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Kolumne Erziele Wirkung mit nonverbalen Signalen – oder verliere alles

Niels H.M. Albrecht
Niels H.M. Albrecht
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In der Kommunikation kommt es nicht nur auf Worte an, auch die Körpersprache spielt eine Rolle. Nur wenn beides zusammenpasst, lässt sich die gewünschte Wirkung erzielen. Was schieflaufen kann, zeigt das Beispiel Gerhard Schröders

Der Großmeister der Kommunikation, der von sich behauptete, dass er zum Regieren nur Bild, BamS und die Glotze brauche, scheiterte am Ende seiner Kanzlerschaft vor laufenden Kameras. Es war der Abend des 18. September 2005, an dem die „Elefantenrunde“ nach der vorgezogenen Bundestagswahl live ausgestrahlt wurde. Alle Vorsitzenden der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien waren nach den ersten Hochrechnungen auf Einladung des ZDF-Moderators Nikolaus Brender und dessen ARD-Kollegen Hartmann von der Tann ins Studio gekommen, um über den Wahlausgang zu diskutieren.

Anders als von den Meinungsforschungsinstituten vorausgesagt, hatte Angela Merkel, die Herausforderin der Union, ihren deutlichen Vorsprung auf den sozialdemokratischen Bundeskanzler Gerhard Schröder eingebüßt. Im Willy-Brandt-Haus war nach der ersten Hochrechnung frenetischer Jubel ausgebrochen. Die Genoss:innen feierten ihren Kanzler. Wie im Rausch verkündete er vor seiner Anhängerschaft, dass er einen klaren Regierungsauftrag habe. Und das, obwohl die CDU zu diesem Zeitpunkt schon knapp vorne lag.

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Entgegen seiner Gewohnheit fuhr der Medienprofi Schröder an diesem Abend früh ins Fernsehstudio. Er wollte es allen zeigen. Zu Beginn der Fernsehrunde war die Stimmung höchst angespannt, und die Hochrechnungen wurden immer eindeutiger: Merkel war vor Schröder als Siegerin durchs Ziel gegangen. Trotzdem nahm der gescheiterte Bundeskanzler sie nicht ernst und betonte im Studio: „Sie wird keine Koalition mit meiner Partei zustande kriegen. Machen Sie sich da nichts vor.“ Ein Millionenpublikum erlebte einen angriffslustigen und an seinem eigenen Wahlkampf berauschten Gerhard Schröder, der seine Emotionen nicht mehr im Griff hatte. Übereilt wie einst CSU-Politiker Edmund Stoiber, der 2002 seinen Sieg feierte, ohne das amtliche Endergebnis abzuwarten, nach dem er knapp gegen Schröder verlor, agierte nun auch der SPD-Politiker.

Anders als sonst folgte Schröder seiner Hybris, welche ihm den realistischen Blick auf die Wirklichkeit nahm. Die Zuschauer:innen achteten auf seine Körpersprache, die überheblich und ungesteuert wirkte. Nach zahlreichen Unterbrechungen ließ der Kanzler die Runde wissen, dass niemand außer ihm in der Lage sei, eine stabile Regierung zu bilden. Die Moderatoren machten Schröder darauf aufmerksam, dass er gar keine Mehrheit habe. Dieses Argument wischte er mit einer ihm entgleitenden Mimik aus Grinsen und Entgeisterung über die Journalisten vom Tisch. Auch der Klang der Kanzlerstimme wirkte auf die TV-Zuschauer:innen nicht mehr ernsthaft. Schnell kam das Gerücht vom Rotweinkonsum vor der Sendung auf, der den ungewollten Auftritt verursacht haben sollte.

Nikolaus Brender hielt seine Eindrücke an diesen denkwürdigen TV-Auftritt so fest: „Hartmann von der Tann und ich hatten nicht den Eindruck, dass es der Alkohol war, der Schröder an diesem Abend in einen Kriegselefanten verwandelte. Es war das ausgebrochene Ego, das den Kanzler aufputschte und seine Attacken gegen die Kanzlerkandidatin Merkel, gegen die Moderatoren und gegen die Realitäten des Wahlergebnisses reiten ließ.“ Und es kam noch schlimmer: Schröder verlor mit seiner Botschaft „Ich bleibe Bundeskanzler, auch wenn Medien, wie Sie, dagegen gearbeitet haben“, seine Glaubwürdigkeit bei den Zuschauer:innen, denn die Wahlhochrechnungen, die durchs Fernsehbild liefen, besagten, dass Angela Merkel ins Kanzleramt einziehen würde. Und so kam es auch.

