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Western von gestern Das war der größte Korruptionsfall der DDR

1962 ließ die DDR 21.000 Schließfächer plündern
1962 ließ die DDR 21.000 Schließfächer plündern
© Jindrich Novotny
Günter Wurm war als Finanzökonom zur Stasi gekommen und stieg bis zum Oberstleutnant auf. Für die DDR sollte er Devisen im Westen besorgen, bediente sich aber jahrelang aus der Staatskasse. Die Affäre gilt als größter Korruptionsfall der DDR

Als Anfang Dezember 1981 der 1. Militärstrafsenat der DDR tagte, wurde im Obersten Gericht in Ost-Berlin Gang acht komplett abgesperrt. Niemand durfte mitbekommen, dass dort das größte Wirtschaftsverbrechen der DDR verhandelt wurde. Schon gar nicht, wer alles beteiligt war. In den Protokollen hieß es lediglich, es ginge um „schwere Schädigung am sozialistischen Eigentum“.

Angeklagt waren der Stasioffizier Günter Wurm und seine Geliebte. 16 Jahre lang hatten sie sich aus der Staatskasse bedient, Millionen abgezogen, unbemerkt unter den Augen der Stasi. Als der Betrug aufflog, stellte die Staatssicherheit 86 Kilogramm Gold, Brillanten und Schmuck sicher. Dazu 1,6 Mio. Mark West und 2,2 Mio. DDR-Mark. Ein Desaster für das Ansehen der DDR. Vor allem, weil es Nutznießer gab, die hochrangige Ämter im Staat bekleideten. „Hauptsächlich Mitarbeiter des MfS und des Staatsapparates“, so heißt es in den Akten, hätten sich von Wurm mit Geld, Schmuck, Jagdwaffen, Westklamotten und Schnaps beschenken lassen.

Wurm war nicht einmal 30 Jahre alt, als er zur Schlüsselfigur der Operation „Aktion Licht“ wurde. Unter diesem Namen hatte die SED Anfang 1962 21.000 private Schließfächer aufbrechen und deren Inhalt konfiszieren lassen. Angeblich handelte es sich um „gesellschaftliches Eigentum“. In Wirklichkeit ging es um Geldbeschaffung.

Nach dem Mauerbau war ein Großteil der Devisenreserven aufgebraucht. Neues Geld musste her. Wurm sollte es beschaffen. Die Wertsachen aus den Schließfächern verhökerte er im Auftrag der Stasi im Westen. Dazu gründete er die Scheinfirma „Industrievertretung“. Die war zwar der Stasiführung bekannt, doch niemand kontrollierte Wurm, der einen großen Teil des Geldes veruntreute und mit seiner Geliebten ein Leben in Luxus führte.

Wurm nutzte seine Kontakte im Westen und besorgte für die DDR-Elite alles, was auf der Embargoliste stand. Und hielt dafür die Hand auf. Über die „Industrievertretung“ kaufte er ein Forsthaus bei Eisenhüttenstadt, ließ es teuer sanieren und mit Westmöbeln einrichten. Dort verwöhnte er die Spitzen des Staates, auch Minister. Wurm fühlte sich unantastbar. Erst 1981 fiel sein Luxus der Stasispitze auf. In einem Geheimprozess wurde Wurm zu 15 Jahren Haft verurteilt. Zwei Jahre später starb er im Knast. Erst nach der Wende wurde der Fall publik.

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