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Datenschutz Abmahnung wegen Google-Fonts: So reagieren Sie richtig

Offenbar scannen Kanzleien gezielt und möglicherweise sogar automatisiert Websites, um nach Google Fonts-Verstößen zu suchen
Offenbar scannen Kanzleien gezielt und möglicherweise sogar automatisiert Websites, um nach Google Fonts-Verstößen zu suchen
© IMAGO/IlluPics
Tausende Webseitenbetreiber haben zuletzt Anwaltspost bekommen. Weil sie Google-Schriften verwenden, sollen sie nun Schadensersatz zahlen. Was ist von den Schreiben zu halten? Capital beantwortet die wichtigsten Fragen

Wer eine Webseite betreibt, braucht eine Schriftart. Denn ohne Schriftart gibt es auch nichts zu schreiben. Webseitenbetreiber greifen dabei häufig auf „Google-Fonts“ zurück. Ihr Vorteil: Sie sind kostenlos und einfach einzubauen – haben allerdings auch einen entscheidenden Nachteil: Sie sind im Hinblick auf den Datenschutz heikel. Das urteilte jedenfalls das Landgericht München im Januar – und löste damit eine der größten Abmahnwellen seit mehreren Jahren aus. Vor allem in den vergangenen Wochen bekamen hunderte Unternehmen Post von Anwälten. Darin werden zumeist Schadensersatzansprüche von einigen hundert Euro gefordert und zudem eine Unterlassungserklärung.

Doch ob das Vorgehen überhaupt rechtens ist, bleibt ungewiss. Manche vergleichen die Situation schon mit den Hochphasen von kinox.to, einer illegalen Filmplattform, als User reihenweise Schreiben von Anwälten erhielten. Auch damals, vor knapp zehn Jahren, entstand eine ganze Abmahnindustrie. Wer ist nun betroffen? Worauf stützen sich die Abmahnungen? Und was können Betroffene tun? Capital beantwortet die wichtigsten Fragen:

Worum geht es?

Alles dreht sich um ein Urteil des Landgericht München vom 20. Januar 2022 (Az. 3 O 17493/20). Das Gericht sprach einem Nutzer Schadensersatz zu, der mehrfach eine Website mit Google Fonts besucht hatte. Konkret besteht bei den Schriftarten nämlich ein Problem: Betreiber müssen sich entscheiden, ob sie die Fonts lokal oder über dynamisch einbinden. Wer die Schriften lokal einbindet, das heißt sie vorher runter- und später auf seinem eigenen Server wieder hochlädt, hat keine Probleme. Wer sie allerdings durch einen sogenannten „Code-Snippet“ im HTML-Code einbringt, dem droht Anwaltspost. Durch diese „dynamische Form“ bauen Nutzer nämlich eine Verbindung zu den Google-Servern auf, wobei zumindest die IP-Adresse des Seitenbesuchers an Google übertragen wird. Oder anders gesagt: Es werden personenbezogene Daten verarbeitet. „Und solange hierfür keine Rechtfertigung, also eine Zustimmung, vorliegt, ist jede Datenverarbeitung unzulässig“, erklärt Rechtsanwalt Matthias Lederer.

Eine Zustimmung ist dabei eng auszulegen: „Selbst über die Cookie-Leiste, die auftaucht, wenn ich zum ersten Mal auf der Website bin, ist das nicht so ohne weiteres möglich“, führt Lederer aus. Im Prinzip dürften sich Webseiten mit dynamischer Einbindung erst aufbauen, wenn Nutzer ihr ausdrückliches Einverständnis für Google Fonts geben.

Wer kriegt aktuell Post?

Das Bild ist sehr divers. „Eigentlich kann es jeden treffen, der eine halbwegs öffentliche Internetseite betreibt. Das scheint auch nicht von der Größe der Unternehmen abzuhängen. Wir erleben Abmahnungen gegen kleine Mittelständler, aber auch gegen internationale Handelsunternehmen“, sagt Lederer. Auch Beiträge im Sozialen Netzwerk Linkedin deuten daraufhin. Einige Anwälte berichten hier von hunderten Mandanten, die sie vertreten.

Was ist von den Vorwürfen zu halten?

Noch herrscht keine abschließende Meinung darüber, ob die Forderungen überhaupt rechtmäßig sind. Das Urteil aus München ist zum einen noch nicht rechtskräftig, zum anderen entscheidet der Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bald in einem ähnlichen gelagerten Verfahren aus Österreich. Hier geht es um die Frage, welche Anforderungen an den Schadenersatzanspruch zu stellen sind. Eine Entscheidung hätte dann gegenüber dem deutschen Recht Vorrang. Schon jetzt deutet sich an, dass der EuGH eine etwas andere Auffassung vertreten könnte – was das Münchener Urteil entscheidend abschwächen würde.

Insbesondere deutet sich an, dass bald eine sogenannte „Erheblichkeitsschwelle“ überschritten werden muss, damit auf Schadensersatz geklagt werden kann. Das legte das Münchener Urteil bislang nicht nahe. Im Prinzip kann aktuell jeder klagen, der verärgert ist von dynamischen Google Fonts. Wie diese Schwelle dann in Zukunft definiert wird, bleibt allerdings abzuwarten. „Es scheint aber darauf hinauszulaufen, dass der Klagende kausal negative Konsequenzen nachweisen muss – und diese dürfen nicht vorübergehend sein“, sagt Lederer.

Wie sollten sich abgemahnte Unternehmen verhalten?

Zunächst einmal: Ruhe bewahren – und nicht sofort den geforderten Betrag bezahlen. Aktuell zeigt Anwalt Lederer seinen Mandanten zwei Möglichkeiten auf – je nach Risikopräferenz und Art des Schreibens. „Es ist ausreichend, wenn man in einem Musterschreiben die Vorwürfe pauschal zurückweist.“ Zwar könnte die Gegenseite dann klagen, bislang scheint das aber nicht der Fall zu sein. Das gilt zum Beispiel im wohl häufigsten Fall, einem Schreiben des Berliner Anwalts Kilian Lenard. Wer risikofreudiger ist, kann die Post zunächst auch ganz ignorieren. „Bislang ist auch das ohne Konsequenz geblieben“, berichtet Lederer.

Wenn der Schriftsatz von einer Privatperson kommt, die nur den Schadenersatz fordert – eine zweite bekannte Methode – dann gibt es nur eine Lösung: „Einfach direkt in den Papierkorb schieben und keinesfalls darauf reagieren.“ In jedem Fall sollten Website-Betreiber aber eines tun: Ihre Google-Fonts lokal einbinden. Damit sind sie dann auch auf der sicheren Seite.

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