Wenige Wochen nach der Sendung wurde Merkel mit den Stimmen der SPD zur ersten Kanzlerin Deutschlands gewählt. Sie hatte auf die zahlreichen Angriffe von Schröder in der Sendung nicht reagiert und stattdessen im Nachgang mit dem SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering die große Koalition geschmiedet. Angela Merkel ging an diesem Abend nicht in den verbalen Schlagabtausch mit dem Kanzler. Sie behielt die Ruhe und gewann erst die Fernsehzuschauer:innen und dann das Amt für sich.

Die Elefantenrunde ging als Meilenstein in die deutsche Mediengeschichte ein: Bundeskanzler Schröder redete sich um Kopf und Kragen und ebnete damit seiner Herausforderin, die ein extrem schlechtes Wahlergebnis einfuhr, das Fundament ihrer ersten Kanzlerschaft. Schröder wollte etwas erzwingen, das an diesem Abend nicht zu erzwingen war. Statt in Ruhe zu sondieren, verschoss er vor laufenden Kameras sein ganzes Pulver. Damit hatte Gerhard Schröder im Fernsehstudio nicht nur die Macht, sondern auch seine viel beachtete Medienkompetenz verloren.

Unbewusste Kommunikation

Paul Ekman, ein US-amerikanischer Anthropologe und Psychologe, ist für Forschungen zur nonverbalen Kommunikation bekannt geworden. Gemeinsam mit seinem Kollegen Wallace Friesen entwickelte er das Facial Action Coding System (FACS) – eine physiologisch orientierte Klassifikation der emotionalen Gesichtsausdrücke des Menschen. FACS spielt in der Ausdruckspsychologie eine wichtige Rolle; es erfasst und beschreibt die emotionalen Ausdrucksmuster des Menschen.

Niels H. M. Albrecht: Kommunikationsmacht – Strategien der Aufmerksamkeitsökonomie, 480 Seiten, gebunden, 24,95 Euro, ISBN 978-3-98212-621-0, Blick ins Buch: https://deack.de/publikationen
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Schauspieler:innen und hier vor allem die Hollywood-Stars, arbeiten sehr hart an ihrer Ausdrucksfähigkeit. Im Gegensatz zu den Leinwandgrößen sind die Mikrogesichtsausdrücke für die meisten Menschen nicht kontrollierbar, und doch benutzen wir sie täglich. Die Basisemotionen eines Menschen sind mit etwas Übung leicht zu erkennen. Wut, Freude, Trauer, Ekel, Verachtung, Angst und Überraschung – das sind nach Paul Ekman die sieben wichtigsten Emotionen des Menschen. 1990 wurde diese Liste um Heiterkeit, Verachtung, Zufriedenheit, Verlegenheit, Aufregung, Schuldbewusstsein, Entspannung, Genugtuung und Scham erweitert. Das FACS ordnet nahezu jeder sichtbaren Bewegung der mimischen Muskulatur eine Bewegungseinheit, im Englischen Action Unit, zu. Insgesamt gibt es 44 solcher Bewegungseinheiten: zwölf im Obergesicht und 32 im Untergesicht. All diese Emotionen an den Gesichtsausdrücken zu erschließen, fällt ungeübten Beobachter:innen sehr schwer.

Paul Ekman behauptet von sich, alle Mikrogesichtsausdrücke zu kennen: „Es sind nur 43 Muskeln, mit denen wir mehr als 10.000 Gesichtsausdrücke erzeugen können, und ich habe alle gesehen. Ich bin bis Papua-Neuguinea und auf alle Kontinente gereist. Es gibt keinen Ausdruck, den ich nicht kenne.“

Im Kommunikationsalltag bringt es uns keinen Vorteil, über 10.000 Gesichtsausdrücke zu entschlüsseln. Doch können uns ein paar Grundkenntnisse helfen, unsere Wahrnehmung zu schärfen, um die Gefühlswelt unserer Gesprächspartner:innen frühzeitig zu erkennen. Damit ist es möglich, unser Gegenüber kommunikativ besser zu erfassen und zu erreichen.

