzeit viele Leute aus der Wirtschaft ab.
Versicherungsrecht
Im letzten Jahr trennte sich Spreu von Weizen in der Versichererszene, sagt Jan Lukas Kemperdiek, zumindest in seiner Stadt: Seine Fachanwaltskanzlei advomano hat in Hagen ihren Sitz, dort wütete der Starkregen besonders kräftig, kurz bevor die Flutwelle durchs Ahrtal schwappte. „Seitdem sind wir quasi beidhändig ins Gebäudeversicherungsgeschäft reingerutscht“, sagt er, und nach vielen bearbeiteten Fällen weiß er auch genau, welche Versicherer die kundenfreundlichsten sind und welche das genaue Gegenteil davon. Manche schickten schon nach zwei Tagen ihre Regulierer los. Die begutachteten Schäden und wiesen sofort fünfstellige Summen an, „die HUK war so ein Fall“, sagt Kemperdiek, „mit anderen Versicherern dagegen haben wir immer noch Ärger, die streiten sich offenbar genauso gern wie wir“.

Als Anwalt seines Fachgebiets ist man das Streiten gewohnt: etwa über die Frage, was Hausbesitzer hätten unternehmen müssen, nachdem Schlammlawinen ihre Keller geflutet hatten. „Das Problem bei uns war, dass über Tage keine Trocknungsgeräte zu bekommen waren.“ Gerade solche Trockner waren wichtig, damit sich das Wasser nicht in Hauswänden festfraß und der Schaden noch vergrößerte. Sicher werden einige Versicherer anzweifeln, ob Kunden alles Nötige unternommen haben. Was dann gilt? „Der Mandant muss sich um die Abwendung des Schadens bemühen, ganz klar“, sagt Kemperdiek, „aber man kann auch keine Wunder von ihm erwarten. Es reicht, wenn er zum Beispiel nachweisen kann, dass er sich um Trocknungsgeräte bemüht hat.“
Zu den aktuell häufigsten Streitigkeiten zwischen Versicherern und Kunden gehören auch: Welche Einnahmeausfälle waren in Coronazeiten durch Versicherungspolicen abgedeckt? Wann dürfen Kunden Lebensversicherungen widerrufen und rückabwickeln? Dazu gibt es schon ein BGH-Urteil, aber: „Da erleben wir momentan eine Verteidigung der Lebensversicherer auf ganzer Linie.“ Fälle, bei denen es für die Kunden um die Existenz geht, bearbeitet Kemperdiek am liebsten. „Weil es für mich etwas Erlösendes ist, so jemandem geholfen zu haben.“ Vor allem, weil viele seiner Klienten sich ohne Hilfe gar nicht in den Wirren der 20-seitigen Versicherungsformulare zurechtgefunden hätten. Wenn überforderte Kunden da die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, fängt für Kemperdiek der Spaß erst an. Denn er weiß natürlich genau, warum die Versicherer solche Fragen stellen. „Mit solchen Anträgen kommt außer dem Anbieter und uns Anwälten keiner klar.“
Nur eines würde er sich von seinen Klienten wünschen: dass sie im Zweifelsfall früher beim Anwalt aufkreuzen. „Und nicht erst auf eigene Faust an Schäden oder Formularen herumdoktern.“ Sonst könnte der Schaden am Ende größer ausfallen als nötig. Zumindest für die Anwaltsrechnung gilt das dann fast immer.
Banken- und Kapitalmarktrecht
In diesen Tagen ist Peter Mattil wieder schwer gefragt. Der Münchener Anlegeranwalt hat die wohl spektakulärste Pleite der deutschen Wirtschaftsgeschichte auf dem Tisch, Wirecard. Mattil vertritt viele Wirecard-Geschädigte derzeit vor Gericht, es ist sein spannendster Fall.
Geld von der untergegangenen Aktiengesellschaft kann er nicht erstreiten, denn die ist pleite. Aber gegen die Wirtschaftsprüfer von EY zieht Mattil zu Felde, deren Muttergesellschaft ist finanzstark, und die Prüfer hätten die erfundenen Zahlen in den Jahresberichten aufspüren müssen, sagt er. EY hätte sehen müssen, dass es in Asien gar kein Konto gab, auf dem die angeblichen 1,9 Mrd. Euro an Firmenkapital liegen sollten – diese Summe, die plötzlich fehlte, war bekanntlich die Ursache für die Implosion des Dax-Konzerns. Zurzeit hofft Mattil, dass einer seiner Kläger vom Oberlandesgericht für das angestrebte Musterverfahren ausgewählt wird, damit er es vor Gericht mit EY aufnehmen kann.

