Wie riecht eigentlich Geld? Und was macht ein Eau zum Bestseller? Diese und weitere Fragen stellen wir in unserer Serie „Duft des Erfolgs“ normalerweise den besten Parfümeuren der Gegenwart. Diesmal begeben wir uns stattdessen in die Welt der Literatur und sprechen mit dem Autor Paul Divjak, dessen Buch „Der parfümierte Mann“ spannende philosophische Perspektiven auf Männer und ihre Duftwässerchen eröffnet.
In Ihrem neuen Buch „Der parfümierte Mann“ schreiben Sie, dass Düfte wie Tagebücher sind, die uns an Erlebnisse, Menschen und Gefühle erinnern. Wie riecht in Ihrem Duft-Gedächtnis der Beginn der Corona-Pandemie?
PAUL DIVJAK: Ich war zu dem Zeitpunkt für ein Ausstellungsprojekt und Recherchen in Südostasien. Es roch nach feuchter Erde, frisch gekochtem Reis, nach Gewürzen und Frangipani-Blüten. Und in den Läden und Lokalen der Ortschaften natürlich bereits vermehrt nach Chlor und Desinfektionsmitteln für die Hände.
Wie vermeidet man, dass Duft und Charakter nicht zueinander passen? Wie beispielsweise bei dem brutalen Gangster Al Capone, der angeblich eine Schwäche für Maiglöckchen hatte.
Weichheit und Härte als gegensätzliches Paar zu sehen, das hat sich zumindest in der modernen Parfümerie längst erledigt. Oftmals liegt genau im scheinbaren Widerspruch von persönlicher Erscheinung und den begleitenden Noten der Reiz. Das Haus Dior hat 1980 beispielsweise das hierzulande eher unbekannte Eau de Toilette „Jules“ auf den Markt gebracht, für das der großartige französische Illustrator René Gruau die Kampagne entwarf. Auf der Dior-Website heißt es noch heute: „Der Jules-Mann ist ein viriler, entschlossener Sportliebhaber, der Risiko und Abenteuer genießt. Autorennen, Fliegerei, Boxen und Motorräder sind ein fester Bestandteil des Duftbildes.“ Dabei duftet „Jules“ nach Alpenveilchen und Nelken, auf einer Basis knarziger Hölzer. Diese Lieblichkeit, das ist die wahre Härte. Ähnlich wie bei „Kouros“ von Yves Saint Laurent oder „Antaeus“ von Chanel haben wir es hier mit einer olfaktorischen Gratwanderung zwischen extravaganter Anmut und kantiger Eigenwilligkeit zu tun. Wo hört die Eleganz auf, wo beginnt die Zumutung? Solche Kompositionen sollen polarisieren und reiben sich dabei durchaus am Äußeren des Trägers und seinem Wesen.
Welcher Duft beschreibt Ihre Kindheit?
Der Geruch der großen Ferien. Es riecht nach den Holzkästchen des Freibads, nach Sonnenmilch der Marke Delial und der leichten Schwefelnote von der Heilquelle des Beckens der Erwachsenen nebenan.
In aller Kürze: Wie duftet …
… Glück?
Für mich nach Freude und Freiheit, nach grünen Wiesen und würzigen Wäldern.
… Erfolg?
Nach süßem Versprechen und kaltem Metall.
… Liebe?
Allzu oft nach Konsumklischee und tausend roten Rosen.
… Geld?
Nach dem Konzept-Duft „Cash“ des österreichischen Künstlers Robert Jelinek. Dollarnoten zum Parfümspray verdichtet – wundervoll, ja, aber mehr davon macht nicht glücklicher.
… Stille?
Zart, verführerisch, kaum wahrnehmbar und sehr kostbar; nach älteren, festen Harztropfen des Weihrauchbaums.
… Spaß?
Nach Lachen, Sinnlichkeit und einem Hauch von animalischen Noten.
Welche neuen Duftnoten bemerken Sie in der Herrenparfümerie – welche Trends sollten Männer im Blick haben und für sich entdecken?
Aktuell ist wohl der Zenith der Zutat Oud, des harzigen Adlerholzes, erreicht. Seit Jahren gab es keinen Anbieter, der den Markt nicht mit einer eigenen Variante versorgt hätte. In den Nischen des umkämpften Massenmarktes gibt es dafür immer mehr raffinierte Düfte kleiner, unabhängiger Firmen zu entdecken. Qualitativ wertvoll und ästhetisch ansprechen bis herausfordernd – jenseits der auf die breite Masse zielenden Konsens-Ware und der Vulgarität des vermeintlichen Luxus. Zugleich ist der Trend zur ökologischen und nachhaltigen Manufakturproduktion ein zukunftsweisender Lichtblick. Ein wertschätzender Umgang mit den Ressourcen sichert Freunden der Duftkultur neue sinnliche Erfahrungen.
Ihr aktueller Lieblingsduft ist ...?
Ich trage gerne jeden Tag einen anderen. Oft sind es die Düfte, die ich gerade entwickle. Ich trage sie Probe, geben ihnen und mir Zeit, sich zu entfalten. Und ich trage zurzeit auch wieder einmal die klassischen Kreationen des französischen Parfümeurs Raymond Chaillan. Das sind Vintage-Düfte, die von einer bestimmten Epoche in der Parfumhistorie erzählen. Ob „Monsieur de Rauch“ (1966) und „Pour Homme“ (Yves Saint Laurent, 1971), „Ho Hang“ (Balenciaga, 1971) oder „Monsieur Carven“ (1978). Chaillan ist und bleibt ein Meister der eleganten Komposition, in der frische zitrische und würzig-holzige Noten eine vorübergehende Verbindung eingehen, deren harmonische Leichtigkeit stets aufs Neue begeistert.