Wer einen Job sucht, ist bisher meistens noch bei Google, auf Jobportalen und im eigenen Bekanntenkreis unterwegs, liest zig Stellenanzeigen und hört sich um – auch weil so immer noch die meisten Angebote zu finden sind. Erste Matching-Tools nutzen künstliche Intelligenz, um sowohl für Bewerberinnen und Bewerber als auch für Personalsuchende bessere und schneller den passenden Job beziehungsweise die richtigen Mitarbeitenden zu finden.
Jobportale im Internet und eigene Unternehmenskanäle sind bislang die Nummer eins für Personalsuchende, wenn sie neue Mitarbeitende rekrutieren wollen. Doch bis eine Stelle tatsächlich besetzt ist, dauert es über diesen Weg vergleichsweise lange: 2020 waren es Berechnungen des Recruiting-Unternehmens Workwise zufolge durchschnittlich 78 Tage. Seither hat sich der Fachkräftemangel jedoch verschärft, die Stellenbesetzung dürfte derzeit also länger dauern.
In diese Besetzungslücke drängen seit einiger Zeit mehrere Techunternehmen, die Apps und andere KI-basierte Tools entwickeln, um Jobsuchende und Arbeitgeber zusammenzubringen – eine Art Tinder für die Arbeitssuche.
Das Techunternehmen Empion zum Beispiel hat einen selbstlernenden Algorithmus entwickelt, um Jobsuchende und Arbeitgeber zu matchen. Dem Unternehmen zufolge dauerte die Einstellung damit durchschnittlich nur 27 Tage. Erste Kandidaten kann Empion nach eigenen Angaben meistens schon innerhalb von 48 Stunden liefern.
Ein individueller Chatbot
Das 2021 gegründete Unternehmen arbeitet dazu mit einem Robo Advisor, der auf künstlicher Intelligenz basiert, und den Bewerberinnen mit individuellen Einstellungen und Filtern füttern können. Nach dem Vorbild eines persönlichen Headhunters quantifiziert er Fähigkeiten, Lebenslauf und Wertvorstellungen der Bewerber. Dazu generiert er in einem Chat individuelle Fragen, geht aber auch auf die Aufmerksamkeitsspanne der Person ein. „Der Robo-Advisor merkt, wie schnell und wie gerne jemand Fragen beantwortet. Deswegen stellt er nur genau so viele Fragen, wie nötig sind, um das Profil individuell darzustellen“, erklärt Empion-Mitgründerin Annika von Mutius.
Umgekehrt werden die Unternehmen mithilfe des Algorithmus einem sogenannten Kultur-Muster zugeordnet und können dann mit passenden Kandidatinnen und Kandidaten zusammengebracht werden. Die Trefferquote von Empion sei dreimal höher als die herkömmlicher Jobportale, sagt Mutius. Es werde trotzdem weiter daran gearbeitet, die individuelle Fragen-Generierung noch zu verbessern.
Die Individualität, die eine persönliche Jobvermittlung durch einen menschlichen Headhunter mit sich bringt, stellt die größte Herausforderung für künstliche Intelligenz dar. Sowohl Unternehmen als auch Bewerberinnen und Bewerber haben eine Vielzahl von Anforderungen und Vorstellungen, die berücksichtig werden müssen. Einem Menschen können sie das erzählen. Bei einem KI-basierten Tool müssen sie hoffen, dass dieses ihre Informationen passend verarbeitet.
„Das ist sehr komplex“, sagt Kai Stegemann, Gründer der Job- und Ausbildungsplattform Jobin Hood. „Ein Industriekaufmann ist ja nicht immer nur in einem Industrieunternehmen tätig. Es kommen auch andere Branchen infrage, die man natürlich nicht auslassen darf.“ Jobin Hood ist momentan noch überwiegend regional im Münsterland aktiv. Die Plattform funktioniert über einen Chat, vollständig automatisiert ist der Prozess allerdings bisher nicht.
Mitarbeitende melden sich teils persönlich bei den Bewerberinnen und Bewerbern, um Details nachzufragen oder sie final mit einem Unternehmen zu verbinden. Denn um den Algorithmus perfekt auszusteuern, reichen die Daten noch nicht aus, die Jobin Hood von seinen Nutzern bekommt, sagt Stegemann. Viele Nutzer würden abgeschreckt, wenn sie im letzten Schritt ihre Kontaktdaten eingeben müssen. Sie brechen das Verfahren und ihre Anmeldung ab, was Stegemann enttäuscht. 25 bis 30 Prozent würden hier aussteigen, obwohl sie den Fragenprozess bereits durchlaufen haben. „Das tut uns wirklich weh, weil dann keine der vorher eingetragenen Informationen nutzbar ist. Die KI braucht die Daten aber, um zu lernen“, erklärt Stegemann. Er plädiert deshalb dafür, die Datenschutzverordnung in gewissen Bereichen zu lockern.
Große Stellenportale noch außer Konkurrenz
Der Wirtschaftsinformatiker Christoph Weinert von der Universität Bamberg hält einen zu strengen Datenschutz jedoch für das kleinste Problem. Zum einen gehe es dem Algorithmus nicht darum, personenbezogene Profile anzulegen, zum anderen würden die Daten anonymisiert verarbeitet. Sehr viel problematischer seien Biases, also menschliche Denkmuster, die der Algorithmus übernimmt. Ein Beispiel seien Stellen im Technologiebereich: „Wenn die in der Vergangenheit hauptsächlich mit Männern besetzt wurden, wird der Algorithmus bei neuen offenen Stellen auch wieder nach einem Mann suchen“, erklärt Weinert. Dass gerade Frauen diskriminiert werden, komme generell in MINT-Berufen vor und bei männerdominierten Studienfächern wie dem Ingenieurswesen. Technologie müsse neutral bleiben. Das hält auch Empion-Gründerin Mutius für wichtig und betont, dass der Algorithmus jeden Tag und mit jeder Erfahrung besser werde.
Große Portale wie Stepstone und Indeed verfügen aber noch über deutlich mehr Daten als die kleineren Matching-Tools. Zwar sind bei Empion mittlerweile über 500 Unternehmen registriert, bei Stepstone sind es aber über 150.000. Und auch die traditionellen Stellenbörsen wissen um das Potenzial von KI bei der Jobsuche. Stepstone will mit einem US-Start-Up zusammenarbeiten, um KI-gestützte Chats einzusetzen. Indeed setzt KI bereits im Hintergrund ein, um für Nutzerinnen und Nutzer möglichst passende Stellenanzeigen zu identifizieren.
Weder Jobin Hood noch Empion können momentan Aussagen zum Erfolg ihrer Vermittlungen machen. Gegenüber klassischen Stellenanzeigen scheinen KI-getriebene Portale aber bisher einen klaren Effizienz-Vorteil zu haben. „Wir testen parallel noch Stellenanzeigen“, erzählt Mutius. „Aber die wenigsten haben darauf noch Lust. Da bekommen wir maximal ein Zehntel der Reaktionen, die wir über den Robo Advisor bekommen.“