„Wir waren auch die Ersten, die 2011 ein Kapitalanlegermusterverfahren für Anleger gewonnen haben, seit das KapMuG-Gesetz 2005 eingeführt wurde“, sagt Mattil. Damals ging es gegen einen Medienfonds, das Gericht stellte fest, der geschlossene Fonds habe mehrere falsche Aussagen in seinem Prospekt getroffen. Es war nicht die erste Leitsatzentscheidung der Kanzlei in Anlegerfragen gegen Banken und Fondsgesellschaften. Und auch danach ergingen weitere Musterentscheide gegen geschlossene Leasingfonds und andere Anbieter des grauen Kapitalmarkts.
Seitdem gehört Mattils Name zu den festen Größen in der Branche. Und immer wieder wird er auch als Sachverständiger vom Bundesfinanzausschuss eingeladen, wenn es um die Gestaltung neuer Gesetze geht. „Es gibt immer wieder Wellen von neuen Anlagearten, die über die Leute hereinbrechen“, sagt der Anwalt. Zuerst zockten sie mit Telefonverkäufen die Anleger ab, weit bevor es den Internethandel gab. Später legten sie haufenweise Schiffs- und Immobilienfonds auf, die hohe Ausschüttungen und Steuerersparnisse versprachen. Meist gewann aber nur einer: der Initiator, der zweistellige Provisionsraten einsteckte.
Dann kam das Geschäft mit Direktinvestitionen in Frachtcontainer, das mit dem Zusammenbruch von P&R einen traurigen Höhepunkt erlebte: Ein Großteil der angeblich gekauften Container existierte gar nicht. Oder die ganzen Genussrechte und Nachrangdarlehen „und das ganze komische Zeug“, so nennt er es. Aber haben denn die Anleger nichts dazugelernt in all den Jahren? Da findet er deutliche Worte: „Eher nicht, sie sind einfach zu gutgläubig, so wie sie es schon immer waren. Sie verlassen sich immer noch darauf, was der Emittent oder der Berater sagt.“
Wird ein Produkt in Luxemburg aufgelegt, was aus regulatorischer Sicht eine leichte Übung für europäische Finanzprodukte ist, gingen viele Privatanleger davon aus, „da wird bestimmt ganz besonders genau kontrolliert“. Doch selbst Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Unternehmer landen als Klienten in Mattils Kanzlei, „es gibt fast keinen, den es nicht irgendwann erwischt“, sagt er. Weniger aus Gier, sondern weil Betrüger eher das Gegenteil versprechen: dauerhaft sichere Zinsen.
„Wenn Sie mich fragen, was als Nächstes vor die Gerichte kommt: der ganze Kryptomarkt. Vor allem diese Token-Papiere, mit denen man alles in Krypto einlullen kann.“ Mattil hat bereits dem Finanzausschuss erklärt, worin die Gefahr dieser Produkte liegt: „Dass sie de facto verpackte Graumarktprodukte sind, die nur als elektronische Wertpapiere gestaltet sind.“
Steuerrecht

Was staubtrocken klingt, ist für die Steueranwälte der Kanzlei Streck Mack Schwedhelm das wahre Leben. Sie sind zur Stelle, wenn das Finanzamt Ärger macht. Ihre Mandanten sind so bunt wie ihre Fälle, Schauspieler, Sportler, reiche Manager, aber auch Imbissbudenbesitzer oder Gastronomen zählen dazu. „Wir scheuen keinen Fall“, sagt Rolf Schwedhelm, Urgestein der renommierten Kölner Kanzlei (12 Partner, 17 Anwälte), die zu den Besten im Steuerrecht zählt.
Dabei streiten sie nicht nur für ihre Mandanten, sondern auch „für ein besseres Image des Steuerstreits“, so Burkhard Binnewies, ebenfalls Partner. „Bereits der Streit mit dem Finanzamt gilt als anrüchig“, sagt er. Mancher verzichte auf eine Klage vor dem Finanzgericht – aus Angst, als Steuerhinterzieher dazustehen. Dabei sei die Auseinandersetzung wichtiger Bestandteil des Rechtssystems. Die Kanzlei setzt auf absolute Diskretion. In seinen 40 Jahren als Anwalt sei nur ein einziger steuerrechtlicher Fall öffentlich geworden, so Schwedhelm. Und so soll es auch bleiben.
Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Wer sich vorstellt, dass man in Freiburg besonders friedlich wohnen kann, der sollte eines nicht tun: Mit Sara Huber reden. Die Fachanwältin der Kanzlei am Augustinermuseum bekommt täglich die neuesten Auswüchse des Immobilienbooms auf den Tisch. „Es wird wahnsinnig viel gekauft und deshalb auch wahnsinnig viel gekündigt“, sagt sie, „und für viele Mieter, die schon älter sind, ist so eine Eigenbedarfskündigung ein echtes Problem, wenn sie sich als Rentner heutzutage etwas Neues suchen müssen.“
Huber vertritt grundsätzlich beide Seiten, sowohl Mieter als auch Vermieter, und auch Mandanten jeglicher Couleur, „vom Sozialmieter bis zur Wohnungsbaugesellschaft.“ Warum? „Weil die Wohnung der Lebensmittelpunkt eines jeden von uns ist“, deshalb soll es in solchen Fällen gerecht für beide Seiten zugehen, findet sie. Denn im Grunde sei der angespannte Markt „für beide Seiten gleich schlimm“. Auch viele Eigentümer treffe es hart, wenn sie trotz berechtigter Kündigung häufig eineinhalb bis zwei Jahre einrechnen müssen, bis sie den Wohnraum wirklich nutzen können. Oder wenn sie eine Mieterhöhung durchsetzen wollen, aber es keine Vergleichsdaten gibt, weil die Wohnung nicht mehr im städtischen Mietspiegelbereich liegt, sondern schon im Speckgürtel. Was mit Sara Huber aber nicht zu machen ist: vorgetäuschte Eigenbedarfskündigungen, „das sage ich den Mandanten sofort: Das ist strafrechtlich gesehen ein Betrug, und ich mache mich nicht strafbar für Sie.“
Viel Raum für künftige Streitereien sieht sie besonders beim neuen Wohnungseigentumsgesetz (WEMog), das hatte der Gesetzgeber Ende 2020 modernisiert. Es regelt die Aufgaben der Hausverwaltungen völlig neu, die für Eigentümergemeinschaften arbeiten, und enthält noch „sehr viele auslegungsbedürftige Begriffe“, findet die Freiburger Fachanwältin: „Wenn Sie sich dazu mit fünf Kollegen austauschen, bekommen Sie schnell drei verschiedene Meinungen zu hören.“ Zum Beispiel dazu, was wohl unter „Aufgaben untergeordneter Bedeutung“ fällt. Das werden demnächst erst einmal die Gerichte klären müssen, bis hin zum Bundesgerichtshof.