Anleger, die nach dem heftigen Kursrutsch von Donnerstag auf eine Erholung gehofft haben, wurden gleich am Freitagmorgen enttäuscht: Bereits zum Handelsstart riss der Dax die runde Marke von 18.000 Punkten. Enttäuschende Quartalsberichte einiger US-Technologiekonzerne trafen auf eine ohnehin schlechte Stimmung am Aktienmarkt, getrübt durch wieder aufgeflammte Rezessionsängste.
Kurz nach der Eröffnung auf Xetra büßte der deutsche Leitindex 1,29 Prozent auf 17.850,19 Zähler ein. Bereits am Vortag hatte der Dax 2,3 Prozent verloren. Der schwache Start in den Monat August setzt sich somit fort. Für den MDax der mittelgroßen Unternehmen ging es um 1,72 Prozent auf 24.571,47 Punkte nach unten. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 sank um 0,8 Prozent.
In den USA und asiatischen Ländern rumpelte es ebenfalls an den Börsen: Der japanische Index Nikkei verlor fast sechs Prozent. Zuvor hatte sich schon der US-Index Dow Jones mit einem Minus von 1,2 Prozent aus dem Handel verabschiedet, der breit gefasste S&P 500 mit minus 1,4 Prozent. Der technologielastige Nasdaq verlor 2,3 Prozent.
US-Techwerte enttäuschen
Eine Ursache für den Kurssturz: Der Ausverkauf bei den Tech-Titeln nach enttäuschenden Nachrichten aus dem US-Technologiesektor. Die am Donnerstag veröffentlichten Quartalsberichte der US-amerikanischen Branchenriesen Apple, Amazon und Intel nahmen Anleger negativ auf, obwohl die Zahlen zum Teil leicht über den Erwartungen liegen. Das strahlt auf den gesamten Sektor aus.
Intel kündigte nach einem überraschend deutlichen Gewinneinbruch ein milliardenschweres Sparprogramm mit Massenentlassungen an und strich seine Dividende. Die an der Frankfurter Börse notierten Aktien des Chip-Konzerns brachen um rund 21 Prozent ein. Enttäuscht zeigten sich die Anleger auch von Amazon. Während der Online-Handel schwächelt, belasten hohe Kosten für den Auf- und Ausbau von Rechenkapazitäten für Künstliche Intelligenz (KI) das Unternehmen zusätzlich. Apple-Aktien notierten dagegen in Frankfurt fast unverändert. Der Elektronikanbieter übertraf mit seiner Quartalsbilanz zwar mehrheitlich die Markterwartungen. Die weiter sinkende Nachfrage beim Hauptumsatzbringer iPhone, vor allem im wichtigen Absatzmarkt China, bereitete Investoren allerdings Kopfzerbrechen.
„Die Messlatte für die ‚Glorreichen Sieben‘ hängt einfach zu hoch“, sagte Jochen Stanzl, Chefanalyst beim Broker CMC Markets. Mit den Magnificent 7 sind die Firmen Apple, Meta, Alphabet, Microsoft, Amazon, Nvidia und Tesla gemeint. Außerdem seien Börsianer „mit der Gesamtsituation nicht zufrieden und daher auch schon vorsichtig, wenn es leicht bessere als erwartete Nachrichten gibt“. Als Alternative zu den zuletzt massiv gestiegenen Technologietiteln favorisierten Anleger zunehmend Standardwerte.
Warten auf Daten vom US-Arbeitsmarkt
Zusätzlich drücken die jüngst schwachen US-Konjunkturdaten auf die Stimmung und sorgen für neue Rezessionsängste. Schwache Zahlen der US-Industrie lassen vermuten, dass sich die Wirtschaft in einem schlechteren Zustand befinden könnte als bisher angenommen. So sank etwa der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe in den USA im Juli auf 46,8 Punkte von 48,5 Zählern im Juni. Analysten hatten mit einem Anstieg auf knapp 49 Punkte gerechnet.
Außerdem belastet auch die Lage in Nahost die weltweiten Märkte. Nach dem Tod wichtiger Hamas-Anführer stellen sich Israel und die USA auf einen Großangriff aus dem Iran ein. Das Risiko steigt, dass sich der Konflikt in der für die Ölproduktion wichtigen Region zu einem Flächenbrand ausweitet. Die Preise der Nordsee-Sorte Brent und die US-Sorte WTI verteuerten sich zuletzt um jeweils gut ein Prozent auf 80,38 und 77,21 Dollar je Fass (159 Liter).
Notenbank Fed könnte Zinsen im September senken
Bei all diesen Unwägbarkeiten ließen sich Anleger nicht mal von der Nachricht auf möglicherweise sinkende Zinsen beruhigen: Die US-Notenbank Fed gab am Mittwochabend Hinweise auf eine Leitzinssenkung im September. Notenbankchef Jerome Powell hatte gesagt, dass die Inflationszahlen zwar besser aussähen als vor einem Jahr. Allerdings brauchten die Währungshüter weitere positive Überraschungen, um die Zinsen zu senken. Die Fed versucht, mit straffer Geldpolitik die hohe Teuerungsrate auf den Zielwert von zwei Prozent zu drücken und den heiß gelaufenen Arbeitsmarkt abzukühlen.
Mit Spannung erwarten Anleger daher den US-Arbeitsmarktbericht für Juli, der am Freitagnachmittag veröffentlicht wird. Experten mahnten zur Vorsicht. „Das Rezessionsgespenst hat es zurück auf das Parkett geschafft“, sagte Analyst Stanzl. „Wenn die Arbeitsmarktdaten aus den USA heute zu schwach ausfallen, könnte es mit den Kursen rund um den Globus so dynamisch weiter nach unten gehen, wie es gestern zu beobachten war.“
Krise der deutschen Autobauer belastet Dax
Den Dax ziehen zudem enttäuschende Quartalszahlen der Autobauer nach unten. Volkswagen, BMW, Daimler Truck und der Zulieferer ZF setzten die Serie schlechter Nachrichten aus der Branche fort. So fiel der Gewinn des Volkswagen-Konzerns im zweiten Quartal um vier Prozent auf 3,63 Mrd. Euro. Vor allem in China, wo der VW-Konzern gut ein Drittel aller Autos verkauft, schwächelt das Geschäft. Im vergangenen Jahr hatte VW dort bereits die Marktführerschaft an BYD abgeben müssen.
Nach Mercedes-Benz und Audi meldete auch BMW sinkende Absatz-, Umsatz- und Gewinnzahlen, bekräftigte aber im Gegensatz zur Konkurrenz seine Prognose für das Gesamtjahr. Der Stuttgarter Lkw-Konzern Daimler Truck kappte nach einem schwachen zweiten Quartal den Ausblick für das laufende Jahr: Der Umsatz werde 2 Mrd. Euro niedriger sein als bisher angepeilt und der Betriebsgewinn um mindestens 15 Prozent sinken. Vorstandschef Martin Daum kündigte Kurzarbeit in deutschen Werken ab September an.
Große Sorgen machen sich Analysten wegen der Börsentalfahrt bisher nicht. Anleger sollten weiterhin investiert bleiben. „Der Markt ist sehr heiß gelaufen. Da tut es auch gut, dass wir mal Korrekturen sehen. Das ist gesund”, so Merck Finck Co-Aktienchef Marc Decker. Die Anlaysten der Deutschen Bank raten durchweg weiterhin dazu, die Auto-Aktien von BMW, Daimler Truck und VW zu kaufen.