Gastronomie Senkung der Biersteuer in Großbritannien: Viel Schaum um nichts?

Premierminister Boris Johnson beim Besuch einer Londoner Brauerei
Premierminister Boris Johnson beim Besuch einer Londoner Brauerei
© IMAGO / ZUMA Wire
Die britische Regierung hat ein Herz für die Pubs auf der Insel: Die Steuer auf Fassbier und Cider soll sinken. Aber kommt die Senkung auch bei den Kneipenbesuchern an – oder handelt es sich nur um eine PR-Aktion der Regierung von Boris Johnson?

Die Zeiten sind hart. Für Großbritannien, das seit einiger Zeit unter einem eklatanten Warenmangel leidet, gilt das besonders. Und noch mehr gilt das wohl für die Pubs der Insel, die im vergangenen Jahr wie die deutschen Kneipen auch wegen der Corona-Einschränkungen einen massiven Rückgang der Gäste verkraften mussten.

Die Regierung in London hat nun harte Maßnahmen angekündigt und senkt die Steuer auf Fassbier, Schaumweine und Cider. Zudem stoppte sie eine geplante Steuererhöhung für Bier, Whisky, Cider und Wein.

Der britische Finanzminister Rishi Sunak sprach in dem Zusammenhang von einer „langfristigen Investition in die britischen Pubs“. Viele auf der Insel verstehen diese als ein Kulturgut und als die Jahrhunderte alte Heimat „des gesellschaftlichen Lebens“.

Biersteuer soll 3 Mrd. Pfund einsparen

Das Gesetz trägt den Namen „Draught-Relief-Package“, es soll die Gastronomie entlasten und ihr neues Leben einhauchen. Der Bierpreis falle im landesweiten Schnitt um drei Pence, sagen Analysten.

Insgesamt soll die Maßnahme den Wirten der Insel rund 3 Mrd. Pfund einsparen (3,55 Mrd. Euro). Es ist die größte Senkung der Biersteuer seit mehr als 50 Jahren, die Abgaben auf Cider sind seit dem Jahr 1923 nicht mehr so stark gesenkt worden.

Auch wenn die Briten die Nachricht in den sozialen Medien mit einiger Begeisterung aufgenommen haben, wird sich die Frage stellen, wie stark sich die Steuersenkungen am Ende tatsächlich auf die Preise an der Theke auswirken werden oder ob sie angesichts der steigenden Herstellungskosten kaum ins Gewicht fallen.

Allein die Preise für Gerstenmalz steigen in Großbritannien seit Jahren an: 2008 lag der Preis pro Tonne Malz auf noch bei 326 Pfund, im Jahr 2019 waren es bereits 516 Pfund. In der Industrie geht man davon aus, dass die Preise auch durch den Warenmangel weiter steigen werden. Zudem könnte es in der nahen Zukunft zu Lieferproblemen kommen.

Nicht nur der Preis für Malz könnte die Steuersenkung am Ende als reinen Aktionismus entlarven. Vor gut einem Monat gingen viele Analysten noch davon aus, dass der Preis für einen Pint Bier um 30 Prozent steigen könnte. Die Gründe sind vielfältig: Die steigende CO2-Besteuerung, steigende Energiepreise, Personalmangel und Probleme in den Lieferketten von der Produktion der Rohstoffe bis hin zur Auslieferung an die Kneipen machen der Branche das Leben schwer.

Gegen den Seperatismus

Zudem wird die Steuererleichterung längst nicht jeden Hersteller und jeden Pub erreichen. Viele, vor allem kleinere Brauereien und Kneipen, verkaufen oder kaufen kleinere Fässer. Die Reduzierung ist bisher nur für Gebinde ab einer Größe von 40 Litern vorgesehen. Die Steuererleichterung hilft also vor allem großen Brauereien.

Der Besitzer der Brass Castle Brauerei, Phil Saltonstall, etwa kritisiert deshalb den Vorschlag der Regierung. Die Lobbyisten der großen Brauereien hätten nun allen „Grund zum Feiern“, während die kleineren nun Marktanteile verlieren würden, sagt er.

Nicht nur die Biersteuer und die Abgaben auf Schaumwein sollen gesenkt werden. Die Regierung plant auch, die Steuern auf Inlandsflüge zu senken. „Derzeit zahlen die Menschen mehr für Hin- und Rückflüge zwischen den vier Landesteilen als für Heimflüge aus dem Ausland“, sagte der Finanzminister. Gleichzeitig sollen Langstreckenflüge teurer werden. Und die machten, so der Minister, den Großteil der CO2-Emissionen aus.

„Wenigstens die Champagner schlürfenden Banker auf Kurzstreckenflügen werden diesen Haushalt bejubeln“, sagte die Finanzexpertin der Labour-Partei Rachel Reeves zu dem Vorstoß, der auch als ein Versuch gilt, die Landesteile wieder enger aneinanderzubinden und separatistischen Strömungen etwa in Schottland den Wind aus den Segeln zu nehmen.

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