Ob Joint Ventures oder Umstrukturierungen, nicht selten bringen unternehmerische Veränderungen auch personellen Wandel mit sich. Hat beispielsweise ein Unternehmen fusioniert, fallen von heute auf morgen wichtige Schlüsselpositionen weg. Und damit gerät manch erfolgreicher Manager aufs Abstellgleis. Oft trifft es erfahrene Führungskräfte im mittleren Alter besonders hart, wenn es heißt: Gehen oder Absteigen.
Wer sich dann großzügig abfinden lässt und mit Mitte 50 erstmals wieder auf Jobsuche begibt, stellt trotz Fach- und Führungskräftemangel fest: Die Bewerbungen bleiben erfolglos, weil Personalverantwortliche ihn entweder für zu alt oder für überqualifiziert halten, um vakante Stellen mit ihm zu besetzen. Das nagt nicht nur am Selbstwertgefühl, sondern auch an der Zuversicht. Wenn der Markt scheinbar nichts bereithält, wird es Zeit für eine Neuorientierung in der Herangehensweise: Warum das Glück bei nur einem Arbeitgeber auf Dauer suchen, wenn sich viele glücklich schätzen und ein vorübergehendes Engagement entsprechend wertschätzen würden?
Mann der Stunde auf Zeit
Das Interim-Management bietet erfahrenen Managern vielseitige, sehr gut honorierte und anspruchsvolle Einsatzmöglichkeiten. Ob für drei Monate, ein halbes Jahr oder mitunter zwei Jahre – Firmen, die im Change- oder Krisenmanagement Unterstützung benötigen oder mehr Zeit brauchen, um eine vakante Führungsposition neu zu besetzen, wollen Expertise und Engagement auf Abruf. Mit anderen Worten: Sofort einsetzbar, mit hoher Verantwortlichkeit vertraut und aufgrund der langjährigen Erfahrung ebenso verlässlich wie versiert.
Genau das bietet ein freigesetzter Manager in seiner Lebensmitte auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Seine Hands-on-Mentalität ist für Unternehmen mit temporärem Bedarf bestens geeignet. Denn er bringt neben seiner Erfahrung auch Unvoreingenommenheit und Fachwissen mit – Ressourcen, auf die Unternehmen oftmals weder intern noch kurzfristig zugreifen können. Der aus der Festanstellung kommende Manager 50+ muss sich nur auf dieses Arbeitsmodell einlassen können. Ob das gelingt, hängt erheblich von seiner persönlichen Motivation ab.
Eines vorweg: Wer sich nach Sicherheit sehnt, ist im Interim-Management fehl am Platze. Das Geschäft lebt von Flexibilität in alle Richtungen. Dafür bietet es jede Menge Raum zur persönlichen Weiterentwicklung. Denn jedes Unternehmen tickt ein bisschen anders: Es gibt immer wieder neue Arbeitsbedingungen, eine andere Unternehmenskultur, unterschiedliche Produkte und Leistungen, wechselnde Sparringspartner. Interim-Manager knüpfen durch ihren Job laufend neue Kontakte und erweitern so ihr Netzwerk.
Der Manager 50+, dem eben noch ein einsames Dasein auf dem Abstellgleis drohte, ist als Interim Manager wieder mitten im Geschehen, sozusagen der Mann der Stunde. Hier kann er sein Können unter Beweis stellen und lernt selbst ständig Neues dazu. Das kann befriedigender und bereichernder sein als die bisherige Tätigkeit in der Festanstellung.
Der neue Job schenkt Freiheit statt Fesseln
Seine eigenen Bedürfnissen sollten ihm dabei allerdings nicht im Wege stehen: Sein Wunsch nach Bestätigung darf nicht allzu ausgeprägt sein. In der Regel findet sein temporäres berufliches Umfeld keine Zeit dafür, seinen Einsatz stetig zu würdigen. Wer ins Interim-Management wechselt, sollte seine Motivation aus der Liebe zur Herausforderung und der Freude an Abwechslung generieren. Ist das der Fall, lässt sich viel Befriedigung aus der neuen Tätigkeit schöpfen.
Gleichzeitig zeigt der Schritt vom Jobverlust zum temporären Troubleshooter, dass der reife Manager nicht stagniert, sondern sowohl operativ als auch strategisch wichtige Projekte leiten kann. Und noch einen weiteren Vorteil bringt die neue Art des Jobs mit sich: Der Interim-Manager ist nicht in die Unternehmenspolitik involviert – Machtspielchen und Seilschaften spielen für ihn nur bedingt eine Rolle, er genießt sozusagen Diplomatenstatus im Land der Regularien und Rituale. Auch das kann nach vielen Jahren des festen Rahmens ein angenehmes Gefühl der Freiheit schenken, wenn man das Geschenk anzunehmen weiß.
Mehrwert durch mehr Erfahrung und Gelassenheit
Je niedriger also sein Bedürfnis nach Ruhe und Anerkennung ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der künftige Interim-Manager über eine starke Resilienzfähigkeit verfügt. Die Souveränität des Alters, gepaart mit der beruflichen Erfahrung, spielt dem Manager 50+ hier in die Hände – und lässt sich gewinnbringend ins neue Unternehmen auf Zeit einbringen. Denn meist kommen Interim-Manager zum Einsatz, um einen Change oder einen Turnaround durchzuführen. Dabei ist emotionale Ruhe wichtig. Wer darüber verfügt, geht souverän mit widrigen Umständen und schwierigen Aufgabenstellungen um, denn solche Herausforderungen motivieren ihn.
Wer zudem über ein stark ausgeprägtes Motiv der Wettbewerbsorientierung oder nach Prestige strebt, ist im Interim-Management ebenfalls gut aufgehoben. Schließlich geht es nicht selten darum, „den Karren aus dem Dreck zu ziehen“ oder Aufgaben von zentraler Bedeutung zu übernehmen. Menschen, für die Wettbewerb ein willkommener Ansporn ist, engagieren sich besonders, um mit dem Erfolg des eigenen Verantwortungsbereichs im Unternehmen gegenüber anderen Abteilungen oder Mitbewerbern zu glänzen. Dabei spielt es für sie keine Rolle, ob sie im Unternehmen fest angestellt oder nur vorübergehend beschäftigt sind – ihnen geht es vor allem um den Erfolg.
Keine Frage, das Interim-Management bedeutet das Gegenteil von einem festen Arbeitsplatz und -ort, Routine und festen Kollegenkreis, aber es schenkt dem eben noch für verzichtbar erachteten Manager 50+ neue und spannende Perspektiven – wenn man der Typ dafür ist.
Katja Gose-Krüger ist Geschäftsführerin von Kompetenzmagnet, einer Personalberatung, die sich auf die Vermittlung von Interim Managern, Spezialisten sowie Fach- und Führungskräften spezialisiert hat Mehr unter kompetenzmagnet.de