55-38-7-Regel

Bestimmte körpersprachliche Signale laufen bei uns nur teilbewusst ab. Wenn wir uns selbst beobachten oder besonders achtsam mit uns umgehen, bemerken wir die Veränderungen unserer Mimik. Doch über weite Strecken eines Gesprächsverlaufs können wir die Veränderungen nicht vollständig wahrnehmen oder steuern. In der Bevölkerung ist die Redewendung von dem „Entgleisen der Gesichtszüge“ bekannt. Der deutsche klassische Philologe Friedrich Nietzsche formulierte es schöner: „Man lügt wohl mit dem Munde; aber mit dem Maule, das man dabei macht, sagt man doch noch die Wahrheit.“

Die nonverbale Kommunikation verrät mehr über uns, als uns oft lieb ist. Wir überprüfen unser Gegenüber nicht so sehr an seinen Worten. Unsere Aufmerksamkeit richtet sich auf die gesamte Person. Das relative Wirkungsverhältnis der drei Komponenten Körpersprache, Stimme und Inhalt untersuchte der Psychologieprofessor Albert Mehrabian von der University of California in Los Angeles.

Mehrabian stellte hierzu die 55-38-7-Regel auf, nach der wir von unserem Gegenüber hauptsächlich die nonverbalen Signale (55 Prozent) aufnehmen. Danach folgt die Stimme (38 Prozent) und dann kommt erst der Inhalt (7 Prozent). Albert Mehrabian fasst seine Formel wie folgt zusammen: „Wenn eine nonverbale einer verbalen Handlung widerspricht, ist es wahrscheinlicher, dass die Gesamtaussage der Nachricht von der nonverbalen Handlung definiert wird.“ Viele Menschen unterschätzen die Rolle der Körpersprache in der menschlichen Wahrnehmung. Seien Sie klug und achten Sie besonders auf die Wirkung Ihrer nonverbalen Kommunikation.

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Aufgrund dieser enormen Bedeutung werden Schauspieler:innen intensiv in Stimmmodulation und Körpersprache ausgebildet. Sie wirken nicht so sehr durch den von ihnen gesprochenen Text, sondern durch ihre nonverbale Ausdruckskraft. So beherrschen gute Schauspieler:innen mindestens ein Dutzend verschiedener Bedeutungsnuancen des Wortes „Nein“, um dem Publikum die dargestellte Situation vermitteln zu können. Und das Publikum entscheidet in Bruchteilen von Sekunden, ohne dass es das will oder beeinflussen kann, über eine Zu- oder Abneigung zu der Schauspielerin oder dem Schauspieler. Ähnlich geht es uns in der Liebe. Durch die Signale, die wir in Bruchteilen von Sekunden empfangen, wird unser Interesse geweckt.

Dieses Modell sollten Sie bei allen Ihren Präsentationen, Reden oder Vorträgen berücksichtigen: Das gesprochene Wort sollte stets im Einklang mit der Ausdruckskraft von Körpersprache und Stimmmodulation sein. Erst wenn eine Übereinstimmung dieser drei Elemente erreicht ist, kann ein Wirkungshorizont bei den Rezipient:innen entstehen.

Niels H. M. Albrechtist Leiter der DEACK – Deutsche Akademie für Change und Kommunikation. Der Speaker, Dozent und Buchautor berät Regierungen, Unternehmen, Stiftungen, Vereine und Kirchen in Veränderungsprozessen und Krisensituationen. Zuletzt hat er das Buch „Kommunikationsmacht – Strategien der Aufmerksamkeitsökonomie“ veröffentlicht. Daraus stammen die verschiedenen Kommunikationstools, die er in seiner 14-tägigen Kolumne auf Capital.de vorstellt. Mehr Infos zum Autor gibt es hier.

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